FlutprotokolleSwisttaler und Rheinbacher sprechen über die Hochwasser-Nacht
Lesezeit 6 Minuten
Rheinbach/Swisttal – In Swisttal und Rheinbach wurden nicht nur Häuser in der Nähe der Flüsse überflutet. Wie haben die Opfer in den Flutgebieten die Katastrophe erlebt? Wie stemmen sie den Wiederaufbau? In den „Flutprotokollen“ schildern Betroffene ihre Lage.
Ralf Meis (61) hörte in Odendorf vor lauter Rauschen die Sirene nicht
Seit 1992 wohne ich mit meiner Frau Anne (74) hier. Seitdem haben wir den Orbach schon ein paar Mal 40 Zentimeter unter der Brücke gesehen, aber nun kam er sechs Meter hoch. Ich weiß inzwischen, dass die Sirene im Ort ging, aber wir konnten sie nicht hören, weil der Bach so rauschte. Ich habe noch versucht, das Wasser davon abzuhalten, am Wintergarten ins Haus zu laufen und die Glastür gegen die Treppe verkeilt. Aber es stieg immer weiter.
So habe ich noch ein paar Elektrogeräte geschnappt und die Hunde nach oben getragen: Lilly, den kleinen Terriermix, und Paddy, den Mischling. Paddy saß bei hüfthohem Wasser im Sessel, während die Couch schon schwamm.
Wir haben die ganze Zeit über die Fensterbänke am Haus gegenüber beobachtet: Um 21 Uhr war der Höchststand. Da muss die Talsperre übergelaufen sein. Gegen 2 Uhr ist das Wasser gesunken. Nun ist der Bach vor dem Ort versickert, die Betonrinne trocken. Laut Gutachten beträgt der Schaden 185.000 Euro.
Das Haus ist ein Denkmal und war saniert, als wir einzogen. Das Holz ist auch jetzt noch in Ordnung. Aus einigen Gefachen ist der Lehm rausgefallen. Wir haben sie jetzt mit den Feldbrandsteinen ausgemauert, die wir damals mit Lehm gefüllt hatten. Sonst dauert es wieder drei Jahre, bis die Wände trocken sind. Am Anfang sind viele Tränen geflossen. Aber jetzt heißt es funktionieren und arbeiten. Weder Hausrat noch Gebäude sind versichert. Ich setze jetzt auf das Denkmalamt und die Aufbauhilfe.
Katharina Willwerts (61) hat ein Fachwerkhaus auf der Kirchstraße in Heimerzheim
Wir hatten 1984 schon einmal ein Hochwasser erlebt, da kam die Swist aber nur in den Keller, bis zum Sockel des Brennofens. Wir haben deshalb dieses Mal alles nur ins Erdgeschoss geräumt. Dann kam ein Nachbar, de sagte: „Sie müssen raus, so schnell wie möglich. Das Erdgeschoss wird total überflutet werden!“ Mein Sohn hat seine Autos noch weggefahren, ich habe leichtsinnigerweise sogar mein E-Bike noch vor die Haustüre gestellt. Dann kam das Wasser tatsächlich in solch einer Windeseile, ich begreife das bis heute nicht.
Ich bin über eine Leiter durch mein Wohnzimmerfenster gestiegen. Wir haben es dann gerade noch so bis in die Straße am Hang geschafft, in der mein Sohn wohnt. Es war eine Horrornacht. Die nächsten zwei Tage haben wir in Alfter-Gielsdorf verbracht. Als ich dann wieder ins Haus hineindurfte, war da alles umgekippt und voll mit dieser braunen Schlammbrühe. Ich bin zwar versichert, aber vieles übernehmen die nicht. Das Haus ist über 260 Jahre alt, es sei ein Schmuckstück, haben die Leute immer gesagt. Jetzt ist es noch schlimmer, denn es muss alles raus. In dem Haus kann ich mindestens ein Jahr lang nicht wohnen. Ich frage mich manchmal, wie ich das alles stemmen soll.
Simone Braun wohnt im Rheinbacher Wohngebiet Rodderfeld II
Wir waren noch zu einem Besuch bei den Schwiegereltern, der etwas länger dauerte als geplant. Als wir gegen 16 Uhr nach Hause fuhren und die Kreuzung vor unserem Wohngebiet schon überflutet war, dachte ich „Gott, was ist denn hier los?“ Eigentlich wollte ich aber um 18 Uhr trotzdem nochmal los ins Fitness-Studio. Da stand das Wasser aber schon im Garten. Zuerst beim Nachbarn, dann auch bei uns.
