Köln/Region – Ob Hürth, Frechen, Bergisch Gladbach oder Siegburg – als Städte sind sie politisch eigenständig. Als Wohnorte bilden sie schon lange eine Schicksalsgemeinschaft mit Köln. Der große Nachbar platzt aus allen Nähten und so hat sich der Stadtrand der Metropole längst in die Hoheitsgebiete der umliegenden Städte ausgedehnt. Die Menschen suchen Wohnraum und im Speckgürtel werden sie fündig. Solches Wachstum bringt aber auch Herausforderungen insbesondere für den öffentlichen Nahverkehr mit sich.
Wer tagsüber in der Metropole Köln arbeitet, möchte zum Feierabend zügig und stressfrei ins Heim nach Kerpen gelangen. Verkehrsplaner und -unternehmen arbeiten zwar sowohl an neuen als auch leistungsfähigeren Verbindungen. Aber neue Straßenbahngleise sind nun mal nicht so schnell verlegt wie ein Neubaugebiet erschlossen wird. Wir haben einmal hingeschaut, welche Gebiete in den kommenden Jahren bessere Anschlüsse erhalten.
Hürth
„Hürth führt“ sagen die Lokalpatrioten gerne und glauben an eine Vormachtstellung ihrer Stadt im Rhein-Erft-Kreis. Ganz unrecht haben sie nicht: Von jeher profitierte die Stadt von einer hervorragenden Verkehrsanbindung nach Köln und ins Umland. Das wissen Medienindustrie und zahlreiche Kölner „Aussiedler“ schon seit vielen Jahren zu schätzen. Die Stadtbahn 18 ist die Lebensader für die Stadt – sowohl in Richtung Köln als auch Bonn und bis zur Eifel. Die Stadtbahn wird künftig zusätzlich am alten Rangierbahnhof Hermülheim halten. Dort entsteht gerade eine neue Siedlung mit mehr als 400 Wohneinheiten.
Und auch ein bereits totgesagtes Projekt nimmt nun wieder Fahrt auf: Schon 2002 war ein Abzweig der Stadtbahntrasse bis zum Busbahnhof in Hürth-Mitte geplant – zwischenzeitlich aber wieder in den Schubladen verschwunden. Im x-ten Anlauf einigte sich der Stadtrat dann doch noch auf die Umsetzung des Projektes. Frühestens 2027 könnte so ein Lückenschluss zwischen dem Busverkehr ins Umland und der Stadtbahn in die Metropole geschaffen werden.
Hürth profitiert vom S-Bahn-Ausbau
In fernerer Zukunft wird Hürth vom Ausbau der S-Bahn profitieren. Zwischen Köln und Kalscheuren soll die S-Bahn eigene Gleise bekommen und später bis in die Eifel nach Kall verlängert werden. In Fischenich ist ein zusätzlicher S-Bahn-Halt geplant, um das Umsteigen von und in die Stadtbahnlinie 18 zu ermöglichen. Damit will die Deutsche Bahn den Flickenteppich von Regionalbahnen auflösen.
Eine neue S-Bahnlinie 15 soll die Eifel mit Hürth und Köln verbinden und weiter bis nach Gummersbach führen. Der Takt kann auf 20 Minuten verkürzt werden – statt derzeit bestenfalls halbstündlich mit der Regionalbahn. Damit entwickelt sich Hürth im südlichen Rhein-Erft-Kreis zum ÖPNV-Knotenpunkt für Anschlüsse nach Bonn, Köln und in die Eifel; wohl ganz nach dem Geschmack der Lokalpatrioten.
Köln-Widdersdorf, Pulheim, Bergheim
Tief im Westen von Köln – dort entstand in Köln-Widdersdorf einst Deutschlands größtes Neubaugebiet. Knapp 7000 Menschen haben hier eine neue Heimat und jede Mange Staus gefunden. Denn eine vernünftige Anbindung an den ÖPNV wurde schlichtweg vergessen. Jetzt soll nachgebessert werden und gleich noch der nördliche Rhein-Erft-Kreis ebenfalls eine Stadtbahn erhalten. Denn auch dort entstehen zahlreiche neue Siedlungen ohne attraktive Verkehrsanbindung.
Derzeit werden zwei Varianten geprüft: die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 von Köln-Weiden über Widdersdorf, Brauweiler bis nach Niederaußem. Als zweite Option gilt die Verlängerung der Linie 4 von Köln-Bocklemünd nach Widdersdorf und weiter bis nach Niederaußem. Derzeit werden die Bürgerinnen und Bürger um ihre Meinung gebeten.
Bedburg, Bergheim, Kerpen, Frechen
Die Strecke der Regionalbahn 38 – auch Erftbahn genannt – soll modernisiert und zu einer vollwertigen S-Bahn-Linie 12 ausgebaut werden. Dazu wird die Strecke von Horrem nach Bedburg elektrifiziert, Bahnübergänge technologisch aufgerüstet und enge Kurvenradien beseitigt. Damit kann die Fahrgeschwindigkeit von 60 auf 100 Stundenkilometer erhöht werden. Dann werden die S-Bahnen alle 20 Minuten statt bislang 30 Minuten verkehren können.
Binnen zehn Jahren stiegen die Kundenzahlen der Erftbahn um mehr als 30 Prozent. Vor Corona war zu Stoßzeiten für die Fahrgäste Kuscheln angesagt. Und die Tendenz bleibt kuschelig, denn in der Region gibt es regen Zuwachs an Neubaugebieten. Derzeit befindet sich das Ausbauprojekt in der Vorplanung.
