Andreas Feicht spricht über die Gefahren eines Gasmangels im Winter und warum er einen Industriestrompreis für ein falsches Instrument hält.
Rhein-Energie-Chef Andreas Feicht„Wir werden den Strompreis im Januar senken“
Herr Feicht, droht uns im Winter eine Energieknappheit, wie wir sie für die letzte Heizperiode befürchteten?
Feicht: Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht erneut ändern, wird es keine Gasmangellage geben. Vor allem, wenn wir wieder einen milden Winter bekommen, wovon momentan einige ausgehen. Außerdem wurde ja bereits der Betrieb dreier eigentlich bereits stillgelegter Kohlekraftwerke als Reserve im Winter genehmigt.
Eine Knappheit kann aber dann akut werden, wenn die Transportinfrastruktur sabotiert wird. Wie schnell das gehen kann, haben wir ja bei der Pipeline zwischen Finnland und Estland Anfang Oktober gesehen. Auch könnte es mit dem Gas im Winter knapp sein, wenn sich der Nahost-Konflikt ausweitet, indem etwa der Iran in den Krieg einsteigt. Wenn bestimmte Tanker nicht durch die Straße von Hormus fahren können oder durch den Suezkanal. Ein dritter kritischer Punkt ist die mögliche Eskalation des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan.
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Sind die Gasspeicher denn Stand heute ausreichend gefüllt?
Die deutschen Gasspeicher sind Stand heute zu über 98 Prozent gefüllt, besser kann man es nicht machen. Der kritische Punkt bei den Speichern ist erreicht, wenn die Temperaturen sehr steil abfallen und es schnell sehr kalt wird. Wirksam sparen können wir vor allem bei Temperaturen unter zwölf und bis ungefähr drei Grad.
Bei sehr niedrigen Temperaturen muss auch dann ausgespeichert werden, wenn die Leute sparen. Denn der Gasfluss wird benötigt, um ein Einfrieren der Leitungen zu verhindern. In einer solchen Phase wird sehr schnell Gas aus den Speichern verbraucht. Der Nachschub mit verflüssigtem Erdgas ist jedoch viel langsamer. In der Pipeline brauchte das Erdgas aus dem Osten rund 48 Stunden bis zu uns. Eine solche Geschwindigkeit ist beim Flüssiggas schlicht nicht machbar.
Deswegen pocht Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Recht auf zwei weitere LNG-Terminals. Erschwerend kommt hinzu, dass die Belieferung von Russland durch die Ukraine nach Österreich am 31. Dezember vermutlich wegfällt. Was viele aktuell ausblenden: Es sind noch 20 bis 28 Prozent russisches Gas im europäischen Markt. Man kann überhaupt noch nicht sagen, wir seien wirklich unabhängig von russischem Gas. Das ist schlicht falsch.
Andreas Feicht ist seit August 2022 Vorstandsvorsitzender der Rhein-Energie. 1971 in Bogen/Bayern geboren, war von Februar 2019 bis zum Start der neuen Bundesregierung Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Davor war er zwölf Jahre Chef der WSW Wuppertaler Stadtwerke. Ab 2013 engagiert er sich als Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen. Andreas Feicht ist verheiratet und hat eine Tochter. Die Rhein-Energie gehört zu 80 Prozent der Stadt Köln, 20 Prozent hält der Versorger Eon.
Wie entwickeln sich die Strom- und Gaspreise für Endverbraucher bei der Rhein-Energie? Geben Sie die sinkenden Preise an die Verbraucher weiter?
Grundsätzlich werden Strom- und Gaspreise erstmal tendenziell fallen, wir sehen das im Großhandelsmarkt. Beim Gaspreis wird das für den Endverbraucher jetzt aktuell noch keine Auswirkungen haben, da gibt es zwar einige Entlastungen, auf der anderen Seite aber auch Belastungen, etwa durch Netzentgelte. Da müssten wir eigentlich leicht erhöhen, verzichten aber darauf, weil es wieder zu einer ziemlichen Aufstörung führen würde.
