Im Wahlkampf war die Versorgung mit schnellem Internet allenfalls ein Randthema. Gibt es also noch immer Aufholbedarf beim Netzausbau? Und wenn ja: wo hakt es?
Netzausbau, Glasfaser und Co.Internetversorgung in Deutschland: Wie es wirklich aussieht
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Aus dem Sockel eines Schaltschranks ragen Glasfaserkabel heraus. (Symbolbild)
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Die Versorgung mit schnellem Internet stand im Bundestagswahlkampf nicht gerade im Fokus der Debatten. Nur gelegentlich wurde der Ausbau der digitalen Infrastruktur gestreift, etwa wenn es um das Trend-Thema Künstliche Intelligenz ging - dann jedoch bestimmten wieder andere Themen die Wahlarenen.
Im Wahlkampf 2021 war das noch anders. Damals fuhren die Parteien in ihren Programmen große Digitalisierungspläne auf - und das nicht ohne Grund: Nach 16 Jahren Merkel-Regierung bemängelten Bürger und Digitalexperten landauf landab die schlechte Internetversorgung. Unter den Straßen wurden noch bis vor wenigen Jahren veraltete Kupferkabel verlegt - und insbesondere auf dem Land war schnelles Internet häufig gar nicht existent.
Internetversorgung in Deutschland: SPD, Gründe und FDP riefen ihre sogenannte „Gigabitstrategie“ aus
Die Situation beim Mobilfunk sah nicht besser aus: 2018 beauftragten die Grünen im Bundestag eine Untersuchung, die ergab: In Deutschland surfen Bürgerinnen und Bürger über das mobile Netz langsamer als in Albanien. Und die damals regierende große Koalition sah wenig Anlass, daran etwas zu ändern. Die damalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) behauptete einmal gar, den neuesten Mobilfunkstandard 5G brauche es „nicht an jeder Milchkanne“.
Unter der Ampelregierung waren die Pläne beim Netzausbau dann ambitionierter. Anfang 2023 riefen SPD, Grüne und FDP ihre sogenannte „Gigabitstrategie“ aus. Das Ziel: Bis 2030 soll es flächendeckend moderne Glasfaseranschlüsse bis ins Haus und den neuesten Mobilfunkstandart überall dort geben, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind.
Das vorläufige Ziel: Bis Ende 2025 soll sich die Zahl der Glasfaseranschlüsse verdreifachen, im Mobilfunk soll bis möglichst 2026 eine flächendeckende unterbrechungsfreie Sprach- und Datenkommunikation erreicht sein.
Die Frage ist nur: Haben sich die Bemühungen der vergangenen Jahre gelohnt? Und wie steht Deutschland kurz vor dem Regierungswechsel bei der Internetversorgung da?
Internetversorgung: Deutschland hängt im weltweiten Vergleich immer noch hinterher
Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland im weltweiten Vergleich noch immer hinterherhinkt. Im aktuellen „Speed Global Index“ des Speedtest-Unternehmens Ookla etwa liegt Deutschland bei den Internetgeschwindigkeiten aktuell auf Platz 56 von 152 Ländern - und damit weit hinter mehreren europäischen Nachbarn. Das Ranking ist nicht repräsentativ, wird jedoch monatlich aus den Nutzerabfragen der Seite speedtest.net ausgewertet, einer prominenten Website zum Test von Internetgeschwindigkeiten.
Zum Vergleich: Beim Breitbandinternet hat Singapur aktuell die Nase vorn und kommt im Schnitt auf 336,45 Megabit pro Sekunde. Es folgen die Vereinigten Arabischen Emirate und Hongkong. Auf Platz vier findet sich mit Frankreich das erste EU-Land - das deutsche Nachbarland kommt auf 287,44 Megabit pro Sekunde. Auf Platz fünf folgt Island mit 281,95. Ebenfalls auf den höheren Rängen: Dänemark (Platz acht), Spanien (Platz neun), die Schweiz (Platz zehn), Rumänien (Platz 11), Ungarn (Platz 18) und Portugal (Platz 20). Deutschland kommt im Schnitt nur auf 94,78 Mbps.
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Ein Techniker der Deutschen Telekom führt an einem Mobilfunkmast eine Reparturarbeit an einer aktiven 5G-Antenne (3,6 Ghz) durch. Deutschland schneidet beim weltweiten Vergleich des mobilen Internets nicht allzu gut ab.
