Wenn Männer weinen – ein Foto zeigt den Jubel zum 4:0 von Bayer 04 gegen Werder Bremen. Doch es stellt viel mehr da. Eine Bildbetrachtung.
Meisterliches Bild zu Bayer 04 LeverkusenBei dieser Momentaufnahme begeistern die Details
Sie kennen doch sicherlich diese Wimmelbilderbücher von Martin Handford mit dem schönen Titel „Wo ist Walter?“. Der würde sich auf dem Foto, das David Inderlied am Sonntag in Leverkusen für die dpa machte, sicherlich auch sehr wohlfühlen. Unter so vielen Männern würde der Mann mit der rotweißen Mütze nämlich überhaupt nicht auffallen.
Statt Walter könnte man auf diesem Bild, das entstand, nachdem Florian Wirtz zum 4:0 getroffen hatte, aber auch den Suchauftrag geben „Wo ist eine Frau?“. Wer ein bisschen sucht, findet zwei. Die eine steht kurz vor der Eckfahne und versucht, ihr Bier zu retten, die andere steht noch hinter der Bande. Im rechten Teil des Bilds gibt es möglicherweise noch zwei weitere, zumindest lassen das die blonden, langen Haare, die man sieht, vermuten.
So oder so liegt der Männeranteil bei dieser Momentaufnahme aber bei knapp unter hundert Prozent. Was gewisse Schlüsse zulässt. Der naheliegendste ist natürlich, dass sich mehr Männer für Fußball interessieren als Frauen. Da ist wohl was dran, allerdings ist dieses Geschlechterverhältnis selbst für ein Fußballstadion ungewöhnlich.
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Die viel wahrscheinlichere Antwort auf die Frage, warum hier fast nur Männer zu sehen sind, ist aber, wenn Sie mich fragen, dass Frauen einfach schlau genug sind, nicht aufs Spielfeld zu laufen, bevor das Spiel abgepfiffen ist. Spielabbruch und Punktabzug hätten die rauschende Party nämlich ganz schnell beendet.
Das weiß auch Florian Wirtz, der deshalb nicht jubelnd, sondern mit einer Geste der Beruhigung auf den Ordner zuläuft, der seinen Job ganz offensichtlich vergessen hat und ihm entgegen stürmt. Der einzige Securitas-Mitarbeiter, der überhaupt noch ernsthaft versucht, für Ordnung zu sorgen, ist der Herr mit der grünen Weste, der sich ebenfalls in etwas hilflosen Beschwichtigungsversuchen übt. Alle anderen Versuche einzugreifen, wirken doch eher halbherzig.
Ansonsten ist auf diesem Bild aber niemand halbherzig unterwegs. Hier lassen Männer, junge und alte, all den Gefühlen freien Lauf, die sie sonst wohl meist verbergen. „Boys Don't Cry“ sangen schließlich schon The Cure vor vielen Jahren. Aber hey, das gilt ja nur für solche Nebensächlichkeiten wie Beziehungen.
Und so können die aufgestauten Emotionen der allermeisten, die hier jubelnd die Arme in die Luft reißen, ihr Bier verschütten oder auch die Eckfahne an sich bringen wollen, einfach mal raus. Die Fans von Bayer Leverkusen haben darauf ja auch nun wirklich lang genug gewartet. Und der Herr mit dem „Forza Bayer“-Shirt, der die Arme ausstreckt und aufs Feld läuft, sieht dann auch aus, als hätte er gerade höchstselbst ein Tor geschossen.
Wobei das im übertragenen Sinne ja durchaus zutrifft. Ohne den viel beschworenen zwölften Mann - und natürlich die zwölfte Frau - könnten Florian Wirtz, Victor Boniface, Granit Xhaka und wie sie alle heißen, so viele Tore schießen, wie sie wollten. Wenn niemand ihnen dabei zuschauen wollte, wären sie keine umjubelten Profis. So einfach ist das. Und auch Xabi Alonso wäre wohl kaum als Ehrenamtler nach Leverkusen gekommen, einfach weil es zwischen Bayerwerk und Wasserturm so wunderschön ist.
Insofern ist dieses Bild, das nur einen einzigen Fußballprofi und den auch nur von hinten zeigt, eines der besten, um Leverkusens ersten Titelgewinn zu untermalen. Spieler und Trainer ziehen trotz aller zwischenzeitlichen Treueschwüre irgendwann weiter, echte Fans hingegen bleiben ihrem Verein treu.