Aufgrund der Corona-Krise findet die diesjährige Gamescom ausschließlich digital statt.
Im Interview erzählt Messechef Gerald Böse, wieso das Gemeinschaftsgefühl der Gamescom sich nur bedingt ins Netz übertragen lässt – und wieso sie dennoch ein Vorbild für weitere Messen sein wird.
Außerdem spricht er über neue Konzepte der Koelnmesse.
Herr Böse, die Gamescom lebt von der Stimmung vor Ort, vom Ausprobieren. Wie wollen Sie das digital auffangen?
Das lässt sich nicht auffangen. Die Gamescom ist ein hochemotionales Veranstaltungsformat, das von der Vielfalt und Buntheit der Besucher und Aussteller getragen wird – dieses Gemeinschaftsgefühl lässt sich nur bedingt ins Netz übertragen.
Aber wir können unseren Besuchern und Ausstellern die Möglichkeit geben, in völlig neuen Formaten zu interagieren. Im Corona-Jahr halten wir die Gamescom am Leben und erschließen neue Zielgruppen – vor allem im Ausland. Wir werden von der Gamescom viel für andere Messen lernen.
Weil Sie künftig auf hybride Modelle setzen wollen.
Genau. Wir haben mit der Gamescom und der Demexco zwei Speerspitzen der Digitalisierung in der Messebranche, über die wir vieles ausprobieren werden. Wir werden lernen, was für die jeweiligen Zielgruppen interessant, was monetarisierbar ist.
Jede Messe hat einen ganz unterschiedlichen digitalen Reifegrad. Die Eisenwarenmesse unterscheidet sich von der Gamescom. Das macht es für uns so anspruchsvoll, für jede Branche einen digitalen Maßanzug zu schneidern. Bislang haben wir Quadratmeter und Tickets verkauft – jetzt werden wir zunehmend auch zu Werbevermarktern und setzen auf digitale Reichweite als wesentlichen Erfolgsfaktor unserer Messen.
Machen Sie sich damit nicht selbst Konkurrenz?
Das mache ich lieber selbst, als dass es andere machen. Auf die Idee, solche Angebote zu bündeln, wären auch andere gekommen. Fakt ist, dass die digitalen Inhalte nicht die physische Messe ersetzen, sondern bereichern sollen. Die Messe ist dabei der jährliche emotionale Höhepunkt einer Branche zum Networken – und die digitalen Angebote davor, währenddessen und danach sind eine zusätzliche Kommunikationsplattform.
Werden Sie mit dieser Gamescom Geld verdienen?
Mit der ersten digitalen Gamescom 2020 nicht, nein. Aber die Erlöse tragen schon substanziell zu den Investitionen bei. Das gibt uns die Zuversicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber das Ganze ist nicht zu vergleichen mit der physischen Gamescom. Dieses Jahr zählt für uns der Lerneffekt.
Wir haben nach dem Lockdown im April drei mögliche Szenarien für das Jahr 2020 entwickelt. Nun ist die schlechteste Prognose – der Wegfall fast aller Messen bis Jahresende – Realität geworden. Wir rechnen mit einem Ergebnis im dreistelligen Millionenminus. Das ist für die Kölnmesse eine nie dagewesene Situation. Auf das Rekordjahr folgt das schlechteste der Unternehmensgeschichte.
Wann werden Sie die Folgen der Krise überwunden haben?
Ich glaube, dass die Veranstaltungsbranche die Folgen bis ins Jahr 2023, 2024 spüren wird – vorausgesetzt, wir finden in den kommenden 12 Monaten einen Impfstoff. Ich glaube aber auch, dass wir in den kommenden Jahren die Weichen dafür stellen werden, die Koelnmesse erfolgreich in die nächsten Jahrzehnte zu führen.
Deshalb treiben wir unser wichtigstes Investitionsvorhaben, das Confex, weiter voran. Die neue Messe- und Kongresshalle wird neue Formate nach Köln bringen. Die Krise lehrt uns, dass das Zusammenwachsen von Konferenzen, Messen und digitalem Angebot an Bedeutung gewinnen wird.