AboAbonnieren

Hilferuf an OB RekerSo geht es Kölsch-Brauereien in der Pandemie

Lesezeit 3 Minuten
Köbes mit Kölsch

Ein Köbes trägt im Brauhaus Früh am Dom Kölsch.

Köln – Mit einem Hilferuf an die Stadt Köln reagieren die Kölner Brauereien auf ihre besonders missliche Lage in der Corona-Pandemie. Sie haben sich mit einem Brief an Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewandt. Der Brief liegt der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor.

Darin heißt es wörtlich: „Es sind viele Arbeitsplätze im Gastronomiebereich in Köln bedroht. Köln ist Bierhauptstadt Deutschlands mit den meisten Brauereien und mit einer besonders geschützten geografischen Spezialität.“

Kölner Firmen haben doppeltes Dilemma

Das Dilemma der Kölner Brauer ist ein doppeltes. Firmen, deren Umsatz um 80 Prozent eingebrochen ist, erhalten Hilfen. Diese Regel greift aber nicht: „Die 80 Prozent Umsatzrückgang, die ebenfalls Hilfen rechtfertigen müssen, erreichen unsere Mitgliedsbetriebe nicht, da wir noch einen Teil unseres Absatzes mit Flaschenbier im Handel erzielen, der die Umsatzeinbußen in der Gastronomie jedoch bei Weitem nicht kompensieren kann“, sagt Christian Kerner, Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbandes

Alles zum Thema Henriette Reker

Die zweite Hälfte des Doppel-Problems: „Unsere Betriebe werden bezüglich der Corona-Finanzhilfen gesamtheitlich mit der Brauerei betrachtet. Das führt dazu, dass zwischen Brauerei und Gastronomie nicht getrennt wird. Unseren Brauhäusern werden so die wirtschaftlichen Hilfen für das gastronomische Gewerbe verwehrt“, sagt Kerner. Dass es keinen Ausgleich für das komplett zum Erliegen gekommene gastronomische Geschäft gibt, sei nicht zu verstehen und entspreche in keiner Weise dem Gleichheitsgrundsatz, so der Geschäftsführer.

Sonderregelung für andere Handwerksbetriebe

In einem ähnlichen Dilemma steckten bis vor kurzem auch andere Handwerksbetriebe. „Die Bäckerei- und Metzgereibetriebe mit angeschlossenen Bäckerei-Cafés oder Imbiss haben inzwischen eine Sonderregelung erfahren und gelten als direkt betroffen“, heißt es in dem Brief weiter. „Warum hier eine ungleiche Behandlung für die Gastronomiebetriebe vorliegt, ist uns nicht ersichtlich“, sagt Kerner.

Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ reagiert Reker auf das Schreiben der Brauer. „Ich denke derzeit insbesondere an die Gastronomiebetriebe und Brauhäuser, die bisher noch durch das Raster der Entschädigung fallen. Ich werde mich bei der Landesregierung für zusätzliche Hilfen einsetzen. Die kölsche Brauhaus-Kultur darf nicht verschwinden“, sagte Reker.

Schützenhilfe von der Handwerkskammer

Schützenhilfe kommt auch aus dem organisierten Handwerk in Köln. „Die Unterstützung der Oberbürgermeisterin freut uns. Das ist ein wichtiges Signal für die Brauer und Mälzer unserer Stadt“, sagte auf Anfrage der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln, Garrelt Duin. Das Lebensmittelhandwerk habe in den vergangenen Monaten gezeigt, wie verlässlich es ist. „Das müssen alle politisch Verantwortlichen nicht nur mit Worten wertschätzen, sondern sie müssen endlich dafür sorgen, dass Hilfen umgehend auf den Konten unserer Mitgliedsbetriebe landen“, so Duin weiter.

Laut vorläufigen Zahlen des Brauerei-Verbandes ist der Absatz beim Kölsch 2020 um 20 Prozent gesunken. Das ist hauptsächlich auf den Fassbierverkauf zurückzuführen, weil die Brauereien und Gaststätten nun zum zweiten Mal binnen zwölf Monaten geschlossen sind. Für das laufende Jahr erwartet Christian Kerner sogar einen Rückgang um 30 Prozent, weil die umsatzstärksten Monate – also das Karnevalsgeschäft – komplett wegbrechen.

Flaschen-Verkäufe nicht ausreichend

Ein Beispiel für die Betroffenheit ist die Brauerei Gaffel. „Heute wäre Prinzenproklamation und volles Haus. Es nun leer stehen zu sehen, verursacht ein Ohnmachtsgefühl“, sagt Marketing-Geschäftsführer Thomas Deloy. 60 Prozent des Absatzes mache Gaffel in der Gastronomie. Das Plus beim Flaschenbierverkauf könne die Null in den Brauhäusern, insbesondere dem großen am Dom, nicht ansatzweise wettmachen.

Das könnte Sie auch interessieren:

In einem kuriosen und teuren Konflikt stecken viele kleinere Gaststätten. Bei denen, die in Hoffnung auf ein baldiges Ende des Lockdowns Fassbier geordert haben, droht ein Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums. „Dann muss das Bier verschenkt oder weggeschüttet werden, verkauft werden darf es nicht“, so Verbandschef Kerner.

Ungeahnten Beistand bekommen die Brauhäuser von Audi-Vorstand Markus Duesmann. Der sagte diese Woche: „Die Autoindustrie weiter zu fördern hielte ich für vermessen, tragisch dagegen ist die Lage in der Gastronomie.“