Euskirchen, Zülpich, Düren
Seit 2019 verkehrt die Regionalbahn 28 wieder zwischen den drei Städten. Die „Bördebahn“ ist insbesondere für die Bewohner zwischen Euskirchen und Düren eine Verbesserung, weil sie mit der Bahn besser die Anschlüsse in Richtung Köln in den beiden Kreisstädten erreichen können. Nach einigen Anpassungen und Modernisierungen von Strecke und Bahnhöfen klappt es mit den Anschlusszeiten ganz ordentlich. Optimiert wird weiter und ab Dezember der Takt verkürzt: Dann fahren die Züge jede Stunde statt bislang alle zwei. Der Streckenverlauf soll noch um Haltstellen erweitert werden: der Bahnsteig in Elsig wird dafür derzeit instandgesetzt.
Die Bördebahn blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits 1905 nutzen 100 000 Fahrgäste aus Vettweiß und Zülpich die Züge. In den 70er-Jahren ging es dann bergab, bis zur endgültigen Stilllegung Ende der 90er-Jahre. Die Reaktivierung könnte sich schon bald auszahlen. Denn auch entlang der Strecke entstehen zahlreiche Neubaugebiete. Dazu zählen etwa die „Seeterrassen“ in Zülpich, wo 1500 Menschen ein neues Zuhause finden und den Anschluss an die „Bördebahn“ finden sollen.
Bergisch Gladbach
Die Kreisstadt ist das Verkehrszentrum in Rhein-Berg – insbesondere auch wegen der S-Bahn-Linie 11. Zwischen Köln-Dellbrück und Bergisch Gladbach wird nun ein zweites Gleis verlegt. Damit kann sich der Takt der Züge von 20 auf zehn Minuten verkürzen. Doppelt so viele Fahrgäste wie bislang können nach Köln und wieder zurück transportiert werden. Für die Stadt und die Region ein wichtiger Schritt in die Zukunft.
Und auch bei der Stadtbahnlinie 1, die die Stadtteile Bensberg, Refrath und Frankenforst an Köln anbindet gibt es Verbesserungen. Im Zuge der Modernisierung der gesamten Strecke werden die Bahnsteige auch in Bergisch Gladbach so ausgebaut, dass längere Bahnen halten können und damit die Kapazität für Fahrgäste erhöht wird.
Und auch für Rad-Pendler gibt es Planungen. Eine Route nach Köln-Mülheim ist auf dem Reißbrett entworfen. Beginnend in der Stadtmitte soll die Route den ehemaligen Bahndamm der 1958 eingestellten Straßenbahn nach Köln nutzen.
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Rösrath
Die Stadt und ihre Umgebung werden sicherlich besonders vom geplanten Ausbau der Bahngleise in Richtung Köln profitieren. Bislang tuckert hier die Regionalbahn 25 im 30-Minuten-Takt. Beabsichtigt sind eine Elektrifizierung und Modernisierung der Strecke bis Gummersbach. Auf ihr sollen dann moderne S-Bahnzüge der künftigen Linie 15 im Abstand von 20 Minuten fahren.
Bis dahin setzt die Kommune auch auf den Ausbau des Bergischen E-Bike-Verleihs und den Ausbau einer Rad-Pendler-Route in Richtung Köln.
Overath und Engelskirchen
Etwa 16 Kilometer liegen zwischen den beiden Bahnhöfen der Kommunen. 16 lange Kilometer, wenn man zwischen den beiden Orten wohnt und den öffentlichen Nahverkehr nutzen möchte. Bis 1960 gab es einen Zwischenhalt – in Overath-Vilkerath. Alteingesessene schwenken gerne vergilbte Fotos vom schmucken Bahnhof.
Seit zehn Jahren kämpfen die Vilkerather nun schon für eine Wiederauflage – jetzt mit Erfolg. Die Regionalbahn 25 wird hier einen Bahnsteig erhalten. Vergangenes Jahr bewilligte der Bund die notwendige Förderung. Ein bisschen Geduld bis zur Fertigstellung müssen die Vilkerather aber noch aufbringen.
Leverkusen
Für Leverkusen und das Einzugsgebiet ist sicherlich die Anbindung an den Rhein-Ruhr-Express die wichtigste Verkehrsverbesserung seit Jahrzehnten. In Mitte und in Langenfeld werden die Züge halten. Gleich neben dem neuen Busbahnhof sollen die Fahrgäste in den 160 Stundenkilometer schnellen Express umsteigen können.
Derzeit wird eifrig gebuddelt und gebaggert, um die Strecke viergleisig auszubauen. In den Sommerferien werden Bahnsteige saniert. Nach Fertigstellung werden Köln und die Haltestellen in Richtung Dortmund im 15-Minuten-Takt erreichbar sein – pendeln einfach schnell gemacht. Das steigert die Attraktivität der Stadt für Zuzügler beträchtlich.
Siegburg
Für die Kreisstadt und die umliegenden Orte öffnet sich eine neue Strecke in Richtung des rechtsrheinischen Bonns. Die S-Bahn-Linie 13 wird derzeit 13 Kilometer bis Oberkassel verlängert. Ein Lückenschluss der Bonner Region auch in Richtung Köln. Derzeit werden zwei neue Gleise neben der bestehenden Eisenbahnstrecke verlegt. In den Bonner Stadtteilen Ramersdorf und Vilich entstehen neue Haltestellen. Sowohl Bonn als auch Siegburg verbindet die S 13 direkt mit dem Flughafen Köln/Bonn. 2028 soll alles fertig sein.