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Rudi Völlers Bilanz zum Abschied„Die Leute mögen mich trotzdem. . .“

Lesezeit 7 Minuten
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Rudi Völler

Leverkusen – Am Samstag endet bei Bayer 04 Leverkusen eine Ära. Nach 28 Jahren als Profi, Sportdirektor, Interimstrainer und Geschäftsführer Sport verlässt Rudi Völler das operative Geschäft. Wir trafen den entspannten Weltmeister von 1990 an einem seiner letzten Arbeitstage in der Bay-Arena.

Herr Völler, erinnern Sie sich noch an den Tag, als Sie zum ersten Mal nach Beendigung Ihrer Spielerkarriere 1996 in Leverkusen Ihr eigenes Büro betreten haben?Natürlich, daran kann ich mich sehr gut erinnern. Da war das Stadion noch kleiner, wir hatten viel weniger Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, ein Bruchteil der Anzahl, die heute hier arbeitet. Damals hatte ich ein ganz kleines Büro im Westflügel. Und da habe ich versucht, zu lernen.

Was genau mussten Sie lernen? Wie Fußball geht, wenn man nicht mehr Spieler ist?So ungefähr. Ich hatte ja noch ein paar Wochen zuvor auf dem Platz gestanden. Der damalige Manager Reiner Calmund sagte mir dann, ich sollte mich doch einmal mit Christoph Daum treffen, den er als Trainer verpflichten wollte, was er dann auch tat. So hat das Abenteuer angefangen. Die ersten ein, zwei Jahre war ich natürlich Lernender. Ich war fast mehr Chefscout als Sportdirektor. Man konnte damals nicht wie heute alle Informationen mit dem Handy aus dem Netz abrufen. Da musste man selbst hinfahren und zuschauen. Ich war sehr oft in Brasilien und Argentinien in der Zeit. Das war auch wichtig, eine gute Erfahrung. Die ersten vier Jahre war ich laut Titel schon Sportdirektor. Die richtig große Verantwortung hatte ich aber erst danach, als ich 2004 von der Nationalmannschaft zurückkam. Als Bundestrainer, der auch andere Aufgaben übernommen hatte, konnte ich reifen und meinen Horizont erweitern. Als ich zurückkam, war Reiner Calmund nicht mehr da und Bayer steckte in einer schwierigen Phase. Da entstand das Gefühl, noch enger mit dem Klub verbunden und wirklich verantwortlich zu sein.

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Wie sehen Sie die Zukunft von Bayer 04 Leverkusen ohne Rudi Völler am Steuer des operativen Geschäfts?Es wird weitergehen. Es geht immer weiter, und wir sind super aufgestellt. Bei Bayern München hat mir immer gefallen, dass sie es regelmäßig schaffen, ehemalige Spieler in die Führung des Vereins zu integrieren und so die DNA des Klubs zu transportieren. Natürlich müssen auch der Intellekt und der Wille da sein, damit es passt, denn das kann nicht jeder. Wir haben das jetzt mit Simon Rolfes und Stefan Kießling geschafft. Bei Simon, der als Sportdirektor gute Arbeit leistet und jetzt Geschäftsführer Sport wird, hatte ich von Beginn an ein richtig gutes Gefühl. Bei Stefan Kießling, der zunächst als Assistent der Geschäftsführung und jetzt als Koordinator Lizenz andere Aufgaben hat, auch. Genauso bei Fernando Carro, dem Sprecher der Geschäftsführung, der als Quereinsteiger zu uns kam. Nach einer gewissen externen Skepsis zu Beginn funktioniert es jetzt super, und es wird auch die nächsten Jahre funktionieren. Mit Fernando, Simon, Stefan und unseren Direktoren, die ich alle schätze, sind wir sehr gut aufgestellt.

Was verbindet Sie im Besonderen mit ihrem Nachfolger Simon Rolfes?Simon hat 2005 sein erstes Tor für Bayer 04 geschossen, als ich hier zum zweiten Mal Interimstrainer war. Das war gegen den 1. FC Köln, da habe ich ihn zum ersten Mal von Anfang an spielen lassen. Überhaupt sind viele ehemalige Spieler, die ich als Trainer hatte, jetzt in leitenden Funktionen bei großen Klubs oder dem DFB tätig: Oliver Kahn bei Bayern, Fredi Bobic bei Hertha BSC, Frank Baumann in Bremen und Sebastian Kehl in Dortmund, Oliver Bierhoff ist Manager der Nationalmannschaft. Wenn ich darüber nachdenke, merke ich erst, wie alt ich geworden bin.

