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Florian WirtzDer aufregendste Teenager des deutschen Fußballs

Lesezeit 4 Minuten
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Der Mann des Abends: Florian Wirtz verschenkt sein Doppelpack-Outfit.

Szekesfehervar/Köln – Innerhalb von acht Minuten konnte Florian Wirtz am Donnerstagabend noch einmal eindrucksvoll unter Beweis stellen, warum der Regisseur von Bayer 04 der aktuell aufregendste Teenager im deutschen Profifußball ist – Abschlussstärke, Tempo und eine schier umfassende Spielintelligenz. Als 18-Jähriger vereint der Abiturient bereits die wichtigsten Eigenschaften eines künftigen Weltklasse-Fußballers.

Beim 2:1-Halbfinal-Triumph von Deutschlands U 21 gegen die Niederlande vollendete Wirtz nach 29 Sekunden einen der schönsten Angriffe einer DFB-Auswahl der vergangenen Jahre zum 1:0. Zudem war es das schnellste Tor der U-21-EM-Geschichte des beim Debüt im vergangenen Oktober jüngsten deutschen U-21-Nationalspielers (17 Jahre, 159 Tage). Wenig später legte der mittlerweile 18 Jahre alte Wirtz durch eine famose Einzelleistung samt Abschluss von der Strafraumkante nach (8.). „Ich musste nach ein paar Minuten gucken, ob das überhaupt stimmt – und wie es eigentlich steht“, sagte Wirtz, der nie zuvor im DFB-Trikot getroffen hatte.

Finale am Sonntag gegen Portugal

Doch er hatte nicht geträumt, sondern die U21 ins dritte EM-Endspiel in Folge geführt. Am Sonntag könnte sich Deutschland im slowenischen Ljubljana zum dritten Mal nach 2009 und 2017 zum Europameister krönen (21 Uhr/ProSieben). Gegner ist EM-Favorit Portugal. „Wir wollen das Turnier gewinnen“, sagte Wirtz, der Leuchtturm seiner Generation. Um ihn herum gibt es weit weniger Talente wie zum Beispiel im Sieger-Team von 2009 mit Manuel Neuer, Jérôme Boateng und Mesut Özil. Die Mannschaft von 2021 lebt vom Teamgeist. „Der ist schon überragend“, sagte Bundestrainer Stefan Kuntz. „Wenn man so eine Einheit hat, kann das nichts schlagen“, ergänzte Verteidiger David Raum.

Nach seinem Wechsel aus der Jugend des 1. FC Köln zu Bayer 04 vor rund eineinhalb Jahren hatte Wirtz einen kometenhaften Aufstieg hingelegt. Jüngster Leverkusener Bundesliga-Profi, jüngster Torschütze, würdiger Nachfolger des bisherigen Bayer-Wunderkindes Kai Havertz – und das ist nur in Auszug der Highlights seiner ersten Monate im Profifußball. Pünktlich zum 18. Geburtstag gab es von Bayer 04 einen bis 2026 gültigen Vertrag, der dem Werksklub in nicht allzu ferner Zukunft eine gewaltige Ablöse für Wirtz garantieren dürfte. Doch das ist für den jungen Mann mit der Lego-Frisur noch weit entfernt.

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„Die letzten zwölf Monate gingen sehr schnell und mit vielen Erlebnissen vorbei. Aber ich habe von meinen Eltern immer mitgegeben bekommen, dass ich auf dem Boden und immer der Gleiche bleibe. Das wird sich auch nicht ändern“, sagte der Offensivspieler.

Wirtz hatte sich in den vergangenen Monaten als einer von wenigen Werkself-Profis ins EM-Blickfeld von Joachim Löw gespielt. Doch entschied sich der Bundestrainer letztlich gegen ihn. Bei Deutschlands Überangebot in der Offensive hätte Wirtz wohl nur die Bank gedrückt. „Für Flo wäre die EM-Nominierung ein Traum gewesen. Aber im letzten Jahr haben sich schon viele Träume für ihn erfüllt“, sagte Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes kürzlich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die EM wäre ein Bonus gewesen. Dass er jetzt nicht im Kader steht, ist kein Problem. Flo wird noch einige Turniere spielen, davon bin ich fest überzeugt.“ Sollte Wirtz’ Entwicklung so weitergehen, wird Hansi Flick bei der WM 2022 kaum noch an dem Leverkusener vorbeikommen – obwohl er auch 2023 und 2025 noch an U-21-Europameisterschaften teilnehmen dürfte.

„Lieber EM-Titel als gutes Abitur“

In diesem Frühjahr erfreut sich aber noch DFB-Nachwuchscoach Stefan Kuntz an seinem Ausnahmekönner. Und nach dem holprigen Start im Viertelfinale gegen Dänemark blühte Wirtz gegen die Niederlande auf. Der Nationaltrainer versuchte noch, die Euphorie zu drosseln. „Wir sollten den Ball flachhalten. Im letzten Spiel gegen Dänemark hat er laut den Kritikern enttäuscht, jetzt wird er in den Himmel gehoben. Ein bisschen Mittelmaß ist da besser“, sagte Kuntz. Wirtz selbst konnte seine Freude nicht verbergen – womöglich sogar zum Unmut seiner Eltern. „Ich würde auf jeden Fall lieber das Turnier gewinnen statt ein gutes Abi zu haben“, antwortete er auf die Frage, ob ihm der EM-Titel oder ein guter Abschluss lieber sei.