Früher durfte er den Stars des Kölner THC Stadion RW oft nur die Trinkflaschen anreichen. Vor dem Start der 2. Tennis-Bundesliga Nord rückt der 26-jährige Jan Choinski nun selbst in den Blickpunkt.
TennisJan Choinski und das Dilemma mit Wimbledon und Köln
Als Sohn zweier professioneller Balletttänzer kennt Jan Choinski den Schwanensee von Pjotr Tschaikowski gut. Noch treffender wird die Situation des Tennisprofis aber in einem anderen, weltberühmten Kulturstück beschrieben. Wenn Goethes Faust von „zwei Seelen“ spricht, die „ach in seiner Brust“ wohnen, tangiert das auch den Deutsch-Briten Choinski. Schließlich ist die Karriere des gebürtigen Koblenzers durchzogen von Dilemmata.
„Es liegt mir wirklich am Herzen, wieder aufzusteigen“, sagt der 26-Jährige etwa vor der Zweitliga-Saison mit dem Kölner THC Stadion RW, „vor zwei Jahren war ich verletzt und konnte nicht mithelfen, den Bundesliga-Abstieg zu verhindern.“ Nach einem vergeblichen Versuch zur Rückkehr 2022 soll dieser Ausrutscher nun korrigiert werden.
Dass ein Einsatz auf den Sandplätzen am Olympiaweg nur einen Bruchteil der Einnahmen bedeutet, die Choinski bei ATP-Turnieren winken, erwähnt er nicht. Vielmehr treibt ihn seine erste Teilnahme im Hauptfeld von Wimbledon um. Auf dem heiligen Rasen hatte er es 2019 einmal vergeblich in der Qualifikation versucht, erhielt nun aber eine Wildcard vom britischen Verband. „Darauf haben wir hingearbeitet“, betont Choinski nach langen Verletzungspausen und Operationen an Hüfte (2019) und Schulter (2021).
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Jan Choinski möchte mindestens sechs Spiele für RW Köln bestreiten
Es sei also klar, dass er an der Church Road einige Runden überstehen und am besten in die zweite Turnierwoche kommen möchte. „Dann könnte ich aber nicht für Köln spielen“, stellt der Debütant klar. Sein Herzensverein, bei dem er vom 18-jährigen „Flaschenträger“ zum Nicht-Abstiegshelden 2019 und nun zum Hoffnungsträger für die Rückkehr ins deutsche Oberhaus geworden ist, startet diese Mission am 9. Juli mit dem Heimspiel gegen den Bremer TC.
Weil darauf im Juli und August noch sieben weitere Zweitliga-Partien folgen, ist das Wimbledon/KTHC-Dilemma nur ein kleines.
Nach dem Highlight im All England Lawn Tennis Club wird Choinski auf der Tour sowieso wieder kleinere Brötchen backen müssen und plant mehrere Stopps in der Zweiten Bundesliga Nord ein. „Ich bemühe mich, mindestens sechs Spiele zu machen“, kündigt er den RW-Sportdirektorin Sussan Karimi und Trainer Ralph Grambow an.
Schließlich habe er schon früher Selbstvertrauen aus der Tennis-Bundesliga gezogen. „Als Trainer hat Ralph mit mir zum Beispiel Extraschichten geschoben, obwohl er das nicht hätte machen müssen“, erinnert sich die britische Nummer sechs hinter Cameron Norrie, Dan Evans, Andy Murray, Jack Draper und Liam Broady.
Die Taktik-Tipps von Kölns Trainer Ralph Grambow helfen Jan Choinski
Auch wenn Vater Andrzej Choinski nach der eigenen Ballett-Karriere zur Hauptfigur in der tennisspezifischen Entwicklung des Sohnes wurde und Jan zudem Pawel Strauss an seiner Seite hat, bringen ihn auch Grambows Taktik-Tipps in der Spielentwicklung weiter. „Dafür bin ich immer dankbar. Bei RW fühle ich mich total wohl“, lobt Choinski die „familiären Vibes“.
Rot-Weiss wird ohne Enzo Couacaud, Andrea Vavassori, Petros Tsitsipas und Lokalmatador Andy Mies an den Start gehen. Dennoch scheinen sie in Müngersdorf mit Gregoire Barrere, dem neuen Argentinier Facundo Diaz Acosta, den alteingesessenen Benoit Paire, Kimmer Coppejans, sowie Laurent Lokoli, Raphael Collignon, Alejandro Moro Canas, Jacopo Berrettini und Lucas Gerch personell breiter aufgestellt.
Weil Dustin Brown aber der Rücken plagt und Wesley Koolhof seine Spitzenposition in der Doppel-Weltrangliste verteidigen möchte, kann Jan Choinski als neues Aushängeschild in den rot-weißen Fokus rücken.
„Er ist einfach eine Maschine“, hebt Teammanagerin Karimi die mentalen und physischen Stärken des Deutsch-Briten hervor. Und der Mann mit der doppelten Staatsbürgerschaft, dem vor fünf Jahren eine E-Mail reichte, um bei der ATP nicht länger unter deutscher, sondern fortan unter britischer Flagge gefördert zu werden, bringt es auf den Punkt. „Mein größtes Talent ist, dass ich einfach nicht aufhöre“, sagt Choinski auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere (ATP-Rang 167).
Dabei denkt er sicher auch an zwei Seelen, nämlich die von Vater Andrzej und seiner britischen Mutter Dominique. Diese schlagen beide in seiner Brust, haben ihm „die Disziplin und den Willen zum Sporttreiben“ quasi in die Wiege gelegt.