Hans Schäfer„De Kölsche Knoll“ und das Wunder von Bern
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Als die deutsche Fußballnationalmannschaft 1954 das WM-Finale gegen Ungarn gewann, reckte auch der Kölner Hans Schäfer den Pokal in den Himmel.
Köln – Die Szene ist legendär und gehört bis heute zu einer der wichtigsten Momente in Fußballdeutschland. Das WM-Finale 1954 in Bern sucht auch kurz vor Schluss noch einen Gewinner. In der 84. Minute steht es immer noch 2:2 zwischen dem Außenseiter BRD und dem Favoriten Ungarn. Die Stimme des Radio-Moderators Herbert Zimmermann steigert sich zunehmend ins Crescendo: „Boscik hat den Ball verloren an Schäfer, Schäfer hat nach innen geflankt, Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt – Toor, Toor, Toor, Toor.“
Der viermalige Jubelschrei ist der Vorbote für eine Sensation. Zum ersten Mal gewinnt eine deutsche Mannschaft den Weltpokal. Reporter und Historiker werden später von einem Wunder sprechen, dem Wunder von Bern. Die Elf, die auf dem Platz stand, erhält Kultstatus. Helden, die neun Jahre nach Kriegsende zahlreichen Westdeutschen das Gefühl vermittelten, „wir sind wieder wer“.
Hans Schäfer war kein Freund von Superlativen
Hans Schäfer, Vorbereiter des Siegtreffers und Stürmer des Oberligisten 1. FC Köln, konnte mit solchen Superlativen wenig anfangen. „De Knoll“, wie die Fans die FC-Ikone liebevoll wegen seiner prägnanten Nase nannten, vermittelte in einem seiner spärlichen Interviews im „Tagesspiegel“ eine eher nüchterne Sicht der Dinge: Von einem Wunder könne keine Rede sein. Dass man die Ungarn im Finale schlagen würde, sei eine riesige Überraschung gewesen, führte der Stürmer aus. „Daran hat vorher niemand geglaubt.“
Vielmehr rechnete die Mannschaft mit dem Vorrundenaus und erreichten dann doch das Endspiel. „Wir waren krasse Amateure, haben nur zwei Mal die Woche trainiert, die Ungarn waren Vollprofis, und dann erwischt es sie ausgerechnet im Finale“. Letztlich sei es eine großartige Leistung der deutschen Elf gewesen, sagt Schäfer.
Anfangs sah es so aus, als würde sich das 3:8-Debakel aus der ersten WM-Partie wiederholen. Im Endspiel lagen die Ungarn ebenfalls schnell mit zwei Treffern vorne. Mit viel Wut im Bauch kämpften sich die deutschen Underdogs zurück. Vor dem Ausgleich sprang Flügelstürmer Schäfer nach einer Ecke mit dem gegnerischen Torwart hoch. Der Ball flog über beide hinweg und landete beim Essener Torjäger Helmut Rahn, der den Ball nur noch reinschieben musste. Bis zu seinem Tod im November 2017 hatte Schäfer stets betont, dass es kein Torwart-Foul gewesen sei.
Heimkehr ins Nachkriegsdeutschland war ein Triumph
4. Juli 1954, um 18.32 Uhr pfiff der Schiedsrichter im verregneten Wankdorf-Stadion ab. Erschöpft, aber glücklich hoben die Sieger im weiß-schwarzen Trikot mit dem Bundesadler den WM-Pokal des Fifa-Präsidenten Jules Rimet in die Höhe. Dann flog Trainer Sepp Herberger durch die Luft.
Die Heimkehr ins Nachkriegsdeutschland war ein Triumph. Überall jubelten die Menschenmassen den Weltmeistern zu. In der Euphorie schien die Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf. Manchen Titelträgern stieg der Ruhm zu Kopf, manche verfielen dem Alkohol und starben früh.
Hans Schäfer aber, seinerzeit 26 Jahre alt, lebte weiterhin für den Fußball. Vier Jahre später führte er das DFB-Team als Kapitän beim Weltturnier in Schweden an. Im Halbfinale schied der Titelverteidiger gegen den Gastgeber aus. 1962 gewann Schäfer mit seinem Verein zum ersten Mal die deutsche Meisterschaft.
Von Herberger ließ sich der damals 34-Jährige überreden, nochmals eine WM in Chile zu spielen. Der Glanz von Bern war allerdings längst verblasst. Die neuformierte Mannschaft spielte einen höchst defensiven Fußball und flog bereits im Viertelfinale gegen Jugoslawien aus dem Turnier.
Das Ausscheiden besiegelte das Ende der Herberger-Ära und auch die seines besten Linksaußen. Hans Schäfer aber machte weiter. Sein Vereinsboss Franz Kremer hatte maßgeblich dabei mitgewirkt, die Profi-Bundesliga aus der Taufe zu heben. Hans Schäfer gewann mit den Geißböcken die erste Meisterschaft der neugegründeten obersten Spielklasse.
So fordernd Schäfer auf dem Platz war, wenn er den Ball haben wollte, so sehr mied er das Rampenlicht. Ein Weltmeister im Hintergrund wollte er sein. Einer, der kein großes Gewese um die eigene Person machte. „Mit Hundert bei ’nem Kölsch an der Theke umfallen.“ Das war sein Wunsch gewesen. Immerhin 90 Jahre alt ist er geworden.