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Mehr Geister für die SpieleWie Klubs die Notlösung Geisterspiele aufpolieren wollen

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Tausende Pappkameraden füllen die Ränge des Borussia-Parks. 

  1. Die Bundesligen werden am Wochenende mit Geisterspielen fortgesetzt.
  2. Die DFL hatte die Klubs dazu aufgerufen, auf Stimmung unterstützende Effekte zu verzichten. Einige brachiale Ideen wurden verworfen. Doch Gladbach, Köln und Leverkusen wollen die Notlösung aufpolieren.
  3. Doch ist es richtig, Geisterspiele als etwas anderes zu verkaufen als eine überlebenswichtige Maßnahme?

Köln – In tausende regungslos-grinsende Gesichter werden die Fußballer von Borussia Mönchengladbach und Bayer 04 Leverkusen blicken, wenn sie sich am 23. Mai gegenübertreten, dem zweiten Geister-Spieltag nach Fortsetzung der Fußall-Bundesliga. Denn Gladbach hatte seinen Fans angeboten, für 19 Euro einen Pappaufsteller mit dem eigenen Porträt auf den Rängen des Borussia-Parks zu platzieren. Mit Erfolg – über 12000 Bestellungen sind laut Klub eingegangen. Noch mehr Geister für die Spiele. „Als ich das erste Mal ins Stadion gekommen bin, habe ich drei, vier Sekunden gebraucht, um zu begreifen, dass es keine echten Menschen sind“, berichtet Borussia-Stürmer Marcus Thuram.

Gladbach ist stolz auf seinen Marketing-Coup. Gleichzeitig wurde eine Kunstaktion geschaffen, in der sich einige Kritik an der Bundesliga widerspiegelt: Die Blase der Fußballer macht ihr Ding auf dem Rasen, während die grinsende und zahlende Masse drumherum keinen Einfluss nehmen kann.

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Der 1. FC Köln sagt, echte Fußballfans seien nicht durch Pappkameraden zu ersetzen. Doch auch der FC betreibt natürlich Kundenbindung. So können Fans ihre Devotionalien wie Trikots oder Schals einschicken, vom Klub werden sie während der Geisterspiele auf der leeren Osttribüne des Rhein-Energie-Stadions aufgebahrt. Bayer 04 Leverkusen hat seine Anhänger aufgefordert, Fotos von sich einzusenden. Eine 100 Meter breite und 20 Meter hohe Collage soll dann als Banner die Osttribüne der Bay-Arena bedecken. Über 3500 Fotos seien eingegangen. Ähnliche Aktionen gibt es bei weiteren Bundesligisten. Die Klubs wollen den Geisterspielen ein Stück ihrer Sterilität nehmen. Immerhin werden sie den Fußball in der Corona-Krise wohl noch weit über das für Ende Juni angepeilte Saisonende hinaus begleiten.

Keine Normalität vorgaukeln, wo es keine Normalität gibt

Doch ist es richtig, die Notlösung als mehr zu verkaufen als eine überlebenswichtige Maßnahme? Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hatte eigentlich davon abgeraten, Klubs sollten auf die Stimmung unterstützende Effekte verzichten – schließlich könne man keine Normalität vorgaukeln, wo es keine Normalität gebe. Geisterspiele sollten keinen künstlichen Event-Charakter erhalten. Ob nun die Aktionen von Borussia Mönchengladbach, des 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen schon einem Ignorieren des Rats gleichkommen oder nicht, ist Ansichtssache. Doch bleiben sie zumindest deutlich unter dem Niveau der Krisen-Ausschlachtung, das einige andere Aktionen mit sich gebracht hätten. So gab es Ideen für Anfeuerungs-Apps, die auf Knopfdruck verschiedene vereinstypische Gesänge über die Lautsprecher-Anlagen abspielen könnten. Oder die leeren Tribünen durch LED-Projektionen in gewaltige Werbeflächen umzuwandeln. Final entscheiden werden die Vereine über ihre Aktionen, die DFL kann nur Ratschläge geben. Die Tendenz geht wohl zum Aufpolieren der Geisterspiele, um eine breitere Akzeptanz für sie zu schaffen. Ein Drahtseilakt für das Unterhaltungsprodukt Fußball, der für die Zeit nach der Krise einen Pfad zurück zu mehr Bodenhaftung und weniger Exzessen finden möchte.

Ton-Option bei Sky mit Gesängen vom Band

Bezahlsender Sky geht seinen eventlastigen Weg der Berichterstattung derweil unbeirrt weiter. Neben der normalen Ton-Option – die künftig wegen der fehlenden Zuschauer ein interessantes Hörerlebnis samt Trainer-, Spieler- und Schiedsrichter-Konversation bieten könnte – hebt Sky einen neuen Audio-Kanal mit angeblich zum Spielgeschehen passenden Gesängen und Zuschauer-Reaktionen aus der Taufe. Also der von Schals und Trikots geschmetterten FC-Hymne kurz nach dem Anpfiff und dem überschwänglichen Jubel von tausenden Pappkameraden nach einem Gladbacher Tor.