Den Strompreis werden wir zum 1. Januar senken, das zweite Mal hintereinander. In der Grundversorgung von 44,91 Cent auf 39,87 Cent je Kilowattstunde, also um 5,04 Cent. Bei den Laufzeitverträgen haben wir einen Preis um die 32 Cent, wenn man für ein Jahr abschließt. Damit fällt der Preis unter die 40-Cent-Marke, bei der die Energiepreisbremse greift; aber nicht auf das Vor-Corona-Niveau. In unserem Netzgebiet wird ein grundversorgter Kunde ab Januar rund elf Euro pro Monat einsparen können.
Wie schätzen Sie die mittelfristige Entwicklung der Energiepreise ein?
Am kritischsten sehe ich das zunächst für Autofahrer und Ölheizungsbesitzer. Es kommt kein russisches Öl mehr durch die Druschba-Pipeline nach Deutschland. Daher sind wir stärker auf arabisches Öl angewiesen. Also hängt auch in dieser Fragestellung wieder alles von der weiteren Entwicklung des Nahostkonflikts ab. Steigt der Öl-Preis, wird sich das in Folge erst auf die Sprit- und Heizölpreise auswirken, dann aber auch für den Gaspreis und in der Folge für den Strompreis Folgen haben.
Wie stehen Sie zum Industriestrompreis, den NRWs Grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur am Samstag im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gefordert hat?
Ich schließe mich zumindest dem Ziel an. Zum aktuellen Strompreis kann die Industrie im Rheinland nicht wirtschaftlich arbeiten und schon gar nicht neu investieren. Ich halte nur das Instrument des subventionierten Industriestrompreises für nicht ideal. Viel besser wäre es, wenn der Staat die Kosten für den dringend notwendigen Netzausbau mitstemmt.
Die Netzentgelte sind nämlich durch den anstehenden Ausbau und die Bereitstellung der Reservekraftwerke jetzt schon belastet. Unterm Strich hätte das für die Industrie auch günstigeren Strom zur Folge. Das muss man sich vorstellen wie bei der Autobahn, die finanziert ja auch der Staat, und stellt sie dann allen zur Verfügung.
Welche Vorteile hätte das von Ihnen vorgeschlagene Modell?
Erstens käme die Preissenkung allen zugute, nicht nur den energieintensiven Betrieben. Zweitens schafft das Planungssicherheit. Drittens bleiben die Anreize zum Stromsparen erhalten. Anders als der Industriestrompreis wäre das keine Brücke, sondern ein dauerhaftes Angebot.
Was tut die Rhein-Energie, um dem Bedürfnis der Industrie und der Bevölkerung im Rheinland nach grüner Energie nachzukommen und dabei die Versorgung zu sichern?
Wir investieren vor allem in den Ausbau der Fernwärme. Und wir bauen unsere Kraftwerke so um, dass sie zukunftsfähig sind, etwa dass sie prinzipiell auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Das ist besser, als bestehende Anlagen nur einfach zu verschrotten.
Wir bauen systematisch unsere Erneuerbare Energieerzeugung aus. Konkret nehmen wir 2024 einen 30 Megawatt-Windpark in Mecklenburg-Vorpommern in Betrieb, der auch sieben Megawatt in einem Speicher puffern kann. Wir haben aktuell 230 MW Kapazität, wollen aber in den kommenden Jahren bis auf 600 Megawatt erhöhen. Unsere Partner in Leverkusen und Monheim wollen gerade Windräder bauen, in Erftstadt werden auch vier entstehen.
Wir selbst sind konkret dabei, unsere 150-Megawatt-Großwärmepumpe zu planen und zu bauen, der Baubeginn soll möglichst im ersten Quartal 2024 erfolgen, der Planer ist seit Juni beauftragt. Das wird das größte Projekt seiner Art in Europa und liefert mit Hilfe des Rheinwassers Wärme für mehr als 30.000 Haushalte, und zwar klimaneutral.
Wie teuer ist der Fernwärme-Ausbau?
Sehr teuer, wir sprechen von Kosten in Höhe von 3.000 bis 5.000 Euro – pro Meter Fernwärmeleitung. Das ist eine Aufgabe, an der wir mit Hochdruck arbeiten, bis 2035 wollen wir unsere jetzige Netzlänge von rund 380 Kilometern um 200 Kilometern verdoppeln. Dekarbonisierung und Infrastrukturausbau etwa auch im Stromnetz werden uns bis 2035 insgesamt rund 3,8 Milliarden Euro kosten.