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Kölner Ford-WerkeWas das Ende der Bürgschaft durch die US-Mutter bedeutet

Lesezeit 5 Minuten
Die Flaggen der USA (l-r), der Ukraine und der Bundesrepublik Deutschland wehen über dem Dach eines Gebäudes der Fordwerke. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sorgen sich um den Industriestandort und zigtausende daran hängende Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.

Die Kölner Ford-Werke am Rhein in Niehl.

Die Schulden der deutschen Ford-Werke werden nicht mehr übernommen. Die Gewerkschaft IG Metall spricht von „miesen Tricks“.

Die US-Konzernmutter wird künftig nicht mehr für ihre deutsche Tochter, die Kölner Ford-Werke, in weitreichendem Umfang bürgen. Dafür gibt es aber frisches Geld und einen Geschäftsplan für die kommenden vier Jahre. Was bedeutet das konkret? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was sehen die jüngsten Pläne bei Ford vor?

Wie die Ford Motor Company am Montagmorgen mitteilte, wird die sogenannte Patronatserklärung aufgehoben. Das ist eine Art Schutzschirm oder Garantie der US-Mutter für ihre deutsche Tochter. Seit 2006 existiert sie dauerhaft. Schon vorher bürgte die US-Mutter weitreichend – allerdings wurde das Abkommen zuvor jährlich erneuert. Im Rahmen der Patronatserklärung hatte die US-Mutter auch alle Verluste übernommen, die in den vergangenen Jahren angefallen waren, und das vor allem im Pkw-Geschäft. Sie belaufen sich auf mindestens 5,8 Milliarden Euro.

Wie genau soll die Finanzierung nun umgestellt werden?

Der Kölner Autobauer bekommt frisches Kapital in Höhe von bis zu 4,4 Milliarden Euro aus den USA. Damit sollen die Schulden der Ford-Werke reduziert werden. Hinzu kommen Mittel für einen mehrjährigen Business-Plan. So sollen nach Informationen dieser Zeitung in einer ersten Tranche 230 Millionen Euro fließen, ab 2026 dann etwa 127 Millionen jährlich. Wie viel es tatsächlich wird, hänge auch davon ab, wie sich die Marktlage entwickelt und ob die Elektromobilität und die Absatzzahlen anziehen, heißt es.

John Lawler, stellvertretender Vorsitzender der Ford Motor Company, betont: „Ford bekennt sich mit der Finanzierung klar zu seinem europäischen Geschäft.“ Und Ford-Geschäftsführer Marcus Wassenberg erläutert, dass Köln nun gleichgestellt sei mit allen anderen Konzerntöchtern. In den Landesgesellschaften sei dieses Verfahren seit Langem üblich. Köln habe da bisher eine absolute Ausnahme dargestellt.

Was bedeutet das konkret?

Deutlich wird, dass die wirtschaftlichen Zügel für Ford Deutschland nun angezogen werden. Dadurch wird Ford Deutschland mehr auf finanzielle Selbstständigkeit getrimmt. Und der Business-Plan setzt laut Insidern ambitionierte Ziele. Der Druck erhöht sich also spürbar. Und damit ist auch klar, dass es zu weiteren Einschnitten kommt. „Um langfristig in Europa erfolgreich zu sein, müssen wir auch weiterhin unsere Strukturen vereinfachen, Kosten senken und die Effizienz steigern“, kündigt US-Manager Lawler an. Dazu soll es ein umfangreiches Maßnahmenpaket geben, zu dem sich das Unternehmen derzeit noch nicht äußern möchte.

Seit Jahren reiht sich bei Ford in Deutschland und Europa ein Sparprogramm an das nächste. Ford hatte im November 2024 eine neue Sparrunde aufgelegt, obwohl die letzte noch gar nicht komplett vollzogen war. Bis Ende 2027 sollen 4000 Jobs in ganz Europa gestrichen werden. Am härtesten betroffen ist der Standort Köln, wo 2900 Stellen wegfallen sollen. Das ist etwa jede vierte Stelle.

Erneut wird es die Produktentwicklung hart treffen. In diesem Kernbereich in Merkenich, wo über Jahrzehnte die Ford-Modelle der Zukunft entwickelt wurden, hat Ford bereits in der Vergangenheit harte Einschnitte vollzogen. So wurden von ursprünglich 4000 Stellen schon 1700 wegrationalisiert. Jetzt sollen noch weitere 600 dazukommen. Ford-Ingenieure bezweifeln, dass weiterhin noch komplette Fahrzeuge oder Antriebsstränge inklusive Batterie oder komplexe Software-Entwicklungen so möglich seien. Mehr Entwicklungsaufgaben sollen zudem in die USA verlagert werden. In Deutschland hat Ford noch rund 15.000 Beschäftigte, knapp 12.000 davon in Köln.

Wo liegen die Ursachen für die Ford-Probleme?

Vor allem im Pkw-Geschäft. Während sich Nutzfahrzeuge gut verkaufen, schwächelt die andere Sparte. Mit langjährigen Modellen wie etwa dem Kölner Fiesta wurde zu wenig Geld verdient. Die Produktion des Kleinwagen-Klassikers wurde 2023 eingestellt. Ford setzte voll auf Elektromobilität und investierte zwei Milliarden Dollar in das Kölner Werk, um die Produktion weg vom Verbrenner komplett auf Elektromobilität umzurüsten.

Allerdings ist der Verkauf von Stromern drastisch eingebrochen, nachdem die staatliche Förderung eingestellt wurde. Das bekommen auch die beiden Kölner E-Modelle Explorer und Capri deutlich zu spüren. Die Verkäufe bleiben bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück. Und ein kleineres, besser verkäufliches Auto ist nicht in Sicht. Deshalb gibt es im Werk seit November 2024 Kurzarbeit. Statt 630 werden in den Produktionswochen nur noch 480 Fahrzeuge pro Tag im Zwei-Schicht-Betrieb gebaut.

Was geschieht, wenn der Geschäftsplan nicht erfüllt werden kann?

Der US-Konzern betont, auch weiterhin an der Seite der deutschen Tochter zu stehen. Die Maßnahme sei aber nötig gewesen, weil die Ford-Werke „technisch überschuldet“ seien. Überschuldung ist im Insolvenzrecht definiert. Sie liegt vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“. Wenn es aber eine positive Fortführungsperspektive gibt, ist eine Insolvenz nicht zwingend. Bislang wurde die Überschuldung laut Unternehmensangaben durch die Patronatserklärung der Ford Motor Company geheilt. So konnte das Unternehmen etwa weitere Kredite erhalten.

Wie reagieren die Arbeitnehmervertreter?

Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka ist alarmiert: „Die Rücknahme des Insolvenzschutzes sorgt in der gesamten Belegschaft für enorme Verunsicherung.“

Die Gewerkschaft IG Metall spricht von einem „ganz dreckigen Griff in die Trickkiste“. Ohne die Patronatserklärung sei eine Insolvenz der Ford Werke GmbH in den nächsten Jahren möglich, wenn die wirtschaftliche Lage sich nicht verbessert und der Mutterkonzern in den USA die Verluste nicht mehr ausgleicht. Das Unternehmen wolle damit den Druck auf die Arbeitnehmer erhöhen, denn bisher sind betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2032 ausgeschlossen.

Um den aktuell geplanten Stellenabbau von 2900 Jobs im Kölner Werk zu erreichen, würde das Unternehmen den Standort nun einer akuten Insolvenzgefahr aussetzen, so die Gewerkschaft. An diesem Mittwoch soll die gesamte Belegschaft zu einer Betriebsversammlung zusammenkommen.