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Die Liste beim mobilen Internet ist etwas anders gemischt. Hier sichern sich die Vereinigten Arabischen Emirate mit 545,94 Mbps Platz 1, gefolgt von Katar und Kuwait. Aber auch beim schnelle Mobilfunk stehen viele EU-Länder auf höheren Plätzen des Rankings, etwa Bulgarien (Platz vier), Dänemark (Platz acht), die Niederlande (Platz 13), Norwegen (Platz 15), Luxemburg (Platz 19) und Finnland (Platz 20). Deutschland kommt beim mobilen Internet gerade einmal auf 68,91 Mbps und steht hier ebenfalls auf Platz 56.
Im vergangenen Frühjahr zeigte auch auch eine Umfrage der Beratungsfirma Deloitte, dass nur etwa 27 Prozent von 2000 Befragten in Deutschland mit einer Bandbreite von mindestens 250 Megabit pro Sekunde surfen. Damit sei Deutschland das Schlusslicht bei der Geschwindigkeit privater Internetverbindungen. Beim Spitzenreiter Spanien war der Anteil mehr als doppelt so hoch.
Die Branche selbst beunruhigen diese Zahlen weniger. Hier herrscht der Grundtenor: Das deutsche Internet ist besser als sein Ruf - und beim Ausbau komme man gut voran. Frederic Ufer, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) hebt insbesondere den guten Ausbau des 5G-Netzes hervor. Ufers Verband gehören rund 160 Unternehmen an, die alle in Konkurrenz zum ehemaligen Monopolisten Deutsche Telekom stehen.
„5G ist nahezu in allen Haushalten und im Großteil der Fläche Deutschlands verfügbar. Bis zu einer Vollversorgung mit 5G fehlen noch wenige Prozentpunkte in schwer zu erschließenden entlegenen Regionen und entlang einiger Verkehrswege“, sagt Ufer dem RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) auf Anfrage. Auch beim Glasfaser-Ausbau hätten die Unternehmen in den vergangenen Jahren „eine enorme Aufholjagd gestartet und Glasfaser vor allem auch in den ländlichen Regionen ausgerollt.“
Rankings wie die Speedtest-Statistik würden das Bild verzerren, da unterschiedliche Länder auch unterschiedliche Startvoraussetzungen hätten. Generell sei der Glasfaser-Ausbau in Deutschland erst spät gestartet. Und: „Deutschland hat mehr als 13-mal so viele Einwohner wie Dänemark und fast doppelt so viele Einwohner pro Quadratkilometer Fläche“, sagt Ufer. Bulgarien, das beim 5G besonders gut da steht, habe zwar gut versorgte Städte, jedoch strukturschwache ländliche Gebiete ohne jegliche Versorgung.
Und dennoch gibt es auch aus Sicht des Verbandes noch Probleme beim Ausbau. Bei 5G nennt Ufer insbesondere „zähe und langwierige Genehmigungsverfahren, die den Aufbau neuer Mobilfunkmasten erheblich verzögern“. Der Verband fordert daher, dass der Ausbau von digitalen Infrastrukturen „endlich als überragendes öffentliches Interesse“ anerkannt werde. Zudem brauche es „eine einheitliche Genehmigungsfiktion in allen Bundesländern.“
Größer als beim neuen Mobilfunkstandard 5G seien die Probleme beim Glasfaser-Ausbau - und dafür macht Ufer auch seinen direkten Konkurrenten, die Telekom, verantwortlich. Durch den Konzern würde den Ausbau gar „strategisch behindert und gefährdet“, meint der Verband.
