Viktoria Kölns Trainer über seine Zeit in Frankfurt, ein unglaubliches Bundesliga-Finale 1999 und das Pokal-Highlight am Mittwoch.
Olaf Janßen über Karriere-Highlight mit Frankfurt„Ich kriege heute noch Gänsehaut“
Nach dem 3:2-Erstrunden-Coup gegen Werder Bremen möchte der Drittligist FC Viktoria Köln am Mittwoch den nächsten Bundesligisten aus dem DFB-Pokal werfen. Eintracht Frankfurt ist zu Gast im Sportpark Höhenberg (20.45 Uhr). Viktoria-Trainer Olaf Janßen verbindet mit dem Traditionsverein besondere Erinnerungen.
Herr Janßen, nach elf Jahren beim 1. FC Köln hat es Sie 1996 als Spieler nach Frankfurt verschlagen. Wie kam der Wechsel zustande?
Da war die Eintracht sogar noch Zweitligist. Für mich stellte sich beim FC damals die Frage: Willst du auf der Bank sitzen oder spielen? Das letzte halbe Jahr in Köln war aus meiner Sicht nicht so prickelnd, also habe ich mich für Frankfurt entschieden.
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Beide Vereine sind Traditionsklubs. Gibt es Gemeinsamkeiten?
Ich muss zugeben, dass ich nach meinem Wechsel schon ziemlich überrascht war, welche Wucht die Eintracht hat. Da können die anderen großen Vereine in Hessen, also Kickers Offenbach und Darmstadt 98, definitiv nicht mithalten. Den FC und die Eintracht kann man aber durchaus vergleichen: Beide Klubs haben eine ganze Region hinter sich, verfügen über eine riesige Fanbase und haben grundsätzlich auch eine ähnliche Struktur.
War der Umzug von Köln nach Frankfurt eine große Umstellung für Sie?
Eigentlich nicht, zumal ich damals ja auch keine Ferien in Hessen machen wollte, sondern einen Job zu erledigen hatte. Ich habe mich wirklich wohlgefühlt in Frankfurt, die Mentalität der Menschen ist schon eine sehr offene, wobei der Rheinländer natürlich ein besonders spezielles Gemüt hat (lacht).
In Frankfurt verletzten Sie sich bereits in der Winterpause am Knie und mussten vier Monate pausieren.
Die erste Saison war absolut grauenhaft, es war eine unfassbar schwierige Zeit für mich. Eigentlich wollte ich dabei helfen, in die Bundesliga aufzusteigen. Andererseits hat mich die Verletzung aber auch geprägt. Ich habe mir immer geschworen: Gib niemals auf!
Zur Person: Olaf Janßen (57), geboren in Krefeld, begann seine Profikarriere beim 1. FC Köln, wechselte anschließend zu Eintracht Frankfurt und beendete seine aktive Laufbahn nach einer Leihe zum AC Bellinzona/Schweiz im Jahre 2000. Insgesamt bestritt Janßen 243 Spiele in der Bundesliga und war 1988 Teilnehmer der Deutschen Olympia-Auswahl bei den Olympischen Spielen in Seoul/Südkorea. Seit 1. Februar 2021 ist der Ex-Profi zum zweiten Mal Trainer des Drittligisten FC Viktoria Köln.
Auch im Anschluss wurde es nicht besser für Sie: In der zweiten Frankfurter Saison mussten Sie sich siebenmal an der Achillessehne operieren lassen.
Dabei lief zu Beginn alles hervorragend. Wir standen in der 2. Bundesliga auf Platz eins und hatten Bremen aus dem DFB-Pokal geworfen. Dann brachen für mich alle Dämme, denn nach der Operation kam es zu Infektionen. Ich lag im Krankenhaus in der Schweiz und kann mich erinnern, dass mein damaliger Trainer Horst Ehrmantraut gefühlt jeden Tag bei mir angerufen hat. Das hat mich tatsächlich aufgebaut.
13 Monate Pause waren die Folge. Haben Sie zu jenem Zeitpunkt an ein vorzeitiges Karriereende gedacht?
Natürlich denkst du zwischendurch über solche Dinge nach. Rückblickend hat mir die Mannschaft und das ganze Frankfurter Umfeld aber gar keine Chance gegeben, mich damit zu beschäftigen. Meine größte Motivation war es, mit den Jungs in die Bundesliga aufzusteigen und dann noch mal anzugreifen.
Das ist Ihnen auch gelungen. Wobei Sie 1999 beinahe sofort wieder abgestiegen wären…
Um Himmels Willen! Der letzte Spieltag in jener Saison war wirklich der unfassbarste Moment in meiner Karriere. Eigentlich waren wir schon weg vom Fenster.
Das Bundesliga-Finale war der pure Irrsinn: Sie haben mit der Eintracht den amtierenden Meister 1. FC Kaiserslautern 5:1 geschlagen und haben den sicher geglaubten Abstieg soeben noch verhindert.
Das stimmt. Rechnerisch ging da eigentlich nichts mehr. Die letzten Spiele mussten wir immer gewinnen und möglichst viele Tore schießen, um überhaupt noch eine Chance zu haben. Stellen Sie sich einmal vor, dass ich damals eine Art Libero gespielt habe und am vorletzten Spieltag auf Schalke am Ende noch das 3:2 gegen Oliver Reck mache. Dadurch blieben wir in der Verlosung. Das Spiel gegen Lautern hat aber alles übertroffen: Ich wurde nach 80 Minuten ausgewechselt; wir dachten, wir bleiben sicher in der Liga. Auf einmal brüllt irgendein Journalist: „Ihr müsst noch ein Tor schießen!“ Dann macht Jan Aage Fjörtoft das 5:1, ansonsten wären wir abgestiegen. Ich kriege heute noch Gänsehaut.
Fjörtoft sagte nach dem Spiel, Ihr Trainer Jörg Berger (verstorben 2010, die Red.) hätte damals auch die Titanic gerettet.
Da hatte er völlig recht! Jörg hat uns in den entscheidenden Partien das Abstiegs-Trauma ausgeredet und zu den Führungsspielern, also auch zu mir, ein ganz besonderes Verhältnis entwickelt. Er hatte eine einzigartige Gabe, mit Menschen umzugehen.
Nach Ihrem Karriereende 2000 waren Sie noch als Scout für die Eintracht tätig. Fühlen Sie sich dem Klub weiterhin verbunden?
Auf jeden Fall! Der Nichtabstieg 1999 war der schönste Moment in meiner Karriere. Der Verein wird immer in meinem Herzen bleiben.
Am Mittwoch treffen Sie nun als Trainer der Viktoria im DFB-Pokal auf Ihren ehemaligen Arbeitgeber. Was haben Sie gedacht, als Ihnen Frankfurt zugelost wurde?
Ich fand es richtig toll, die Eintracht zu bekommen, weil es ein Traditionsklub aus der Bundesliga ist. In Höhenberg und dazu noch in der zweiten Runde als Underdog auf Frankfurt zu treffen, ist ein riesiges Highlight.
Was muss zusammenkommen für eine mögliche Sensation?
Eigentlich alles (lacht)! Wir müssen herausragend verteidigen, viel aushalten können und auch mutig nach vorne spielen. Die Mannschaft muss ihr Herz auf dem Platz lassen.