Köln – Seit dem von Wladimir Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine haben sich immer mehr westliche Unternehmen gegen das Geschäft in Russland entschieden. Einige Firmen schrauben ihre Aktivitäten herunter, andere legen sie temporär auf Eis und wieder andere ziehen sich komplett aus dem Land zurück.
Unterdessen droht Russland nun mit der Verstaatlichung von zurückgelassenen Betrieben und Produktionsstätten. Die Regierung arbeite daher an Schritten, eine Insolvenz der Unternehmen und anschließend eine Nationalisierung des Besitzers in die Wege zu leiten, so der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates und ehemalige Präsident Dmitri Medwedew. Ziel sei es, Arbeitsplätze zu schützen. Bislang hat diese Drohung aber noch zu keiner Kehrtwende bei den westlichen Unternehmen geführt, die sich zurückgezogen haben. Ein Überblick.
Automobilbranche
BMW hat sowohl den Export seiner Autos nach Russland gestoppt als auch die Produktion in seinen Werken vor Ort beendet. Auch Volkswagen hat den Export gestoppt und die Produktion in den Werken Kaluga und Nischni Nowgorod pausiert. Selbst fertiggestellte Fahrzeuge sollen demnach nicht mehr zu Händlern ausgeliefert werden.
Auch Ford hat sein Geschäft ausgesetzt. Mit dem russischen Joint-Venture-Partner Sollers stellt das Unternehmen neben dem Kleintransporter Transit den Aurus Senat her, ein von Putin gefordertes und subventioniertes Luxusauto.
Die Mercedes-Benz Group hat den Export und die lokale Fertigung beendet und will zudem seine 15-prozentige Beteiligung am russischen Fahrzeughersteller Kamaz veräußern. Auch Daimler Truck, das bis vor kurzem noch zu Mercedes gehörte, will nicht mehr mit Kamaz zusammenarbeiten und stellt sämtliche Geschäftsaktivitäten in Russland ein.
Weiterhin haben folgende Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten in Russland eingestellt: Volvo Cars, General Motors (GM), Harley Davidson, Ferrari, Continental, Nokian Tyres, Jaguar Land Rover und Aston Martin. Wegen potenzieller Lieferprobleme bedingt durch Sanktionen haben sich auch Renault und Toyota angeschlossen.
Mitsubishi erwägt noch das Aussetzen des Geschäfts; beim Autokonzern Stellantis (Citroen, Fiat, Opel, Peugeot) hat sich bislang noch nichts getan.
Essen und Trinken
McDonald’s, Starbucks und Coca-Cola stellen vorerst ihr Geschäft in Russland ein; die Aktivitäten zumindest stark einschränken will Pepsi. Auch Danone beschränkt den Vertrieb seiner Produkte, lediglich frische Milchprodukte und Säuglingsnahrung sollen weiter verkauft werden. Mit Heineken hat außerdem die zweitgrößte Brauerei der Welt sowohl Produktion als auch Verkauf ihrer Marken in Russland beendet. Die Schweizer von Lindt & Sprüngli setzen das Geschäft ebenfalls aus.
Der Goldbären-Hersteller Haribo versucht, Geflüchtete aus der Ukraine mit Transportmöglichkeiten und Unterkünften zu unterstützen. „Bis auf Weiteres stellen wir keine Ware für den russischen Markt her“, sagte ein Sprecher des Unternehmens dieser Zeitung. Auch die Hürther Süßigkeitenverpackungsmaschinenfirma Rasch setzt ihr Geschäft vollständig aus.
Handel und Konsum
Mehrere Handelsmarken wie Rewe und seine Tochter Penny, Netto Nord und Aldi wollen keine in Russland hergestellten Produkte mehr verkaufen.
Auch der Möbelkonzern Ikea stoppt seine Im- und Exporte in und nach Russland und Belarus. Auch die Produktion setzen die Schweden aus – betroffen sind 15.000 Angestellte. Die Baumarkt-Kette Obi stellt ihr Russland-Geschäft mit 27 Baumärkten vollständig ein.
Die Zusammenarbeit mit dem Russischen Fußballverband beendet hat Adidas; Läden und Onlinegeschäft wurden geschlossen, ebenso haben es Mitbewerber Nike und Puma getan.
Beendet haben ihre Aktivitäten auch Levi Strauss, Hugo Boss sowie die schwedischen Unternehmen Electrolux und H&M. Auch Luxusmarken ziehen sich zurück, wie zum Beispiel Hermès, LVMH (Louis Vuitton, Moet & Chandon, Dior), Kering und Prada.
Henkel (Persil, Schwarzkopf, Pritt) stoppt sämtliche geplante Investitionen, Werbung und Sponsoring sollen eingestellt werden – Alltagsprodukte aus den Bereichen Haushalt und Körperpflege will das Unternehmen aber weiter liefern. Ähnlich macht es der US-Konzern Procter & Gamble (Gillette, Pampers, Oral B), der sein Angebot deutlich reduzieren will.
Digitales und Medien
Der US-Technologiekonzern Apple verkauft keine Produkte mehr in Russland, der Bezahldienst Apple Pay und andere Dienste wurden eingeschränkt. Mitbewerber Microsoft stoppt ebenfalls den Verkauf seiner Produkte und will der Ukraine bei der Abwehr von Cyberangriffen helfen. Zudem entfernt das Unternehmen Apps von russischen staatlichen Medien wie RT aus seinen App Stores. Ähnlich macht es Google, das besagte Apps entfernt und Kanäle von RT und Sputnik unter anderem auf YouTube blockiert. Außerdem stoppt Google sein Werbeanzeigen-Geschäft in Russland.
