AboAbonnieren

Manager Kley zu Gasmangel„Im schlimmsten Fall sollen die Menschen frieren“

Lesezeit 3 Minuten
Kley Bucco

Karl-Ludwig Kley 2021 bei einer Mitgliederversammlung des 1. FC Köln

Köln – Der einflussreiche deutsche Aufsichtsrat Karl-Ludwig Kley fordert von der Politik einen Vorrang für die Wirtschaft, sollte es in Folge des Krieges gegen die Ukraine zu einem Engpass bei den Gaslieferungen kommen. Kley lehnt im Interview mit dem „Manager Magazin“ ein Embargo gegen Russland ab und befürwortet die Politik des schrittweisen Ausstiegs aus der russischen Abhängigkeit.

Der Manager gehörte bis 2006 dem Lufthansa-Vorstand an. Zudem war er in der Geschäftsleitung von Merck tätig und Mitglied im Aufsichtsrat von Bertelsmann. Beim 1. FC Köln war er bis 2019 Vorsitzender des Beirats. Derzeit ist der 70-Jährige Aufsichtsratschef von Eon und Lufthansa. Er lebt in Köln.

Kley: Man hätte früher auf Nord Stream 2 verzichten sollen

„Wir haben uns kollektiv als Gesellschaft in Russland geirrt“, sagt Kley im Interview. Die Politik, allen voran Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, hätten mit Sicherheit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Man hätte auf das Projekt Nord Stream 2 allerdings schon früher verzichten müssen, räumt Kley ein. Er verwahrt sich jedoch dagegen, allein der Industrie die Verantwortung für Nord Stream 2 zu geben, auch die Endverbraucher hätten die Pipeline wegen der günstigeren Energiekosten zwischenzeitlich befürwortet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kley befürwortete noch 2013 den Ausbau von Gas als Mittel der Stromerzeugung und äußerte sich skeptisch gegenüber dem Ausbau regenerativer Energien. Auch heute noch ist er davon überzeugt, dass Gas noch viele Jahre als Energiequelle gebraucht werde. Daher lehnt er ein Embargo gegen Russland ab, denn dieses „würde unser Land empfindlicher treffen, als viele sich das vorstellen können“. Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck bescheinigt er besonnenes Handeln.

Gasmangel: Kley will Industrie Vorrang vor Privathaushalten einräumen

Kley wendet sich gegen die bislang ausgegebene Devise, dass Privathaushalte im Fall eines Gasmangels Priorität bei der Verteilung haben sollten und zunächst bei der Industrie gespart wird. Kley sagt: „Die Politik sollte sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob sie die Reihenfolge nicht umdreht und erst bei Privaten abschaltet und dann bei der Industrie.“ Die gesamte Volkswirtschaft und damit auch das Einkommen der Bevölkerung hänge davon ab. Ausgenommen werden sollte natürlich die „lebensnotwendige Infrastruktur“ wie Krankenhäuser.

Die Verteilung des Gases regelt im Ernstfall die Bundesnetzagentur, die für die Regulierung und die Wettbewerbsaufsicht beim Gas zuständig ist. Privathaushalte gelten bislang als geschützte Kunden.

Auf die Frage, ob die Menschen also im nächsten Winter frieren sollten, antwortet Kley: „Im schlimmsten Fall, ja“. Schlimmer wäre schließlich der Verlust von Arbeitsplätzen.

Kritische Reaktionen auf Kley-Vorstoß

Die Reaktionen auf die Äußerungen von Karl-Ludwig Kley fallen erwartungsgemäß kritisch aus. Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl schreibt bei Twitter: „Das werden jetzt für die absehbare Zukunft viele Verteilungskämpfe auf die wir uns einstellen müssen. Das Kapital rüstet auf - lieber frierende (und sterbende) Menschen, als Einbußen für Konzerne. Das ist das war Herr Kley sagt.“

WDR-Journalist Jürgen Döschner verweist auf die Mitschuld der Industrie an der Misere:

Twitterer Sascha Döring kommentiert Kleys Einlassungen mit Ironie: „Was heißt denn schon frieren? Die Leute können doch im Winter einfach nach Teneriffa fliegen“, meint er.

Der BUND kommentiert: „Absoluter Tiefpunkt: Fossile Lobby träumt von einer Welt, in der Menschen frieren, damit die Industrie noch mehr #Plastik, #Pestizide und #Düngemittel produzieren kann.“ (cme)