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Flughafen-Aufseher übt Kritik„Bahn muss mehr Verbindungen zu Köln/Bonn schaffen“

Lesezeit 6 Minuten
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Klaus-Dieter Scheurle 

Köln/BonnHerr Scheurle, zwei Jahre Corona-Pandemie haben Flughäfen und Airlines hart zugesetzt. Wie steht der Flughafen Köln/Bonn konkret da?Scheurle Die Pandemie war eine Katastrophe. Wir sind von zwölf Millionen Passagieren vor der Krise auf drei Millionen Passagiere in 2020gefallen. Etliche Umsätze haben einfach nicht stattgefunden. Unsere Eigentümer haben uns eine wichtige Kapitalspritze von 75 Millionen Euro gegeben, die nicht so groß ausfallen musste wie anfangs befürchtet. Dazu bekamen wir noch ein verbürgtes Darlehen, das wir allerdings schnell wieder zurückzahlen müssen. Was die Liquidität angeht, kommen wir also zum Glück gut über die Runden.Das ist die Bilanz, aber wie sieht es mit Gewinn oder Verlust aus?Wir haben ein positives operatives Ergebnis, also ohne Berücksichtigung von Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Und das ist eine bemerkenswerte Leistung in diesen Zeiten. Von Frankfurt abgesehen hat das kein deutscher Großflughafen in der Coronakrise geschafft.

Hat Köln/Bonn ein Problem mit seiner Sandwichlage zwischen den großen Drehkreuzen Frankfurt und Düsseldorf, die sozusagen in unserer Nachbarschaft liegen?

Das sind ja nicht die einzigen Konkurrenten. Da gibt es noch Maastricht und Lüttich und noch viele andere in Zentraleuropa. Allein in Deutschland sind es um die 60. Aber dies ist für uns auch eine Chance. Wir als Köln/Bonn können anderen Flughäfen ja auch Konkurrenz machen.

Warum gelingt das bislang nur mäßig?

Ein Beispiel: Wir haben am Flughafen Köln/Bonn einen eigenen ICE-Anschluss direkt am Terminal. Der Airport München hat beispielsweise keinen ICE-Bahnhof. Auch der neue Flughafen in Berlin ist nur per Regional- oder S-Bahn erreichbar. Wir sind also von der Infrastruktur hervorragend ausgestattet. Leider wird diese Infrastruktur von der Bahn viel zu wenig genutzt. Die Regionalbahn 6 wurde schon vor Corona gestrichen. Zwischen 12 und 17 Uhr hält in der Regel kein einziger ICE in Köln/Bonn. Anbindungen aus dem eigentlich nahen Ruhrgebiet fehlen.Das ist in höchstem Maße bedauerlich und schränkt unsere Passagier-Potenziale erheblich ein Auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist die unzureichende Nutzung unseres ICE-Bahnhofs nicht vertretbar. Die Bahn sollte hier schnell nachbesseren und mehr Verbindungen schaffen.

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Klaus-Dieter Scheurle 

Wie wollen Sie das ändern?

Die neue Geschäftsführung muss sich sehr intensiv um das Thema kümmern und auf die Bahn und auch das Verkehrsministerium zugehen.. Die Bahn wird von allen Parteien als klimaschonender Verkehrsträger der Zukunft genannt. Und bei uns wird ein bestehender Schnellbahnhof nicht genutzt. Das passt nicht zusammen.

Was hat denn der Flughafen Köln/Bonn den Konkurrenten in Frankfurt oder Düsseldorf voraus, die ja immerhin über ein großes Angebot von Interkontinentalflügen verfügen?

Köln/Bonn ist der Flughafen der kurzen Wege. Außerdem sind wir tagsüber für die Airlines günstiger als manch anderer Flughafen. Und wir sind ganz einfach ein sympathischer Flughafen. Wenn jetzt die Bahn noch mitspielt, haben wir ein viel größeres Umfeld, um Passagiere zu gewinnen – nicht nur aus NRW, sondern auch aus dem Süden bis in die Rhein-Neckar-Region hinein. Fakt ist aber: Ohne ein besseres Bahnangebot geht das nicht.

Wird Köln wieder Interkontinentalfüge bekommen?

Das wird man sehen, ist aber gut möglich. Insbesondere wenn man sich die modernen Flugzeuge ansieht. Es gibt heute ja auch kleinere Flugzeuge wie die für längere Strecken aufgerüsteten neuen Airbus A321 Long Range, die auf Langstrecken eingesetzt werden können. Mit einer wirtschaftlichen Auslastung bei viel weniger Passagieren als etwa in einem Airbus A380 oder in einer Boeing 747.