Der Vorwurf: In Kommunen, in denen Wettbewerber Ausbauprojekte geplant oder den Ausbau bereits gestartet haben, überbaue die Telekom die Glasfasernetze ihrer Konkurrenz. Dadurch würden „Projekte der Wettbewerber nachträglich unrentabel gemacht und Investitionen verhindert“, bemängelt der VATM. „Das ist kein zu begrüßender Infrastrukturwettbewerb, sondern die Verteidigung einer dominanten Marktposition mit unfairen Methoden.“
Die Telekom selbst wehrt sich regelmäßig gegen die Vorwürfe. Sprecher Jan Maisack erklärt auf RND-Anfrage: „Tatsächlich gibt es nur in rund zwei bis drei Prozent der Fälle einen echten Doppelausbau – also ein paralleles Verlegen von Glasfaser dort, wo bereits ein anderer Anbieter aktiv ist. Diese Zahl beinhaltet auch die Fälle, in denen die Telekom selbst überbaut wird oder die Wettbewerber sich gegenseitig überbauen.“
Der Überbau ist nur eines von mehreren stetigen Streitthemen zwischen der Telekom und ihren Konkurrenzverbänden. Ein anderer Vorwurf: Der Konzern baue zu oft an Häusern entlang, ohne die Häuser selbst anzuschließen. Dadurch würden Wettbewerber vom Ausbau abgehalten, weil sie sich lieber auf Regionen konzentrierten, wo die Telekom nicht parallel den Ausbau betreibe. Die Telekom selbst argumentiert bei diesem Problem mit den gesetzlichen Vorgaben: Ein Glasfaseranschluss bis ins Haus erfordere die Zustimmung des Grundstücks- und Hauseigentümers. „Ohne diese Genehmigung (...) darf die Telekom keine Leitungen über fremde Grundstücke verlegen.“
„Viele Kommunen brauchen Monate oder sogar Jahre, um Baugenehmigungen für Glasfaserleitungen zu erteilen.“
Dennoch sieht auch die Telekom beim Glasfaserausbau noch Hindernisse, die den Prozess verlangsamten. Es könne schneller vorangehen, müsse man nicht auf lange Genehmigungsverfahren warten, so Maisack. „Viele Kommunen brauchen Monate oder sogar Jahre, um Baugenehmigungen für Glasfaserleitungen zu erteilen.“ Hinzu kämen hohe Baukosten: „Der in Teilen veraltete aber von den Kommunen oft geforderte Standard klassischer Tiefbau ist teuer und aufwendig.“ Dabei gebe es längst deutlich einfachere Verfahren.
Neben den Regularien gibt es aber noch einen weiteren Grund, warum Deutschland im direkten Ländervergleich noch auf Sparflamme surft: Viele Kundinnen und Kunden haben schlicht noch gar keinen modernen Glasfaseranschluss gebucht. Die sogenannte „Take-Up“-Rate, also also der Anteil aktiver Glasfaseranschlüsse in den versorgten Gebieten, liegt laut VATM aktuell bei durchschnittlich nur 25 Prozent.
Kundinnen und Kunden fehle es noch an Bewusstsein für die Vorteile der Glasfaser-Technologie, meint Ufer. „Und oft verkennen die Menschen den angebotenen Glasfaseranschluss als teure Option ohne entscheidenden Mehrwert und scheuen den Anbieterwechsel, wenn sie mit der Bandbreite ihres VDSL-Anschlusses im Moment noch auskommen.“ Manche sind womöglich auch aus anderen Gründen skeptisch: Immer wieder hatten die Verbraucherzentralen vor Drückerkolonnen an der Haustür gewarnt, die mit teils unlauteren Methoden für einen Glasfaseranschluss warben. Der VATM hat, um solche Vorkommnisse zu verhindern, einen eigenen „Haustürkodex“ eingeführt.
Die Telekom nimmt derweil die Haus- und Gründstückseigentümer in die Pflicht. Viele hätten den Bedarf für einen Anschluss „noch nicht erkannt“. Eine beruhigende Nachricht für Verbraucher und Konzerne gleichermaßen: Mit dem Regierungswechsel dürften die von der Ampel angeschobenen Ausbaupläne zumindest nicht wieder zurückgefahren werden.
Wahlkampf 2025: Union versprach, Deutschland „raus aus dem Versorgungsloch“ zu holen
Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm versprochen, Deutschland „raus aus dem Versorgungsloch“ zu holen. An den geplanten Ausbauzielen wolle man festhalten - und insbesondere auch im ländlichen Raum solle der Glasfaser-Ausbau weiter vorangehen: „Die noch bestehenden Hindernisse beseitigen wir“, verspricht die Union weiter. Dafür wolle man gar einen „Genehmigungsturbo“ zünden - was genau das bedeuten soll, wird wohl die Zukunft zeigen.
Im Programm des möglichen Koalitionspartners, die SPD, nimmt der Internetausbau nur einen geringen Anteil ein. Jedoch versprechen auch die Sozialdemokraten eine eine „flächendeckende Versorgung des ganzen Landes mit Glasfaser und Mobilfunk“ und den Ausbau von Breitbandinternet insbesondere auch im ländlichen Raum.