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Entsetzen über Pläne der LandesregierungInvestoren in Bürgerwindparks bangen um ihre Projekte

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Wolken ziehen über Windräder zur Stromerzeugung. Die Wittgenstein Gruppe sowie der Landesverband Erneuerbare Energien NRW nehmen den seit Herbst 2022 bestehenden Wald-Windpark Arfeld mit vier Windrädern offiziell in Betrieb. +++ dpa-Bildfunk +++

Wolken ziehen über Windräder zur Stromerzeugung. Die Bürgerenergie-Gesellschaften fürchten das Aus ihrer Projekte durch ein Gesetzesvorhaben der Landesregierung. Foto: dpa

Im Münsterland droht 47 Windkraftanlagen, die von Bürgerenergiegesellschaften geplant werden, das vorzeitige Aus.

Knapp fünf Monate ist es her, seit die schwarz-grüne Landesregierung die Verabschiedung des Bürgerenergiebeteiligungs-Gesetzes für NRW als Meilenstein auf dem steinigen Weg zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europa gefeiert hat. Damit werde „eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit“ der Bürger „bei allen neuen Windparks zum Regelfall“, jubelte das von der Grünen-Politikerin Mona Neubaur geführte Wirtschafts- und Klimaschutzministerium.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. In einem Brief an Ministerpräsident Hendrik Wüst, die Landtagsfraktionen und mehrere CDU-Landtagsabgeordnete, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, schlagen zehn Bürgerenergie-Gesellschaften aus dem Kreis Steinfurt, der seit Jahren eine Vorreiterrolle im Windenergie-Ausbau einnimmt, Alarm.

Teilweise siebenstellige Beträge in Planungen investiert

Sie fürchten, dass eine von der Regierungskoalition geplante neue Vorschrift im Landesplanungsgesetz die weit fortgeschrittenen Planungen von 47 neuen Windkraftanlagen in den Gemeinden Saerbeck, Greven, Nordwalde, Laer und Metelen mit einer Gesamtleistung von 280 Megawatt zumindest zeitlich so weit verzögern könnte, dass den Investoren, die teilweise siebenstellige Beträge in die Planungs- und Genehmigungsverfahren investiert haben, der Atem ausgeht.

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„Bis vor kurzem sind wir davon ausgegangen, dass gerade Bürgerenergieprojekte auch von der Landesregierung unterstützt werden. Geradezu entsetzt sind wir allerdings nun von der Absicht, das Landesplanungsgesetz um eine Vorschrift zu ergänzen, die für diverse Planungen unserer Mitglieder das Aus bedeuten kann, diese aber zumindest erheblich verzögert und verteuert“, heißt es in dem Brief.

Das Absurde daran: Für alle Anlagen haben die Kommunen die Zustimmung erteilt, das sogenannte gemeindliche Einvernehmen festgestellt. Vor Ort gibt es keinerlei Streitigkeiten, weil alle Bürger der Gemeinden sich mit Beträgen zwischen 500 und 10.000 Euro am Bau der Windräder beteiligen können.

Ein Erfolgsmodell steht auf der Kippe

Anwohner, die von Sichteinschränkungen, Schattenwurf oder Lärm betroffen sind, dürfen sogar mehr investieren. Die Nachfrage ist hoch, im Kreis Steinfurt stehen bereits 87 Bürgerwindräder, das sind rund 30 Prozent der Anlagen. Der Bürgerwindverbund Steinfurt „Echter Bürgerwind“ zählt 3500 Kommanditisten.

Doch plötzlich steht das Erfolgsmodell auf der Kippe. Der Bund hat die Länder verpflichtet, bis Ende 2032 exakt 1,8 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete festzulegen. Das sind 61.400 Hektar. NRW will schneller sein und dieses Ziel schon 2027 erreichen.

Wie sich die Gesamtfläche auf die sechs Regionen (Köln, Düsseldorf, Münster, Arnsberg, Detmold, Ruhrgebiet) verteilen soll, steht im neuen Landesentwicklungsplan, der vor Ostern beschlossen wurde. Die Regionen müssen jetzt Pläne aufstellen, in denen sie ihre Windenergiegebiete festlegen. Das wird aber frühestens Ende 2025 der Fall sein. Bisher gibt es nur Entwürfe.

Umstrittene Gesetzesänderung soll noch im Mai verabschiedet werden

Für die Übergangszeit will Schwarz-Grün in das Landesplanungsgesetz deshalb eine Vorschrift aufnehmen, dass sich die sechs Regionen bis zur Verabschiedung der Pläne bei der Genehmigung neuer Windräder an den Entwürfen orientieren müssen. Eine entsprechende Verordnung wurde vom Oberverwaltungsgericht Münster Mitte Februar als rechtswidrig zurückgewiesen. Die Kommunen dürften nicht daran gehindert werden, eigene Windenergiegebiete auszuweisen, so das Gericht.

„Jetzt wählt die Landesregierung einen anderen Weg und will einfach das Gesetz ändern“, kritisiert Christoph Hüls, Geschäftsführer des Bürgerenergieverbunds Steinfurt, zu dem sich zehn Gesellschaften zusammengeschlossen haben. „Gegen Gesetze kann man bekanntlich nicht klagen. Das geht nur gegen die Anwendungen, die sich aus dem Gesetz ergeben. Das wären im Zweifel die Bezirksregierungen.“ Das komme einer Entmachtung der Kommunen gleich.

Hüls vermutet hinter diesem Manöver eine politische Absicht. „Die Gesetzesänderung wird innerhalb der Landesregierung sicherlich nicht von den Grünen betrieben. Aber natürlich gibt es in der CDU nicht nur Windrad-Fans. Wir haben hier im Kreis Steinfurt einige Gegenwind-Initiativen.“ Den Gesellschaften sei bewusst, „dass wir nicht überziehen dürfen. Wenn wir in bestimmten Gebieten zu schnell bauen, gefährdet das die Akzeptanz auch bei denjenigen, die im Grunde wohlmeinend sind.“

Bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss am vergangenen Freitag im Düsseldorfer Landtag zeichnete sich keine Lösung ab, obwohl die geplante Gesetzesnovelle aus juristischer Sicht keine Befürworter fand. Dennoch soll sie noch im Mai verabschiedet werden.

Die Bürgerwind-Befürworter im Kreis Steinfurt haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, wenigstens einen Kompromiss zu erzielen. „Wir wollen ja nur, dass eine Klausel eingebaut wird, damit diejenigen, die das gemeindliche Einvernehmen erzielt haben, auch weiterbauen können. Bisher ist das nicht vorgesehen“, sagt Hüls. „Das rettet Geld, das rettet Akzeptanz. Sonst wird es am Ende nur Verlierer geben.“