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US-Konzerne streichen ProgrammeWar es das jetzt auch hier mit Diversität?

Lesezeit 4 Minuten
Donald Trump unterzeichnet am Schreibtisch ein Dekret.

Mit zahlreichen Dekreten will Donald Trump die US-Wirtschaft umbauen. 

Amazon, Google und Walmart haben ihre Diversitätsinitiativen auf Eis gelegt, viele andere ziehen nach. Auch in Köln spüren US-Konzerne den Druck der Trump-Regierung.

Donald Trump kann es gar nicht schnell genug gehen, die Wirtschaft seines Landes umzubauen. Waren aus dem Ausland, erneuerbare Energien, hohe Steuern – all das lähmt die US-Wirtschaft, meint er. An seinem ersten Tag im Amt unterzeichnete er also dutzende Dekrete, mit denen er die Wirtschaft neu aufstellen will. Auch Diversität ist ihm ein Dorn im Auge: Bis 17 Uhr am Folgetag hatten US-Regierungsbehörden Zeit, ihre „radikalen und verschwenderischen Diversitätsprogramme“ einzustellen und sämtliche Mitarbeiter freizustellen. „Unser Land basiert nun wieder auf Leistung“, sagte Trump, die geöffnete Mappe mit dem gerade unterzeichneten Dekret in der Hand. „Könnt ihr das glauben?“

Je vielfältiger, desto erfolgreicher? Nicht unter Trump

Glauben können es vor allem auf dieser Seite des Atlantiks nur wenige Firmen. Jahrelang lautete das Credo in Personalabteilungen: je vielfältiger ein Unternehmen, desto erfolgreicher. Beratungsgesellschaften, Organisationen und Verbände belegen in immer neuen Umfragen und Studien, was es wirtschaftlich bringt, wenn Teams nicht nur aus mittelalten Männern mit Vornamen wie Stefan oder Christian bestehen, die ein BWL-Diplom in der Tasche haben. In der Diskussion um Vielfalt geht es darum, einen bunten Mix aus verschiedenen Geschlechtern, Bildungshintergründen, Kulturen zu schaffen. Darum, dass Menschen mit Behinderung und Einschränkungen Teil der Arbeitswelt sind.   

So definiert es beispielsweise der Verein „Charta der Vielfalt“, der sich seit 2006 für eine diversere Arbeitswelt einsetzt. Seither haben sich nach Angaben des Vereins rund 6000 Unternehmen und Institutionen hierzulande verpflichtet, Vielfalt fördern und nutzen zu wollen. Auch die großen Konzerne der Region sind dabei, darunter beispielsweise die Rewe-Gruppe, die Telekom und Eon.

Dieses Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus nennt man auf neudeutsch „woke“. Für Trump ist es vor allem ein Schimpfwort – und: schlecht für die Wirtschaft. Er und andere Republikaner haben Inklusionsprogramme immer wieder als Steuerverschwendung kritisiert, da sie Spaltungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht überwinden, sondern verstärken würden. Und: Wer beispielsweise Frauen aus dem Ausland bei der Einstellung bevorzuge, diskriminiere gleichzeitig deutsche Männer.

US-Konzerne in NRW halten sich bedeckt

Obwohl Trumps Dekret erst einmal nur für Regierungsorganisationen gilt, schauen vor allem konservative Generalstaatsanwälte genau hin. Der Texaner Ken Paxton beispielsweise hat namhafte Finanzkonzerne wie Goldman Sachs, JPMorgan Chase und Bank of America in einem Schreiben davor gewarnt, dass sie möglicherweise gegen ihre gesetzlichen, vertraglichen und treuhänderischen Verpflichtungen verstoßen, wenn sie sich weiter für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion einsetzen. Wer also künftig darauf achtet, einen gewissen Prozentsatz freier Stellen mit Menschen anderer Nationalitäten, mit behinderten Menschen oder Frauen zu besetzen, könnte Probleme bekommen. 

In Nordrhein-Westfalen gibt es Standorte von 1700 US-Unternehmen, in Köln etwa der Autobauer Ford, der Technologieriese Microsoft und ein Abfüllwerk von Coca-Cola. Eindeutig positionieren will sich keiner der vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ befragten Konzerne. Coca-Cola „kann die Anfrage derzeit nicht kommentieren“, auch Ford schickte ein eher generisches Statement: „Ford bleibt entschlossen, ein respektvolles und integratives Arbeitsumfeld für seine gesamte Belegschaft voranzutreiben. Wir haben unsere Richtlinien und Prozesse dahingehend untersucht, wie sie mit unseren Werten und Geschäftszielen im Einklang stehen. Wir legen großen Wert darauf, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die unterschiedliche Perspektiven, Denkweisen und Lebenserfahrungen nutzen, um die besten Produkte und Dienstleistungen für unsere Kunden zu entwickeln“, sagt Volker Ehrentraut, Diversity Manager der Ford-Werke in Köln.

Tech-Firmen sind unter Zugzwang

Vor allem die Tech-Firmen, die derzeit deutlich in Trumps Gunst stehen und deren Chefs bei der Amtseinführung weit vorne sitzen durften, machen eine Rolle rückwärts in Sachen Vielfalt. Mark Zuckerberg beispielsweise hat gerade ein Programm gestrichen, das beim Facebook-Konzern Meta die Präsenz von Frauen, Schwarzen, Latinos und Menschen mit Behinderung stärken sollte. Auch Jeff Bezos von Amazon fährt seine Anstrengungen zurück, zum Jahresende lief Berichten zufolge ein „veraltetes“ Inklusionsprogramm aus. 

Microsoft-Chef Satya Nadella stärkte Trump bei dessen Amtseinführung indes nicht den Rücken, sondern nahm am Weltwirtschaftsforum in Davos teil. In Sachen Diversitätsstrategie hält sich der Konzern aktuell bedeckt, auch in der Kölner Niederlassung des Techgiganten darf man nichts sagen. Insider halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass Microsoft die Zeit zurückdreht: In der Zentrale in Redmond arbeiten hunderte behinderte Menschen, die unter anderem Essen ausgeben und die Shuttle-Fahrzeuge betanken. Für die Spielekonsole Xbox wurden Spiele-Controller entwickelt, die so designt sind, dass etwa gelähmte Menschen sie über große programmierbare Tasten und Knöpfe bedienen können.

Dass Microsoft so stark auf Inklusion setzt, liegt auch daran, dass Nadellas Sohn Zain seit seiner Geburt eine Zerebralparese hatte, eine Hirnschädigung, die Nerven und Motorik stört. Vor zwei Jahren ist er im Alter von 26 Jahren gestorben. Und so bleibt Nadella und anderen Vielfalts-Verfechtern wohl nur, im Auge des Sturms auszuharren - und zu hoffen, dass sich Donald Trump bald an anderen Punkten abarbeitet.