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Kommentar

Grüne mit sechs Prozentpunkten Verlust
Der Wahlkampf ist vorbei – jetzt beginnt der Wahlkampf

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Lesezeit 3 Minuten
23.02.2025, Köln: Das Briefwahlzentrum der Stadt Köln befindet sich erneut in der Kölnmesse. Hier werden ab 18 Uhr abertausende Stimmzettel aus der Briefwahl zur Bundestagswahl 2025 ausgezählt und vorher sortiert.  Foto: Uwe Weiser

Im Briefwahlzentrum der Stadt Köln wurden ab 18 Uhr abertausende Stimmzettel aus der Briefwahl zur Bundestagswahl 2025 ausgezählt und vorher sortiert.

Das Ergebnis der Bundestagswahl führt nicht zwingend zu gleichen Stimmverhältnissen bei der Kommunalwahl im Herbst, aber es nährt die Wahrscheinlichkeit einer Kräfteverschiebung

Eine Niederlage ist eine Niederlage ist eine Niederlage. Das gilt auch für die Kölner Grünen, die ihre am Sonntagabend nicht so recht anerkennen wollten – trotz sechs Prozentpunkten Verlust. „Wir werten das Wahlergebnis als gutes Vorzeichen für die Kommunalwahl“, schrieben die Grünen noch am Abend in einer Pressemitteilung. Der „Wahlerfolg“ sei ein „starkes Zeichen“ und das Ergebnis „ein gutes Vorzeichen für die Kommunalwahl“.

Grüne erstmals seit 2017 nicht stärkste Kraft in Köln

Die Wahrheit ist: Zum ersten Mal seit 2017 ist die Partei nicht stärkste Kraft Kölns. Dass Sven Lehmann im Südwesten erneut deutlich gewinnt und Katharina Dröge nach 23 Jahren Rolf Mützenich das Direktmandat im Nordwesten abluchst, ist ein Erfolg. Aber auch ein Trostpflaster für eine Partei, die ihre Vormachtstellung in der Stadt einbüßt.

Die CDU wiederum könnte sich endlich wieder über einen Wahlsieg freuen, ein Momentum für die Kommunalwahl auszurufen versuchen, doch das gelingt ihr nicht. Serap Güler hat es so eben über die Landesliste wieder in den Bundestag geschafft. Ohne sie hätte sich der neue, CDU-geführte Bundestag gänzlich ohne Kölner CDU-Stimmen zusammengefunden. Die Hoffnung, die mancher in Daniel Otte im Wahlkreis Köln II gesetzt hatte, war vergebens. Nach einem Jahr, in dem die Partei erneut nicht geeint aufgetreten ist, stehen Vorstandswahlen an. Ein Wechsel an der Parteispitze ist ein realistisches Szenario.

Debakel für die SPD

Die Kölner SPD erlebt derweil ein Debakel, fährt das schlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte ein. Die Direktmandate für Karl Lauterbach und Sanae Abdi sind ebenfalls Trostpflaster. Im Bund schwindet der Kölner Einfluss: Mützenich will die SPD-Fraktion nicht mehr führen, dass Lauterbach Gesundheitsminister bleibt, ist derzeit mindestens fraglich und kann erst nach Koalitionsgesprächen beantwortet werden.

Größte Gewinner in Köln sind die Linken, die ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Noch vor wenigen Monaten völlig abgeschrieben, haben sie vom Bundestrend und einer schillernden Parteivorsitzenden dermaßen profitiert, dass sie nur wenige Punkte hinter den Sozialdemokraten auf Platz vier landen. Das starke Kölner Ergebnis ist Ausdruck der zunehmenden Polarisierung der politischen Landschaft. Die Mitte schrumpft, die Extreme gewinnen.

Jeder zehnte Kölner wählte die AfD

Womit wir bei der AfD wären. Jeder zehnte Kölner wählt eine Partei, die ihre rechtsextremen Strömungen nicht einmal mehr kleinzuhalten versucht. Die Zeiten, in denen sich Kölnerinnen und Kölner rühmten, wie erfolglos und bedeutungslos die Partei hier doch sei, sind endgültig vorbei.

Das Ergebnis der Bundestagswahl führt nicht zwingend zu gleichen Stimmverhältnissen bei der Kommunalwahl im September. Doch es nährt die Wahrscheinlichkeit einer Kräfteverschiebung: Sollte die Linke die Zahl ihrer Ratsmandate verdoppeln können, wird sie zu einem Machtfaktor für eine linke Stadtregierung – ein rot-rot-grünes Bündnis wäre wohl möglich.

Die CDU wird sich auf ihrem knappen Kölner Sieg am Sonntag nicht ausruhen können. „Natürlich können wir Köln noch gewinnen“ könnte dabei zum Mantra werden.

Der Wahlkampf ist vorbei. Jetzt beginnt der Wahlkampf.