Köln – Thomas Schaufler ist seit Dezember Chef für die Privatkundenabteilung der Commerzbank und Teil ihres Vorstands. Im Interview spricht er mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” über Straf- und Kreditzinsen, die Immobilienblase, Filialschließungen und warum Köln ein wichtiger Standort für die Commerzbank ist.
Herr Schaufler, Sie sind Österreicher. Wie ist Ihr Blick auf Deutschland nach neun Monaten bei der Commerzbank?
Ich bin gern nach Deutschland gewechselt und fühle mich in Frankfurt sehr wohl. Überrascht hat mich allerdings der Stand der Digitalisierung. Hier gibt es noch einiges zu tun. Aber ich bin mir sicher, dass sich das ändern wird. Wir erleben auch in unserer Branche gerade einen Umbruch.
Was unterscheidet den deutschen und den österreichischen Bankenmarkt?
Die Deutschen sind beim Thema Bezahlen sehr konservativ. Fast 60 Prozent aller Bezahlvorgänge in Deutschland erfolgen immer noch mit Bargeld. An zweiter Stelle kommt die Girocard. Mit dieser Karte kann man aber nicht Online bezahlen. Dafür brauchen Sie zum Beispiel eine Kreditkarte, die deutlich weniger verbreitet ist. Für österreichische Kunden ist digitales Bezahlen deutlich wichtiger.
Was verbinden Sie mit Köln?
Peter Stöger, der den 1. FC trainiert hat! Nein, im Ernst: Köln ist und bleibt ein wichtiger Standort für die Commerzbank. Und das mit einer langen Tradition. Wir sind seit 115 Jahren vor Ort. Das verbindet. Und wir investieren weiter in den Standort. Im vierten Quartal eröffnen wir ein Beratungscenter in Unter Sachsenhausen. 2023 bauen wir die Kundenhalle um. Die Kolleginnen und Kollegen in Köln und ganz NRW sind sehr stark bei der Betreuung unserer Kunden! Das spiegelt sich auch in der guten geschäftlichen Entwicklung im ersten Halbjahr 2022 wider.
Was planen Sie im Geschäft mit vermögenden Kunden?
Viele unserer vermögenden Kunden haben einen unternehmerischen Hintergrund. Daher konzentrieren wir uns auf mittelständische Unternehmer, aber auch auf junge Unternehmer und Start-ups. 2021 hatten wir im Wealth Management und Private Banking ein Wachstum von mehr als sieben Milliarden Euro an neuen Assets. Da geht noch mehr. Die Deutschen haben Bargeld und Bankeinlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten von fast drei Billionen Euro. Wir haben die richtigen Produkte, um dieses Geld deutlich besser anzulegen.
Kommen wir zu den Filialen. Sind die 450 Standorte die finale Zahl oder planen Sie weitere Schließungen?
In Köln sind wir mit aktuell 13 Filialen (NRW 112) gut aufgestellt. Zu uns kommt aber kein Kunde, weil wir bundesweit genau 450 Filialen haben. Die genaue Anzahl der Filialen spielt keine Rolle. Entscheidend ist das positive Kundenerlebnis. Unsere Kunden kommunizieren mit uns digital, über die Beratungscenter und persönlich in unseren Filialen. So, wie es Ihnen gerade am besten passt. Unsere Aufgabe ist es deshalb, immer dort zu sein, wo der Kunde ist. Mit den passenden Angeboten und der richtigen Qualität.
Aber manches vermissen die Kunden bei Ihnen, Kassen etwa. Wird es künftig noch Bargeld in den Filialen geben?
Ja, es wird an bestimmten Standorten auch weiterhin Kassen geben und wir investieren in die Modernisierung unserer Geldautomaten.
Bleibt die Comdirect eine eigene Marke, ihr Ende war prophezeit?
Die Comdirect ist im Digital-Banking eine starke Marke. Sie gehört vor allem im Geschäft mit Depots zu den besten Anbietern am Markt. Dadurch haben wir im Wettbewerb einen echten Vorteil. Unter den Marken Commerzbank und Comdirect bieten wir die gesamte Bandbreite des Bankings an. Von der Beratung über die digitalen Lösungen für das tägliche Bankgeschäft bis zum Brokerage in Eigenregie. Bei uns findet jeder Kunde das, was er braucht. Deshalb setzen wir auf eine Zwei-Marken-Strategie.
