Köln – Wolfgang Hoffmann (83) studierte Ingenieurwissenschaften in Berlin. Seit 1973 engagiert er sich bei der Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn und ist Mitglied der Fluglärmkommission. Im Interview spricht er über laute Nachtflüge in Köln/Vonn, Umbaupläne und eine mögliche Klage der Anwohner.
Herr Hoffmann, im Juni bekommt der Airport Köln/Bonn mit Johan Vanneste einen neuen Chef. Welche Erwartungen haben Sie an ihn?
Wir wissen, dass wir kein komplettes Nachtflugverbot erreichen können. Aber wir erwarten, dass die betroffenen Anwohner als Ausgleich für die starke Zunahme des nächtlichen Frachtverkehrs in den vergangenen Jahren beim Passagierverkehr in den Nachtstunden entlastet werden.
Was bedeutet das konkret?
Mit 70 Flugbewegungen in der Kernzeit zwischen null und fünf Uhr – davon 20 Passagierflüge – ist Köln/Bonn in Deutschland und auch in Europa der Airport mit den meisten Lärmereignissen in der Nacht. 2017 waren es insgesamt 42262. Das muss sich ändern zum Schutz der Gesundheit der 90000 Anwohner, die im Gebiet mit besonders hoher Nachtfluglärm-Dauerbelastung leben. Wir fordern, dass es – wie 1997 zugesagt wurde – in der Kernzeit zwischen Null und fünf Uhr in der Nacht keine Passagierflüge mehr geben darf. Und mit Blick auf den Frachtverkehr müssen wir erreichen, dass die lautesten Flugzeugtypen, wie etwa die MD11 und B744, die Jahrzehnte alt sind und entsprechenden Lärm verursachen, durch leisere Maschinen ersetzt werden.
UPS beispielsweise stellt aber doch gerade seine Flotte auf die deutlich leisere 747-800 um.
Leider nicht, weil bisher keine der Maschinen Köln anfliegt. Um wirklich etwas zu bewirken, muss der Flughafen die Lärmzuschläge für das nächtliche Starten und Landen deutlich erhöhen.
Der Flughafen hat doch gerade erst die Lärmzuschläge erhöht.
Das ist doch reine Kosmetik! Hier soll suggeriert werden, dass etwas getan wird, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Eine laute Maschine des Typs MD11 zahlt für einen Start und eine Landung in Köln in der Nacht gerade mal 925 Euro. In Düsseldorf etwa, wo es ein Nachtflugverbot gibt, zahlen die Airlines zwischen null und fünf Uhr für einen Start oder eine Landung stolze 49 000 Euro, in Frankfurt sind es etwas mehr als 5000 Euro . Wir sind der Meinung, dass die Gebühren sich mindestens an den Kerosinkosten einer Flugstunde orientieren müssten, das wären bei einer MD11 mehr als 4000 Euro. Nur so kann eine Lenkungswirkung erreicht werden, um damit mehr laute Maschinen aus der Nacht zu bekommen. Um den Nachtflug transparenter zu dokumentieren, brauchen wir künftig eine Darstellung, die die Lärmbelastung enthält.
Wie würde die aussehen?
Flugzeuge würden entsprechend ihrer Lärmklassifizierung durch die Messungen des Flughafens zusätzlich mit exponentiell ansteigenden Lautstärkepunkten gekennzeichnet. Damit ergibt sich für den Nachtflug eine Punktesumme, die deutlich größer ist, je mehr laute Flugzeuge unterwegs sind – aber auch umso schneller kleiner wird, je mehr von diesen Krachmachern aus der Nacht verschwinden. Mit einem Blick auf diese Punktesumme wäre damit feststellbar, ob es von Jahr zu Jahr lauter oder leiser geworden ist.
Der Flughafen ist stark gewachsen, hat 2017 den Rekord von 12,4 Millionen Passagieren erreicht und plant umfangreiche Baumaßnahmen, an denen die Öffentlichkeit im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens beteiligt wird. Welche Chancen ergeben sich dadurch?
Der Flughafen hat seit den 90er Jahren kräftig ausgebaut, so etwa Terminal 2, den Frachtbereich sowie Flugzeugabstellpositionen und Parkhäuser. Welche Auswirkungen diese Bauten, die das Wachstum am Airport überhaupt möglich gemacht haben, auf die Umwelt und damit auch auf Lärmbelastung hatten, wurde aber bislang nie überprüft. Das jetzige Planfeststellungsverfahren bezieht sich nur auf die neuen Ausbauprojekte wie einige Vorfeldpositionen, ein Parkhaus und ein Hotel. Wir fordern aber, dass alle Baumaßnahmen der letzten Jahrzehnte untersucht werden. Deswegen lehnen wir dieses unvollständige Planfeststellungsverfahren ab und wollen erreichen, dass auch frühere Erweiterungen, die ohne Planfeststellungsverfahren umgesetzt wurden, mit in die von der LSG nunmehr gerichtlich erzwungenen Umweltverträglichkeitsprüfungen einbezogen werden.
Was würde das den Anwohnern im Ergebnis bringen?
Der Flughafen müsste dann seinen gesamten Verkehr neu bewerten und unter Umständen auch einschränken – und dann müsste auch über den Nachtflug gesprochen werden. Dagegen wehrt sich der
Flughafen natürlich.
Wie wollen Sie eine umfassende Neubewertung erreichen?
Wir haben 14 000 Einwände von Anwohnern gegen das laufende Planfeststellungsverfahren gesammelt und bei der Regierungspräsidentin in Düsseldorf abgegeben. Auch die Fluglärmkommission, das Gremium zur Beratung des NRW-Verkehrsministeriums, in dem auch die Vertreter der Kommunen sitzen, lehnt den Planfeststellungsantrag des Flughafens ab und fordert eine umfassende Überprüfung aller Baumaßnahmen. Ab dem 17. September wird die Bezirksregierung Düsseldorf eine öffentliche Anhörung in den Kölner Sartory-Sälen veranstalten.
Dann müsste sich das NRW-Verkehrsministerium für eine umfassende Neubewertung aussprechen. Die Wahrscheinlichkeit dürfte in der schwarz-gelben Landesregierung aber doch sehr gering sein…
Bedauerlicherweise müssen auch wir davon ausgehen, dass das Verkehrsministerium die Einwände nicht akzeptiert.
Das heißt, Sie werden klagen…
Ja, leider bleibt uns wahrscheinlich nur der Weg, juristisch dagegen vorzugehen.