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„Habe einen Jahresumsatz verloren“Kölner Händler klagt über Corona-Politik

Lesezeit 4 Minuten
Detlev Bernert Borgards

Detlev Bernert in seinem Geschäft

Köln – Eigentlich braucht es bloß einen Satz, um zu verstehen, wie hart die Corona-Situation Händler in der Region wirtschaftlich trifft: „In zwei Jahren Pandemie habe ich sicher einen Jahresumsatz verloren“, sagt Detlev Bernert. Er ist Geschäftsführer des Herrenmodegeschäfts Borgards auf der Apostelnstraße, hier kaufen in guten Zeiten Prominente wie Guido Cantz und Dieter Bohlen ein.

Die Umsätze der Vorkrisenzeit seien für ihn derzeit unerreichbar, sagt Bernert. Es gehe darum, irgendwie die Balance zu halten. Das gelinge derzeit nur durchs Kurzarbeitergeld, durch die geflossenen staatlichen Hilfen und ein „kaufmännisch anderes Agieren“.

Festliche Anlässe sind in der Pandemie rar

Als Textilhändler hat Bernert es derzeit besonders schwer. Neben den Faktoren, die überall im Handel aufs Geschäft drücken – niedrigere Besucherfrequenzen, größere Zugangshürden – kommt hier noch ein weiteres Problem dazu: Sein Geschäft lebt von anlassbezogenen Käufen, davon, dass sich die Kundschaft bei ihm mit aufwendigen Schuhen und Anzügen eindeckt. Aber festliche Anlässe sind auch zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie rar.

Der Händler ist unzufrieden mit dem derzeitigen Krisenmanagement der Politik. „Das Grundproblem ist, dass die Planbarkeit fehlt. Die Regierung reagiert nur kurzfristig. Aber ich muss jetzt schon für den Winter einkaufen – woher soll ich wissen, wie dann die Lage ist?“ Das sei, als müsse man jetzt schon für eine Sommerparty einkaufen, bei der man überhaupt nicht wisse, wie viele Gäste kämen. „Und das Ganze dann natürlich entsprechend bezahlen.“

Kölner Händler beklagt halbherzige Corona-Maßnahmen

Viele Corona-Maßnahmen seien „halbherzig“ und „undurchdacht“. Als Beispiel nennt er die unterschiedliche Behandlung von Supermärkten und anderen Geschäften: 3G versus 2G, Kontrollen, maximal erlaubte Kundenzahl. „Es ist schwer, das alles in Worte zu fassen“, sagt Bernert, nur, um dann doch noch eine ganze Reihe Worte zu finden. „Wieso ist das Infektionsrisiko beim Aldi an der Kasse geringer als bei der Betreuung eines einzigen Kundenpaares in meinem 110-Quadratmeter-Geschäft? Das geht so einfach gar nicht.“

Auch der Handelsverband (HDE) schickte am Dienstag noch einmal eindringliche Appelle an die Politik. Durch die Corona-Krise drohte in diesem Jahr noch einmal fast 16.000 Geschäften das Aus, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in Berlin. Die Zahl der Ladenschließungen werde sich damit im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie vermutlich verdreifachen. Vor allem innerstädtische Händler seien betroffen.

HDE fordert Abschaffung von 2G im Handel

Einer Umfrage des Verbands zufolge schätzten 46 Prozent der Händler, die nur unter 2G-Bedingungen öffnen dürfen, ihre Geschäftslage als schlecht ein. „2G macht es nach wie vor vielen Unternehmen schwer, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Diese im Kampf gegen die Pandemie nutzlose Maßnahme muss fallen“, sagte Genth.

In Köln sieht man das allerdings deutlich differenzierter. Am Anfang sei er noch skeptisch gewesen, sagt Bernert. „Aber die Leute, die kommen, sind super vorbereitet. Wir haben bei uns im Laden keine Probleme mit 2G.“ Tatsächlich freuten sich die Kunden sogar über die persönliche Begrüßung. Diese Einschätzung teilt auch Jörg Hamel, Geschäftsführer des Handelsverbands in der Region Köln, Aachen und Düren. „Auch wenn die Kritik groß war, hat die 2G-Regel vor Weihnachten ganz gut funktioniert“, sagt er. „Am Anfang gab es noch einige Kunden, die sich beschwert haben. Aber insgesamt läuft es reibungslos.“ Hamel weist jedoch auf den finanziellen Aufwand für Geschäfte hin, die extra Personal für die Kontrollen einstellten. „Gerade große Unternehmen berichten, dass sie hier extrem viel Geld reinstecken.“

Preise im Einkauf stark gestiegen

Und worauf kommt es für den Handel nun an? Ein Schlagwort fällt immer wieder: mehr „Normalität“. „Wir brauchen das Gefühl, uns wieder frei bewegen zu können“, sagt Hamel. Im Januar liefen die Geschäfte ohnehin traditionell verhalten, in diesem Jahr sei die Lage aber besonders schlecht. „Es gibt derzeit kein anderes Thema mehr als Corona“, klagt Bernert. Dabei ist die Pandemie nicht einmal das einzige Problem des Einzelhandels. Hinzu kommen Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen. Während Bernert Ersteres nicht spürt, macht ihm Letzteres durchaus zu schaffen. Auf den Messen seien die Preise im Einkauf um zehn bis 20 Prozent gestiegen. Dabei spielen zum Beispiel die stark gestiegenen Kosten für den Transport eine Rolle.

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Mit Blick auf den gesamten Einzelhandel zeigt sich derweil eine auf den ersten Blick widersinnige Entwicklung: So sind die Umsätze laut Statistischem Bundesamt 2021 um real 0,7 Prozent auf ein Rekordhoch gestiegen. Das Plus geht allerdings vor allem auf den boomenden Online-Handel zurück.

„Teile des stationären Einzelhandels, etwa der Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren, mussten auch im zweiten Jahr der Corona-Krise Umsatzeinbußen hinnehmen.“ Zum Jahresende kamen hier noch erschwerend die Lieferschwierigkeiten sowie die Einführung der 2G-Regel hinzu. Von November auf Dezember sanken die Umsätze real um 5,5 Prozent.