Aktien sind auch bei Kleinsparern populär geworden – hält das in unsicheren Zeiten an? Was raten Sie ihren Anlegern angesichts nervöser Börsen?
Das hängt von der individuellen Situation ab. Grundsätzlich gilt es, wie in jeder Lebenssituation, besonnen zu handeln. Natürlich sind die Märkte gerade sehr unruhig. Die Depots sind Schwankungen ausgesetzt. Keiner weiß genau, was im Herbst alles passiert. Aber Aktien und Immobilien sind und bleiben Anlagen mit einer langfristig guten Entwicklung.
Deshalb gilt: Ruhe bewahren. Wer unsicher ist, sollte auf jeden Fall mit einem Berater reden. Wichtig ist, seine Anlage breit zu streuen. Auch hier kann der Berater helfen. Diversifizierung minimiert das Risiko. Beim Thema Immobilien muss es nicht immer die eigene Wohnung sein. Anleger können bereits mit kleinen Beiträgen in offene Immobilienfonds investieren.
Wie sehen Sie die Zinswende? Dürfen Sparer endlich wieder auf Zinsen hoffen?
Wir begrüßen die Zinsentscheidung der EZB. Die Zinswende geht in die richtige Richtung. Die Verwahr- und Guthabenentgelte haben wir sofort nach der EZB-Entscheidung rückwirkend zum 1. Juli für unsere Kundinnen und Kunden ausgesetzt. Zinsen zahlen wir noch nicht, da der Einlagenzins der EZB aktuell bei 0 Prozent liegt.
Alle wollen nachhaltig werden. Aber oft liegen zwischen Worten und Taten Welten. Wie sieht das bei Ihnen und Ihren Kunden aus?
Beim Thema Nachhaltigkeit hat ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden. Es ist eines der zentralen gesellschaftlichen Themen. Die Energiewende gewinnt durch die aktuelle Situation noch einmal deutlich an Tempo. Das verändert die Kundennachfrage. Einige Beispiele: Das Volumen unserer nachhaltigen Vermögensverwaltung hat sich in einem Jahr auf rund 700 Millionen Euro vervierfacht.
Das Anlagevolumen des klimaVest, den die Commerz Real im November 2020 gestartet hat, liegt bereits bei mehr als 800 Millionen Euro. Mitte Februar haben wir Cominvest Green an den Markt gebracht, den Robo Adviser der Comdirect, die ausschließlich in nachhaltige Anlagen investiert. Diesen Trend sehen wir auch bei der Immobilienfinanzierung. Mehr als jeder vierte Neuabschluss ist bereits eine grüne Baufinanzierung, die einen Zinsrabatt für energieeffizientes Bauen gewährt.
Apropos, Immobilienfinanzierung – was raten Sie Ihren Kunden? Kann man sich in Zukunft überhaupt noch Eigentum leisten, angesichts verdreifachter Zinsen?
Ich sehe da zwei Entwicklungen. Die Bau-Zinsen sind in den vergangenen Monaten von einem sehr niedrigen Niveau kommend gestiegen. Der Trend geht weiter nach oben. Dabei sind wir noch weit von den Zinsen entfernt, die wir vor gut zehn Jahren hatten. Gleichzeitig sehen wir keinen spürbaren Rückgang bei den Immobilienpreisen. Denn die Nachfrage übersteigt an vielen Standorten immer noch das Angebot.
Das wird sich so schnell nicht ändern, da die Inflation und der Mangel an Fachkräften die Baupreise steigen lassen. Bauen wird damit deutlich teurer. Was wir aktuell beobachten, ist eine starke Nachfrage bei Bausparverträgen und Forward-Darlehen. Kunden sichern sich so die noch günstigen Zinsen für die Zukunft. Diese Angebote nutzen immer mehr Kunden. Und es wird weiter gekauft. Hier in der Region Köln legten wir im ersten Halbjahr 2022 um fünf Prozent in der Immobilienfinanzierung zu. Klar ist aber auch, dass die höheren Zinsen die Nachfrage nach Wohnimmobilien spürbar bremsen werden.