Wenn Männer weinen – ein Foto zeigt den Jubel zum 4:0 von Bayer 04 gegen Werder Bremen. Doch es stellt viel mehr da. Eine Bildbetrachtung.
Meisterliches Bild zu Bayer 04 LeverkusenBei dieser Momentaufnahme begeistern die Details

Leverkusens Florian Wirtz (vorne M, #10) dreht nach seinem Tor zum 4:0 jubelnd ab und beruhigt Fans und Sicherheitspersonal, die auf das Spielfeld laufen.
Copyright: dpa/ David Inderlied
Sie kennen doch sicherlich diese Wimmelbilderbücher von Martin Handford mit dem schönen Titel „Wo ist Walter?“. Der würde sich auf dem Foto, das David Inderlied am Sonntag in Leverkusen für die dpa machte, sicherlich auch sehr wohlfühlen. Unter so vielen Männern würde der Mann mit der rotweißen Mütze nämlich überhaupt nicht auffallen.
Statt Walter könnte man auf diesem Bild, das entstand, nachdem Florian Wirtz zum 4:0 getroffen hatte, aber auch den Suchauftrag geben „Wo ist eine Frau?“. Wer ein bisschen sucht, findet zwei. Die eine steht kurz vor der Eckfahne und versucht, ihr Bier zu retten, die andere steht noch hinter der Bande. Im rechten Teil des Bilds gibt es möglicherweise noch zwei weitere, zumindest lassen das die blonden, langen Haare, die man sieht, vermuten.

Das Bier jetzt nicht verschütten – eine wahre Kunst.
Copyright: David Inderlied/dpa
So oder so liegt der Männeranteil bei dieser Momentaufnahme aber bei knapp unter hundert Prozent. Was gewisse Schlüsse zulässt. Der naheliegendste ist natürlich, dass sich mehr Männer für Fußball interessieren als Frauen. Da ist wohl was dran, allerdings ist dieses Geschlechterverhältnis selbst für ein Fußballstadion ungewöhnlich.
Alles zum Thema Florian Wirtz
- Deutsche Elf vor dem Rückspiel gegen Italien Die Meister der Beharrlichkeit
- Nostalgie pur Adidas präsentiert neues DFB-Trikot – ohne bekanntes Symbol
- Forum Leverkusen Kießling, Basler und Helmer bieten beste Fußball-Unterhaltung
- „Er ist gut beraten“ Weltmeister-Trainer mischt sich bei Wirtz ein – Völler bestätigt Anfragen
- Ex-Kölner Meistertrainer Heck „Der FC wird das Hinspiel nicht vergessen haben“
- Gesamtergebnis 0:5 Keine Zeit für Wunder - Machtdemonstration von Bayern gegen Bayer 04
- Ausfallzeit wird deutlich Bayer 04 bestätigt bittere Verletzung von Florian Wirtz
Die viel wahrscheinlichere Antwort auf die Frage, warum hier fast nur Männer zu sehen sind, ist aber, wenn Sie mich fragen, dass Frauen einfach schlau genug sind, nicht aufs Spielfeld zu laufen, bevor das Spiel abgepfiffen ist. Spielabbruch und Punktabzug hätten die rauschende Party nämlich ganz schnell beendet.

Florian Wirtz beschwichtigt einen überschwänglichen reagierenden Ordner.
Copyright: David Inderlied/dpa
Das weiß auch Florian Wirtz, der deshalb nicht jubelnd, sondern mit einer Geste der Beruhigung auf den Ordner zuläuft, der seinen Job ganz offensichtlich vergessen hat und ihm entgegen stürmt. Der einzige Securitas-Mitarbeiter, der überhaupt noch ernsthaft versucht, für Ordnung zu sorgen, ist der Herr mit der grünen Weste, der sich ebenfalls in etwas hilflosen Beschwichtigungsversuchen übt. Alle anderen Versuche einzugreifen, wirken doch eher halbherzig.

Ein zaghafter Versuch, für Ruhe im Sturm zu sorgen.
Copyright: David Inderlied/dpa
Ansonsten ist auf diesem Bild aber niemand halbherzig unterwegs. Hier lassen Männer, junge und alte, all den Gefühlen freien Lauf, die sie sonst wohl meist verbergen. „Boys Don't Cry“ sangen schließlich schon The Cure vor vielen Jahren. Aber hey, das gilt ja nur für solche Nebensächlichkeiten wie Beziehungen.

Gefühlsausbrüche hinter – und vor – der Bande.
Copyright: David Inderlied/dpa
Und so können die aufgestauten Emotionen der allermeisten, die hier jubelnd die Arme in die Luft reißen, ihr Bier verschütten oder auch die Eckfahne an sich bringen wollen, einfach mal raus. Die Fans von Bayer Leverkusen haben darauf ja auch nun wirklich lang genug gewartet. Und der Herr mit dem „Forza Bayer“-Shirt, der die Arme ausstreckt und aufs Feld läuft, sieht dann auch aus, als hätte er gerade höchstselbst ein Tor geschossen.

Forza – mit Kraft nach vorne.
Copyright: David Inderlied/dpa
Wobei das im übertragenen Sinne ja durchaus zutrifft. Ohne den viel beschworenen zwölften Mann - und natürlich die zwölfte Frau - könnten Florian Wirtz, Victor Boniface, Granit Xhaka und wie sie alle heißen, so viele Tore schießen, wie sie wollten. Wenn niemand ihnen dabei zuschauen wollte, wären sie keine umjubelten Profis. So einfach ist das. Und auch Xabi Alonso wäre wohl kaum als Ehrenamtler nach Leverkusen gekommen, einfach weil es zwischen Bayerwerk und Wasserturm so wunderschön ist.
Insofern ist dieses Bild, das nur einen einzigen Fußballprofi und den auch nur von hinten zeigt, eines der besten, um Leverkusens ersten Titelgewinn zu untermalen. Spieler und Trainer ziehen trotz aller zwischenzeitlichen Treueschwüre irgendwann weiter, echte Fans hingegen bleiben ihrem Verein treu.

Das Foto von David Inderlied noch einmal in seiner Gesamtheit.
Copyright: David Inderlied/dpa