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Industrie-UmfrageJedes zweite NRW-Unternehmen rechnet mit Stellenabbau

Lesezeit 4 Minuten
Die Metall- und Elektroindustrie ist alarmiert

Die Metall- und Elektroindustrie ist alarmiert

Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie stellen NRW ein katastrophales Zeugnis aus. 51 Prozent der Firmen wollen dieses Jahr Stellen abbauen, nur jeder 20. Betrieb baut Jobs auf.

Die nordrhein-westfälischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie stellen dem langjährigen Industrieland NRW ein auffallend schlechtes Zeugnis aus, das ergibt eine aktuelle Umfrage des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, an der 28 Prozent der NRW-Mitgliedsunternehmen teilgenommen haben, und die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorliegt.

Demnach schätzen 51 Prozent der befragten Betriebe, dass die Beschäftigungsentwicklung im Jahr 2025 sinken wird, 18 Prozent aller Unternehmen gehen sogar von einer stark sinkenden Beschäftigung aus. Im Gegensatz erwartet nur jedes 20. Unternehmen eine steigende Beschäftigung. Die Zahl der Unternehmen, die aber konkret den Aufbau neuer Stellen planen, liegt laut Gesamtmetall NRW unter fünf Prozent.

Je größer das Unternehmen ist, desto schlechter wird dabei die Lage bei der Beschäftigung für die kommenden zehn Monate eingeschätzt. Während Kleinbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern nur zu 29 Prozent mit weniger Beschäftigung rechnen, erwarten Firmen mit mehr als 1000 Beschäftigten das zu fast 70 Prozent.

55 Prozent wollen weniger investieren

Düster ist das Bild für 2025 auch, wenn man die Industrieunternehmen nach ihren Investitionsplänen für das laufende Jahr fragt. Nur jedes zehnte Unternehmen in NRW plant mit höheren Investitionen in den kommenden zwölf Monaten, aber 55 Prozent wollen weniger als bislang im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland investieren.

Innerhalb der Betriebe, die weniger investieren, gibt es eine recht große Gruppe, die besonders pessimistisch ist. Denn rund 20 Prozent der Metall- und Elektrobetriebe in Nordrhein-Westfalen wollen im Jahr 2025 ihre Investitionen sogar um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren reduzieren, wie aus der Umfrage hervorgeht. Nur vier Prozent der Betriebe rechnen demnach mit einer niedrigen Investitionsreduktion von weniger als zehn Prozent.

„Es ist ein absolutes Alarmsignal, wenn jeweils mehr als die Hälfte unserer Unternehmen in diesem Jahr die Investitionspläne an ihren deutschen Standorten drosseln und dort Beschäftigung abbauen wollen. Dies geht quer durch alle Branchen und Betriebsgrößen der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie“, sagte NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Interview mit Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff

Interview mit Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff

Spitzenreiter beim Zurückfahren der Investitionen ist dabei ausgerechnet die für Deutschland und insbesondere NRW so wichtige Automobilindustrie- und Autozulieferindustrie. In der Branche wollen laut Umfrage 84 Prozent ihre Investitionen senken. Das trifft Köln besonders hart, schließlich ist der Autobauer Ford mit rund 16.000 Mitarbeitern Köln wichtigster industrieller Arbeitgeber - und daran hängen noch viele regionale Lieferanten.

Bei den Investitionen zeichnet sich ein gegenteiliges Bild zur Beschäftigung. 100 Prozent der kleinen Unternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter) wollen ihre Investments reduzieren, währen große (mehr als 1000 Mitarbeiter) das „nur“ zu 61 Prozent angaben.

Aber was sind die Gründe, warum Nordrhein-Westfalens Industriebetriebe so viel weniger investieren? Überraschung: Die Unternehmenssteuern schaffen es nur auf Platz sechs (18 Prozent der befragten Firmen). Platz 1 belegen laut Umfrage die Arbeitskosten in NRW, 70 Prozent der Unternehmen, die weniger investieren, gaben das als Grund an.

International nicht wettbewerbsfähige Energiekosten und lähmende, überbordende Bürokratie
Arndt Kirchhoff

„Unsicherheit und fehlende Planbarkeit durch Wirtschaftspolitik“ ist für 64 Prozent der NRW-Betriebe ein Investitionshindernis, dicht gefolgt von den Energiekosten (62 Prozent). Bürokratie ist immerhin für jeden zweiten Industrieunternehmer in NRW ein Hemmnis. Trotz gestiegener Zinsen stellt die Finanzierung nur für elf Prozent der Unternehmen ein Hindernis dar. Die oft zitierten fehlenden Gewerbeflächen oder Baugenehmigungen landeten mit vier Prozent sogar nur auf dem letzten Platz.

Es sei eindeutig, dass Deutschland bei den wichtigsten für Investitionen und Arbeitsplätze relevanten Standortfaktoren nicht mehr wettbewerbsfähig sei, sagt Kirchhoff weiter. Die heimischen Industriestandorte hätten ein „massives, in weiten Teilen hausgemachtes Wettbewerbsfähigkeitsproblem: Hohe Arbeitskosten in der Kombination aus teuren Löhnen und steigenden Lohnzusatzkosten, die international nicht wettbewerbsfähigen Energiekosten und die lähmende, überbordende Bürokratie“, so Kirchhoff, der auch Präsident von Metall NRW ist.

95 Prozent sprechen von Verschlechterun

Die Investitionshemmnisse im Inland scheinen die Firmen nicht davon abzuhalten, im Ausland weiter zu investieren, oder mit anderen Worten: Produktion ins Ausland zu verlagern. 30 Prozent der Befragten planen mit höheren Investitionen im Ausland, 26 Prozent mit gleichbleibenden und nur sieben Prozent mit geringeren. Für den Rest ist das Ausland nicht relevant.

Auf die Frage, wie die NRW-Unternehmen die Standortbedingungen in Deutschland im Vergleich mit der Situation vor zehn vergleichen, ergibt sich ein desaströses Bild. Weniger als fünf Prozent bezeichnen es als gleich geblieben. 32 Prozent sprechen von einer Verschlechterung, 63 Prozent sogar von einer deutlichen Verschlechterung.

„Es ist zutiefst besorgniserregend, wenn 95 Prozent unserer M+E-Unternehmen den Standortbedingungen hierzulande ein miserables Zeugnis ausstellen. Es liegt auf der Hand, dass die deutsche Wirtschaftspolitik in den vergangenen zehn Jahren völlig falsch abgebogen ist. Daran ist nichts schönzureden“, sagt Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff, der selbst Miteigentümer eines familiengeführten Automobilzulieferers ist.

Ein Lichtblick in den extrem pessimistischen Zahlen sei aber, dass 78 Prozent der befragten Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen den Standort Deutschland noch nicht aufgegeben haben. Ihrer Überzeugung nach sei die De-Industrialisierung Deutschlands noch zu stoppen, wenn die Politik die Rahmenbedingungen jetzt grundlegend verbessert. „Damit ist völlig klar: Wir brauchen jetzt nach der Bundestagswahl schnell eine handlungsfähige Regierung, die den notwendigen wirtschaftspolitischen Kurswechsel kraftvoll und mutig umsetzt“, so Arndt Kirchhoff weiter.