Der Landesverband Erneuerbarer Energien warnt vor Verunsicherung von Städten und Gemeinden bei der Erteilung von Baugenehmigungen.
Streit um ÜbergangsregelungWürgt Schwarz-Grün den schnellen Ausbau der Windenergie in NRW ab?
Gefährdet die Landesregierung den Ausbau der Windenergie, der gerade erst in Schwung gekommen ist? Das zumindest befürchtet der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE). Im ersten Quartal dieses Jahres hat Nordrhein-Westfalen mit einem Zuwachs von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bundesweit den Spitzenplatz übernommen.
Die schwarz-grüne Koalition sei im Begriff, ein klassisches Eigentor zu schießen, sagt Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des LEE NRW. Es geht um die Umsetzung des Wind-an-Land-Gesetzes des Bundes. Dort sind den Bundesländern Flächenziele vorgegeben worden, die bis spätestens 2032 festgelegt sein müssen. Laut Gesetz müsste NRW 1,1 Prozent der Landesfläche bis 2027 als Windenergiegebiete ausweisen, bis 2032 müssen es 1,8 Prozent sein.
Regionalpläne werden frühestens Ende 2025 fertig
Die Landesregierung will aber schneller sein. Sie plant, dass bereits Ende 2025 die vorgegebenen 1,8 Prozent – das ist eine Gesamtfläche von 61.400 Hektar – erfüllt sind. Wie sich die 61.400 Hektar auf die sechs Regionen (Köln, Düsseldorf, Münster, Arnsberg, Detmold, Ruhrgebiet) verteilen, steht im neuen Landesentwicklungsplan, der vor Ostern beschlossen wurde.
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Das ist neu, denn bisher waren in erster Linie die Kommunen für die Windenergieplanung zuständig. Die sechs Regionalpläne sollen bereits Ende 2025 fertig sein. Bisher hat es aber nur Münster geschafft, seinen Plan vorzulegen, der aber wegen erheblicher Einwände noch einmal überarbeitet werden muss.
Der Landesregierung hat im neuen Landesentwicklungsplan (LEP) nicht nur erhebliche Erleichterungen für den Ausbau von Windrädern verankert. Auf den ausgewiesenen Windenergieflächen gibt es keine Höhenbeschränkungen, Nadelwälder sind keine Tabuzonen mehr, Vergleichbares gilt für Industrie- und Gewerbegebiete.
Der LEP steht, doch die Regionalpläne gibt es noch nicht. Was also gilt in der Übergangszeit? Sind die Kommunen weiter zuständig oder nicht? Die Landesregierung hatte im LEP geregelt, dass man sich bei Genehmigungen auf die in den Regionalplanentwürfen vorgesehenen Flächen und auf als besonders geeignete empfundene sogenannte Kernpotenzialflächen beschränkt. Außerhalb dieser Flächen sollen Windräder nur noch in „begründeten Einzelfällen“ genehmigt werden, um einen „Wildwuchs“ zu verhindern. Diese im Landesentwicklungsplan verankerte Übergangsregelung sollte so lange gelten, bis die Regionalpläne rechtskräftig verabschiedet werden.
Oberverwaltungsgericht kippt die geplante Übergangsregelung
Das geht nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das Mitte Februar erging und Ende März veröffentlicht wurde und sich deshalb nur auf den Entwurf des Landesentwicklungsplans bezog, so nicht. Erstens verstoßen solche Ausschluss- und Negativplanungen gegen das Baugesetzbuch, zweitens dürfen Kommunen durch den Plan nicht daran gehindert werden, eigene Windenergiegebiete auszuweisen und drittens sei der Begriff der Kernpotenzialfläche zu unkonkret.
Was jetzt? Eigentlich müsste die Landesregierung die Übergangsregelung kippen, doch sie plant das Gegenteil, will sie in das Landesplanungsgesetz integrieren.
Aus Sicht des LEE NRW ist das ein Fehler. „Eine schlechte und rechtswidrige Regelung wird nicht dadurch korrigiert, dass ihr Inhalt in das Gewand eines neuen Gesetzes gepackt wird“, sagt der LEE-Vorsitzende Vogel. „Die Landesregierung hat immer noch nicht verstanden, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Es geht nicht mehr darum, Pläne zu erlassen, die Windenenergie-Projekte an bestimmten Orten explizit ausschließen. Vielmehr muss im Sinne des Bundesgesetzgebers eine positive Standortzuweisung für die Windenergienutzung stattfinden.“
Das Festhalten an einer rechtswidrigen Regelung sorge für große Verunsicherung bei den Genehmigungsbehörden und Kommunen. „Wir bekommen zunehmend gespiegelt, dass Städte und Gemeinden nicht wissen, wie sie sich derzeit bei Bauanträgen für neue Windenergieanlagen verhalten sollen“, so Vogel. „Wenn die Übergangsregelung in dieser Form kommt, wird das Landesplanungsgesetz das Verhinderungsinstrument für die nächsten Jahre. Wer verzögert, der erschwert und verschärft den Klimaschutz zulasten der jungen Generation.“
Die Landesregierung sieht das anders. Ziel der neuen Regelung sei weiterhin „die Lenkung des Windenergieausbaus auf die Flächen, die planerisch gewollt sind“, heißt es auf Anfrage aus dem Wirtschaftsministerium. In der praktischen Anwendung seien „bisher ohnehin immer positive Lösungen im Sinne der Windenergie gefunden“ worden.
Am 3. Mai wird sich der Landtag im Rahmen einer Expertenanhörung mit dem Thema befassen.