Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will ein Anrecht auf Heimarbeit im Gesetz verankern. Doch der Vorstoß wird von Unternehmen und Wirtschaftsforschern kritisch betrachtet.
Während die einen sagen, die Vorschläge gingen nicht weit genug, argumentieren vor allem arbeitgebernahe Institute mit hohem bürokratischem Aufwand.
Auch die beiden großen Arbeitgeber Ford und Bayer haben auf Anfragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Stellung zur Gesetzesinitiative bezogen. Dabei verweisen sie auch auf Regeln, die bei ihnen bereits seit Jahren gelten.
Köln – Mindestens 24 Tage Homeoffice jedes Jahr für jeden Arbeitnehmer, der das mit seiner Tätigkeit vereinbaren kann. Was Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorschlägt, wäre im vergangenen Jahr wohl noch in vielen Unternehmen einer Revolution gleich gekommen. Aber wie stark würden sich 24 Tage jährlich eigentlich im Alltag auswirken? Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, dass die Folgen für Arbeitnehmer nur gering sind.
So hätten NRW-Beschäftigte unter der Prämisse einer Fünf-Tage-Woche und 30 Urlaubstagen im Jahr 2019 bei insgesamt 220 Arbeitstagen fast jeden neunten Tag am heimischen Arbeitsplatz verbringen dürfen. Auch 2020 hätte sich daran ohne Corona wenig geändert, in diesem Jahr gibt es 224 Arbeitstage.
„Kein gesetzlicher Handlungsbedarf“
Das von Heil angekündigte Gesetz, das Arbeitnehmern nun ein Recht auf Homeoffice gewähren soll, sorgt für sehr unterschiedliche Reaktionen: „Eindeutig zu wenig“, urteilt beispielsweise Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ein Anspruch von einem Tag mobiler Arbeit alle zwei Wochen werde dem Bedürfnis vieler Beschäftigter kaum gerecht.
Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, wiederum sieht überhaupt keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. In der Pandemie habe sich gezeigt, „dass die deutschen Arbeitgeber die notwendige Flexibilität aufbringen, und zwar technisch wie organisatorisch“, sagt Hüther. Heils Vorstoß sei gar als „Eingriff in die Tarifautonomie“ zu werten, schließlich seien „allenfalls die Tarifparteien gefordert“, wenn es um flexible Arbeitszeitmodelle gehe.
IW-Arbeitsmarktexperte Oliver Stettes sagt, Arbeitgeber könnten am besten bewerten, ob ihre Angestellten dazu geeignet sind, die notwendige Eigenverantwortung am heimischen Arbeitsplatz aufzubringen. „Homeoffice funktioniert nur dann gut, wenn beide Seiten davon überzeugt sind, dass es die richtige Lösung ist“, sagt Stettes. Dies aber gegen den Willen des Arbeitgebers womöglich gerichtlich durchzusetzen, sorge für unnötige Konflikte. „Es ist das Kernelement eines Arbeitsverhältnisses, dass der Arbeitgeber entscheidet, wer wann was wo und mit welchen Arbeitsmitteln zu erledigen hat“, sagt Stettes. Beschäftigte könnten bei der Auswahl des Arbeitgebers schon darauf achten, ob die Bedingungen passen oder nicht.
Das will der Kölner DGB-Vorsitzende Witich Roßmann jedoch nicht als gegeben betrachten: „Die Initiative von Arbeitsminister Heil ist ein zwar erstmal ein kleiner vorsichtiger Schritt, aber er ist ein guter Einstieg, das alleinige Direktionsrecht des Arbeitgebers einzuschränken.“ Vor einem zu starken Schub für mobile Arbeit warnt Roßmann jedoch auch: „Wenn in global agierenden Konzernen klar ist, dass viele Arbeiten standortunabhängig erledigt werden können, drohen Verlagerungen von Arbeitskräften in Billiglohnländer.“
Regelungen oft übererfüllt
Beim Blick auf große Unternehmen im Rheinland zeigt sich unterdessen, dass ein gesetzlicher Anspruch auf mobile Arbeit bestehende Regelungen nur ergänzen würde, diese oft aber bereits übererfüllt werden.
„Homeoffice und mobiles Arbeit sind seit langem feste Bestandteile unserer Arbeitskultur“, sagt etwa ein Sprecher des Leverkusener Bayer-Konzerns. Das sei inzwischen sogar in eher untypischen Bereichen etabliert, beispielsweise bei Laborberufen. Betriebliche Regelungen seien bei Bayer bewährte Praxis, sinnvoll und zielführend, so der Sprecher, ein pauschales Recht auf Homeoffice sei aber auch aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands und finanzieller Belastungen nicht im Sinne des Unternehmens.
Auch eine Sprecherin des größten Kölner Arbeitgebers Ford verweist auf bereits vor Corona bestehende Betriebsvereinbarungen für mobiles Arbeiten, die in der Krise deutlich ausgeweitet wurden. „Wir sehen in der Gesetzesinitiative kein Problem“, lautet ihr Fazit. „Mit Blick auf die 24 Tage: Ford begrenzt den Zeitraum schon jetzt nicht.“
Bei der Kölner Messe sei Homeoffice aufgrund einer Betriebsvereinbarung „längst gelebte Praxis“, sagt Unternehmenschef Gerald Böse: „Daher sehen wir aus Arbeitgebersicht den Bedarf nach zusätzlichen gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben nicht.“
„Schon vor der Corona-Krise galt die Regel, dass mobiles Arbeiten nach individuellem Bedarf mit dem Vorgesetzten vereinbart werden kann“, sagt ein Sprecher der Berner Group – Handelsunternehmen für Schrauben, Chemie und Kfz-Teile mit Sitz in Köln. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen rund 2500 Mitarbeiter, etwa die Hälfte davon im Außendienst.