Der Computerspiele-Hersteller Electronic Arts (EA) entfernte die russische Nationalmannschaft und alle weiteren russischen Fußballvereine aus seinen Spielen Fifa 22, Fifa Mobile und Fifa Online. Auch Sony stellt die Lieferung seiner Konsole Playstation 5 nach Russland ein, der neue Teil des Spiels „Gran Turismo“ wird nicht erscheinen und auch der Online-Store geschlossen. Nintendo hingegen hält sich zurück, stoppt aber zumindest den Versand seiner Produkte nach Russland.
Keine Filmstarts mehr gibt es von den Hollywood-Studios Warner Brothers, Sony Pictures und Disney. Letzterer hatte zuletzt angekündigt, auch seine Fernsehsender, TV-Inhalte, Kreuzfahrten und die Magazinmarke „National Geographic“ einzustellen. Mit Universal beendet das größte Musiklabel der Welt sein Geschäft in Russland. Video-Streaminganbieter Netflix stellt ebenfalls seinen Betrieb ein, spätestens mit der nächsten Zahlung können Kunden nicht mehr zuschauen. Auch Amazons Streamingdienst Prime Video wird gesperrt, generell beliefert der Onlinehändler keine Privatkunden in Russland und Belarus mehr. Auch das Neugeschäft auf seinem Online-Marktplatz und die Cloud-Plattform AWS werden für Neukunden geschlossen.
Neue Videos und Live-Streams unterbindet die gerade bei Jugendlichen beliebte App TikTok. Der Messengerdienst soll allerdings nicht davon betroffen sein.
Auch zurückgezogen haben sich Dell, Samsung, Airbnb, SAP, Oracle, Intel, Ericsson und Nokia.
Energie
Der britische Energiekonzern BP hielt bislang rund 20 Prozent am russischen Ölkonzern Rosneft, die er nun veräußern will. Der Mitbewerber Shell hat sämtliche Tankstellen in Russland geschlossen und will kein Erdöl und Gas mehr aus Russland kaufen, bestehende Verträge sollen auslaufen und gemeinsame Projekte mit Gazprom beendet werden. Gleiches gilt für den US-Konzern ExxonMobil, Total aus Frankreich und Equinor aus Norwegen. OMV aus Österreich wollte sich an einem Gasfeldprojekt von Gazprom beteiligen, davon sieht das Unternehmen nun ab. Auch der Energiekonzern Uniper will nicht mehr in Russland investieren, ebenso wie Orsted, ENI, Wintershall Dea und Fortum.
Industrie
Neugeschäfte in Russland wollen Siemens Energy und der ehemalige Mutterkonzern Siemens einstellen. Letzterer stellt zudem Lieferungen in das Land ein, Service- und Wartungsarbeiten sollen aber fortgesetzt werden.
Knorr-Bremse, das Lkw- und Zugbremsen herstellt, beendet das Gemeinschaftsunternehmen mit Kamaz und stoppt Exporte nach Russland – da nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese für militärische Zwecke eingesetzt würden. Auch zurückziehen werden sich ABB, Sulzer und Sandvik.
Der Kölner Motorenbauer Deutz hat seine Lieferungen ebenfalls komplett eingestellt. Das Geschäft in Russland und der Ukraine habe zusammen ein Volumen von weniger als 20 Millionen Euro ausgemacht. Geliefert worden seien Motoren, zudem habe es ein Servicegeschäft gegeben. Ware vor Ort werde noch abverkauft, sagt Sprecher Christian Ludwig. Neugeschäft gebe es keines mehr.
Finanzen
Die drei weltgrößten Kreditkartenanbieter Visa, Mastercard und American Express beenden ihre Aktivitäten in Russland: von russischen Banken ausgestellte Karten funktionieren nur noch im Land selbst, ausländische Karten funktionieren gar nicht mehr. Auch der Zahlungsdienstleister PayPal stoppt sämtliche Dienste in dem Land.
Die Wirtschaftsprüfer KPMG und PwC verabschieden sich vollständig von ihrem Russland-Geschäft, bisherige Mitgliedsunternehmen würden aus den globalen Verbünden ausscheiden. Nicht mehr in Russland investieren wollen die Fondsgesellschaft DWS und Union Investment, alle Geschäfte stoppen wollen die US-Ratingagentur Fitch und die Bank Nordea. HSBC will zumindest die Zusammenarbeit mit russischen Banken zurückfahren.
Logistik
UPS, FedEx, die Deutsche-Post-Tochter DHL und die Deutsche-Bahn-Tochter DB Schenker liefern keine Sendungen mehr nach Russland. Die dänische Reederei Maersk stoppt Container-Schifffahrten nach Russland und auch Hapag-Lloyd fährt zunächst nicht mehr in das Land sowie in die Ukraine. Die Schweizer von Kühne + Nagel liefern nur noch Pharma-, Gesundheits- und humanitäre Transporte.
Luftfahrt
Wegen der Beschränkung des Luftraums fliegt die Lufthansa Russland nicht mehr an, die Technik-Tochter hat zudem sämtliche Service-Leistungen eingestellt. Auch die Flugzeughersteller Airbus, Boeing und Bombardier stellen ihre Lieferungen an russische Fluggesellschaften ein. Die Zusammenarbeit mit dem Land stoppen der Flugzeugleaser Aercap Holdings und die Buchungssystemanbieter Sabre und Amadeus IT Group. Der Flughafenbetreiber Fraport lässt seine Aktivitäten in St. Petersburg ruhen.