Trotz des offiziellen Abschieds werden Sie dem Klub als Botschafter und Mitglied des Gesellschafterausschusses verbunden bleiben. Vermutlich in einer großen Nähe zu dessen Vorsitzendem Werner Wenning, ohne den keine wichtige Entscheidung bei Bayer 04 gefällt werden kann.Wir arbeiten schon lange zusammen und haben seit Jahren ein tolles Verhältnis. Werner Wenning ist ein großer Fan und auch Experte des Fußballs, wir telefonieren regelmäßig. Wir wollen bei Bayer 04 in den nächsten Jahren ein gutes Niveau haben, dafür bin ich auch da. Da wird es hin und wieder Diskussionen geben. Und alle wissen, dass ich immer meine Meinung sagen werde, die vielleicht auch anders ist als die der Mehrheit. Ich denke aber, das habe ich mir erarbeitet, dass ich mal eine andere Meinung haben darf. Doch das ist ja auch konstruktiv und gewünscht.

Können Sie sich vorstellen, darüber hinaus ein wichtiges Amt im Deutschen Fußball-Bund oder der Deutschen Fußball Liga zu übernehmen?Wenn du das machst, musst du diplomatisch sein. Da kannst du nicht immer deine persönliche Meinung komplett einbringen, deshalb war ich in der Hinsicht nie wirklich ambitioniert. Ich will mir immer offenhalten, meine Meinung zu sagen, denn ich liebe den Fußball zu sehr, um mich zu verstellen. Ich will mir immer die Freiheit bewahren, unabhängig zu sein.

Wie häufig wird man Sie im Stadion sehen?Ich kann jetzt noch kein genaues Schema benennen. Aber sicher ist, dass ich bei Auswärtsspielen in der Bundesliga kaum noch dabei bin. Champions-League-Spiele sind natürlich das absolute Highlight, da wird man mich schon sehen. Auf der Geschäftsstelle wird man mich maximal alle sieben oder zehn Tage einmal sehen.

Ich werde aber nicht mehr im operativen Geschäft sein, das ist ja klar. Und ich werde nicht den Besserwisser spielen, wenn mal etwas schiefgeht. Ich werde mich total zurückhalten. Die Mannschaft ist gut, wir werden sie vielleicht sogar noch ein bisschen verbessern können. Und den Traum, einen Titel zu holen, den werde ich immer haben.

Ihr Abschied hat medial großes Interesse ausgelöst. Hat Sie das überrascht?

Eigentlich kann mich nach so langer Zeit in der Hinsicht nichts mehr überraschen, aber als ich im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF sah, dass ich im Mittelpunkt der ganzen Sendung stand, war ich doch noch einmal erstaunt.

Ist Ihnen Ihre Rolle als Identifikationsfigur des deutschen Fußballs immer bewusst?Ich versuche immer, authentisch zu sein. Vor allem bei Auswärtsspielen kommen viele Menschen zu mir, und ich mache viele Selfies mit ihnen, obwohl ich als Gegner komme und mich nicht immer optimal benehme. In Mainz zuletzt habe ich von der Tribüne aus heftig mit dem Schiedsrichter geschimpft, weil unser Florian Wirtz so hart attackiert wurde und der Schiri keine Gelbe Karte zeigte. Die Leute mögen mich dann aber trotzdem, obwohl ich in dem Moment gegen ihren Klub bin.

Am Samstag können Sie befreit von sportlichem Druck mit dem Heimspiel gegen den SC Freiburg Ihren Abschied als Offizieller von Bayer 04 feiern. Bayer ist für die Champions League qualifiziert. Welche Emotionen erwarten Sie?Ich habe in Leverkusen 1996 als Spieler aufgehört. Und ich habe wirklich alles aus meinem Körper herausgeholt. Ich hatte schon gemerkt, dass es immer schwerer wird, aber ich habe dann durchgehalten, bis ich 36 Jahre alt war. Dann war endgültig Schluss, obwohl ich gern noch ein, zwei Jahre gespielt hätte. Und das ist, was ich den Spielern immer sage: Hört ja nicht zu früh auf. Es wird nie mehr etwas geben, das schöner ist in eurem Leben. Vorher nicht. Und danach auch nicht. Fußballprofi zu sein, ist das Maß aller Dinge. Der Abschied ist mir damals schwerer gefallen als heute. Für mich ist schon seit zwei, drei Jahren völlig klar, dass es hier für mich als Sport-Geschäftsführer irgendwann gut sein würde. Deshalb passt es jetzt perfekt. Und ich bin ja nicht ganz weg.