AboAbonnieren

Fan-Freundschaft in Relegation 1991Als der FC St. Pauli trotz Kölner Unterstützung in Gelsenkirchen abstieg

Lesezeit 4 Minuten
Ein Spieler in heller Kleidung schießt einen Freistoß, während die gegnerischen Spieler eine Mauer bilden. Im Hintergrund zeigt die Anzeigentafel das Ergebnis.

Ein bitterer Tag im Gelsenkirchener Parkstadion für den FC St. Pauli und seine Anhänger.

1991 gab es noch eine Fan-Freundschaft zwischen dem 1. FC Köln und dem FC St. Pauli - doch auch die half nicht.

Es waren emotionale Szenen, die sich nach Schlusspfiff auf den Stufen der Nordkurve im Parkstadion Gelsenkirchen abspielten. Spieler, Funktionäre und Fans vereint in der Trauer über den zweiten Bundesliga-Abstieg des FC St. Pauli.

Kult-Torwart Volker Ippig sagte nach der Niederlage gegen die Stuttgarter Kickers schluchzend im TV-Interview: „Das hat mich zutiefst bewegt. Das hat nicht direkt was mit Fußball zu tun, sondern mit Gefühl und Menschen. Bei St. Pauli steht in erster Linie das Gefühl und dann in zweiter Linie der Fußball.“

Drei Wiederholungsspiele

Vor der Wiedereinführung der Relegationsspiele 2009 gab es bereits zwischen 1982 und 1991 diese Form der Qualifikation für die Bundesliga. Seit Einführung der Entscheidungsspiele um den letzten Startplatz in der höchsten deutschen Fußball-Liga musste bereits zum dritten Mal ein Entscheidungsspiel her. Erstmals war das 1986 der Fall, als Borussia Dortmund gegen Fortuna Köln nachsitzen musste und aufgrund der Erkrankung mehrerer Akteure auf Kölner Seite mit 8:0 gewinnen konnte.

Zwei Jahre später konnte im dritten Spiel zwischen Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim erst im Elfmeterschießen ein Sieger ermittelt werden. Nach einem 5:4 blieben die Kurpfälzer in der Bundesliga. Darmstadt sollte sich noch weitere 33 Jahre gedulden müssen, ehe die Rückkehr in 1. Liga gelingen sollte.

Unentschieden nach Hin- und Rückspiel

Das Hinspiel im Wilhelm-Koch-Stadion endete vor über 20.000 Fans mit 1:1. Vier Tage später wiederholte sich das Ergebnis im Stuttgarter Neckarstadion, in das die Kickers wegen des erwarteten hohen Zuschaueraufkommens ausgewichen waren. Ein Entscheidungsspiel auf neutralem Platz musste her. Als Austragungsort war das Parkstadion in Gelsenkirchen bestimmt worden.

Am Samstag, dem 29. Juni 1991 verloren sich beim Anpfiff gut 17.000 Zuschauer im weiten Rund des Parkstadions, das zum damaligen Zeitpunkt noch Platz für über 70.000 Fans geboten hätte. Unter der großen Anzeigetafel, die hinter der Nordkurve aufragte, standen die Anhänger der Braun-Weißen aus Hamburg.

Der FC St. Pauli erfuhr in diesem so wichtigen Spiel nicht nur Unterstützung des eigenen Publikums. Zahlreiche Fans anderer Vereine standen dem Kiez-Klub bei. Darunter nicht wenige Anhänger des 1. FC Köln, die damals in großer Zahl eine Fan-Freundschaft zu den Hamburgern pflegten.

Vergebliche Unterstützung

Aber selbst diese Allianz der unterschiedlichen Fan-Lager halft nicht. In der 24. Minute brachte Ralf Vollmer die Schwaben in Führung. Ein Schock, nicht nur für die Fans von St. Pauli. Ihre Mannschaft wirkte müde und gehemmt.

Als Juan Cayasso Reid in der 37. Minute auf 2:0 erhöhte, ahnten viele auf den Rängen schon, wohin die Reise gehen würde. Zwar konnte Peter Knäbel nur zwei Minuten später auf 1:2 verkürzen, doch das Spiel der Hanseaten blieb fahrig.

Entscheidung vor der Pause

Noch vor der Pause setzte Dirk Fengler (42.) mit seinem Treffer zum 3:1 den entscheidenden Wirkungstreffer. Nach dem Seitenwechsel verpufften die Angriffe des FC St. Pauli weiter, während sich die Mannschaft der Stuttgarter Kickers hauptsächlich auf die Verwaltung des Vorsprungs konzentrierte.

Schiedsrichter Hans-Peter Dellwing hatte schließlich ein Einsehen und beendete das fußballerisch wenig ansehnliche Geschehen pünktlich. Während auf der einen Seite überschwängliche Freude über den zweiten Aufstieg in die Bundesliga herrschte, dominierten Trauer und Fassungslosigkeit auf der anderen.

Ein verlorener Fan-Schal

Hinter der Nordkurve stand ein weinender St.-Pauli-Anhänger, der zu allem Überfluss noch seinen Fan-Schal verloren hatte. Wenigstens für ihn gab es ein kleines Happy End. Eine aus Köln angereiste junge Frau hatte das gute Stück gefunden und an seinen traurigen Besitzer zurückgegeben.

Drei Jahre hatte sich der FC St. Pauli in der Bundesliga halten können. Es war die längste Zeitspanne im Oberhaus in der Vereinsgeschichte. Immerhin noch dreimal gelang den Norddeutschen die Rückkehr in die Bundesliga, zuletzt 2010.

Die Freude bei den Stuttgarter Kickers über diesen Coup währte nicht lange. Nach nur einer Saison stieg die Mannschaft aus dem Stadtteil Degerloch bereits wieder ab. Nach der Jahrtausendwende setzte sich der Abwärtstrend fort und führte in der jüngeren Vergangenheit bis in die fünftklassige Oberliga Baden-Württemberg. Erst nach Abschluss der vergangenen Saison konnten die Kickers wieder in Regionalliga Südwest aufsteigen.