Innerhalb weniger Minuten lief unser Tageslichtschacht voll und das Wasser sprengte das Fenster einfach weg. Wir haben mit Hilfe der Nachbarn noch die wichtigsten Aktenordner, den Computer und das Nähkästchen von Oma gerettet, wurden dann aber von der Flutwelle zurückgedrückt. Das Wasser hat auch die Zimmertüren im Keller einfach weggesprengt. Wir konnten im Erdgeschoss auch nur noch ein paar Teppiche und Kleinigkeiten in Sicherheit bringen.
Mir schwammen Bilder meiner Kindheit und Jugend entgegen, das war bizarr. Fotos und Erinnerungen mit meinen Großeltern und meinen Eltern –alles weg. Bis heute weiß ich nicht, wo diese Wassermassen genau herkamen. Im Wohngebiet hat sich eine Kommission gebildet, die das aufklären will.
Unglaublich beeindruckt haben mich in dieser Situation meine Kinder, die nicht in Panik geraten sind. Mein zwölfjähriger Sohn und meine neunjährige Tochter haben sich ein Handy geschnappt und bei Polizei und Feuerwehr angerufen und um Hilfe gebeten. Die konnten natürlich nicht kommen, weil ja doch kein Menschenleben in Gefahr war. Wir sind wohnen jetzt provisorisch bei meiner Mutter in Odendorf. In diesem Jahr wird das mit einer Rückkehr sicher nichts mehr.
Marianne Krings (88) blieb in ihrem Haus in Flerzheim
Ich habe am Nachmittag mit meiner Tochter im Wohnzimmer gesessen und sie sagte noch, wenn der Regen schlimmer wird und was passiert, soll ich sofort anrufen. Gudrun war noch nicht ganz um die Ecke, da stand mir das Wasser bereits bis zu den Knien. Sie hat mich dann in die erste Etage ins Schlafzimmer gebracht.
Später am Abend habe ich den Schein der Taschenlampen der Rettungskräfte gesehen. Sie haben mich wohl am Fenster gesehen, weil ich meinen Arm immer wieder hinausgestreckt habe, um zu fühlen, ob das Wasser weiter steigt. Sie haben mich gefragt, ob ich Hilfe benötigte, aber ich fühlte mich sicher und versorgt, obwohl das Wasser 1,50 Meter hoch im Haus stand. Möbel habe ich mittlerweile bekommen und ich danke allen, die geholfen haben, das Fachwerkhäuschen, in dem ich seit 57 Jahren wohne, wieder herzurichten.
Rolf Rose (61) aus Oberdrees wähnte sich gut versichert
Während der Evakuierung von Oberdrees war ich mit meiner Frau Ute (62) beim Vater in Merzbach. Wir hatten richtig Angst, dass der Damm der Steinbachtalsperre bricht. Als wir mit den verstörten Hunden Gira und Teddy endlich zurück in unser Haus an der Bundesstraße durften, kam uns schon der Kühlschrank aus dem Keller entgegengeschwommen. 30 Zentimeter hoch stand das Wasser in der Küche. Unten war alles mit Ölschlamm voll. Helfer haben beim Ausräumen mit angepackt und den Boden im Keller rausgestemmt.
Der neue Estrich ist nun drin, muss aber noch trocknen, bevor Fliesen gelegt werden können. Die Versicherung, die ich durch die Agentur meines Bruders habe, hat fast alles bezahlt. Für das ein Jahr alte Auto, das im Hof untergegangen ist, habe ich ein nagelneues bekommen, die Schäden am Haus werden alle von der Elementarversicherung übernommen. Sofa und Schränke muss sich aber selbst bezahlen, weil die Hausratversicherung die Flut nicht einschloss. So eine Versicherung habe ich jetzt abgeschlossen.
Strom hatte ich nach zwei Wochen schon – provisorisch. Nochmals zwei Wochen später sind die neuen Stromzähler eingebaut worden, zwei Tage drauf die neue Gasheizung.
Den Hunden geht es übrigens wieder gut. Die waren nach drei Wochen wieder so frech wie immer. Meine Frau auch (lacht), aber der Verlust der Erinnerungsstücke an ihre Eltern hat ihr doch sehr zugesetzt. Aber alles geht aufwärts. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels, und ich hoffe, es ist kein Zug, der uns entgegenkommt, so dass sich alles wiederholt.