Die Fracht als wichtiges Standbein des Flughafens hat in der Corona-Krise geboomt. Davon konnte Köln profitieren, anders als etwa Düsseldorf, die kein nennenswertes Frachtaufkommen haben. Wird das nach der Krise wieder nachlassen?

Die Fracht hat tatsächlich zugenommen und wird weiter wachsen. Denn das Online-Geschäft beflügelt die Luftfracht. Der Trend zum Einkauf im Internet wird sich auch ohne Corona fortsetzen, allein schon wegen der neuen Gewohnheiten: Das Rad wird nicht zurückgedreht. Im Gegenteil: Der Online-Handel ist einer der Profiteure der Krise.

Die aktuelle Entwicklung – weniger Passagierverkehr, mehr Fracht – hat aber auch dazu geführt, dass es nun am Tag recht leise ist, dafür in der Nacht aber um so lauter. Die Anwohner sind erbost, und das zu Recht. Man denke besonders an die sehr lauten Flieger vom Typ McDonnell Douglas MD-11 oder Boeing 747-8.

Der Schutz der Anwohner ist und bleibt für uns ein zentrales Anliegen. Das ist mir sehr wichtig. Allerdings liegt Lärmschutz auch in der Verantwortung der Airlines, die neues und leiseres Fluggerät einsetzen müssen.

Können Sie nicht die Landegebühren für die besonders lauten Modelle so stark erhöhen, dass es unattraktiv ist, sie in Köln einzusetzen?

Wir haben die Entgelte in diese Richtung ja schon mehrfach erhöht. Die Frage ist, ob das Mittel allein ausreicht, um das gewünschte Ziel zu erreichen, dass nämlich diese Flieger hier nicht mehr zum Einsatz kommen. Es gibt allerdings schon eine positive Entwicklung. So flogen 2012 noch 4500 MD-11 pro Jahr Köln/Bonn an, zuletzt waren es im vorigen Jahr noch 983, also im Schnitt weniger als drei Flugbewegungen pro Tag, davon nur eine in der Nacht.

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Flugzeug ab Abend über der Wahner Heide.

Wird die Nachtfluggenehmigung verlängert?Die Möglichkeit des Nachtflugs ist für den Flughafen Köln/Bonn von außerordentlicher Bedeutung.

Halten Sie eine Kooperation mit Frankfurt oder Düsseldorf für möglich?

Diese Frage muss an die Gesellschafter der Flughäfen gerichtet werden. Und auch das Kartellrecht spielt hier eine Rolle. Ich sehe im Moment keine Notwendigkeit für eine Kooperation.Mieteinnahmen aus der Airportcity sollten eine zusätzliche Einnahmequelle sein. Wie wird es da in Zukunft weitergehen?Ein Ausbau im Immobilienbereich ist heute schon ein wichtiger Erlösbringer, der noch weiter entwickelt werden wird. Allerdings muss man sehen, wie sich die Welt nach Corona entwickelt. In welchem Maße werden Messen stattfinden? Wie hoch ist der Bedarf an Büroraum? Man kann die Flächen auch für die Fracht nutzen. Vielleicht starten dort aber auch irgendwann Flugtaxis, wenn es sie gibt, oder werden dort gewartet. Noch ist Corona nicht vorbei und keiner weiß, wie die gewerbliche Immobilienwelt danach aussieht. Wir wollen auf jeden Fall Flächenpotenziale nutzen, wo das möglich ist.

Die Wahl des neuen Flughafen-Geschäftsführers hat wieder gezeigt, dass die Belegschaft am Flughafen tief zerstritten ist. Wie kann der neue Geschäftsführer dort schlichten?

Ich musste diese Befindlichkeiten in meiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender auch erst kennenlernen. Am Ende muss er ein komplett neues Personalmanagement aufbauen. Denn Streitigkeiten demotivieren eineBelegschaft. Aber motivierte Mitarbeiter sind das Wichtigste Kapital eines Unternehmen. . Ich bin überzeugt, dass der neue Geschäftsführer hier ein positive Entwicklung anstoßen wird.

Heißt das, es gibt eine Art Arbeitsdirektor?

Einen Arbeitsdirektor auf der Ebene der Geschäftsführung wird es derzeit nicht geben. Aber ein modernes Personalmanagement ist für uns ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Letzte Frage: Wann wird es wieder zwölf Millionen Passagiere in Köln/Bonn geben?

Ich denke spätestens 2027 wieder.