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Kommentar

Kolumne
Wo Deutschland ganz bei sich ist (VI) – Elternabend

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Illustration: Erwachsene sitzen in einem Klassenzimmer.

Die Ferien bietet einen Schutz vor Zumutungen des Schulalltags. Unser Kolumnist protokolliert einen fiktiven Elternabend. (Dieses Symbolbild ist KI-generiert.)

Über mehrstündige, getränkearme, auf unwürdig kleinen Stühlen abgesessenen Pflichtveranstaltungen mit dem beschönigenden Namen „Elternabend“.

Die großen Ferien sind auch ein Schutzraum. Sie schützen Kinder vor den Zumutungen des Schulalltags. Und sie schützen Eltern vor mehrstündigen, getränkearmen, auf unwürdig kleinen Stühlen abgesessenen Pflichtveranstaltungen mit dem beschönigenden Namen „Elternabend“. Ein Protokoll. Anwesend (bei 28 Kindern in der Klasse): ein Elternpaar, sieben Mütter und ein Mann, den niemand kennt.

Lehrerin: „Insgesamt hat die Aggression in der Klasse nachgelassen, nur einige Schüler haben noch etwas Mühe mit der Disziplin.“

Mutter in Reihe eins: „Wie kommt denn das?“

Lehrerin (will sagen): „Das liegt daran, dass manche Eltern sich einen Scheiß um die Erziehung ihrer Blagen kümmern!“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Kinder sind sehr unterschiedlich, wir bieten aber ein gutes Sozialtraining an.“

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Schönes Wochenende!

Mutter: „Meine Nadine gehört aber nicht dazu?“

Lehrerin (will sagen): „Nein, die Nadine ist eine klugscheißende Streberin, die allen fürchterlich auf die Nerven geht, mich eingeschlossen.“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Andere Kinder sind da mehr betroffen.“

Nadines Mutter: „Nadine ist ja sehr gut, aber wie ist denn der Lernstand insgesamt in der Klasse?“

Lehrerin (will sagen): „Die wollen alle Influencer werden, was soll ich denen mit Inhalten klommen?“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Wir sind auf einem guten Weg.“


Lesen Sie auch:

  1. Wo Deutschland ganz bei sich ist (I) – Recyclinghof
  2. Wo Deutschland ganz bei sich ist (II) – Die Raststätte
  3. Wo Deutschland ganz bei sich ist (III) – Der Bierstand
  4. Wo Deutschland ganz bei sich ist (IV) – Der Baumarkt
  5. Wo Deutschland ganz bei sich ist (V) – Im Wald

Nadines Mutter: „Brauchen wir nicht noch Elternvertreter? Ich selbst habe leider keine Zeit, weil die Nadine ja Ballett hat und Klarinette und Chor.“

Lehrerin (will sagen): „Das war klar! Groß rumtönen, aber selber kneifen, wenn mal ein bisschen Einsatz gefragt ist!“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Ist denn jemand bereit zu kandidieren?“

Alle Anwesenden versuchen, durch Willenskraft temporär unsichtbar zu werden.

Mann, den niemand kennt: „Entschuldigung, ist das hier gar nicht der VHS-Kurs ,Japanisch in der Mittagspause‘?“

Lehrerin (will sagen): „Sind Sie etwa doof? Es ist doch auch gar nicht Mittag, sondern es ist Abend, Sie Esel!“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Nein, leider nicht. Wollen Sie vielleicht als Elternvertreter kandidieren?“

Mann, den niemand kennt: „Muss ich dafür nicht ein Kind in der Klasse haben?“

Lehrerin (will sagen): „Mir scheißegal. Hauptsache, wir kriegen den Bums hier über die Bühne.“

Lehrerin (sagt stattdessen): „Das steht nirgends geschrieben.“

Mann, den niemand kennt: „Okay, kein Problem.“ Er gewinnt die Wahl mit neun zu null Stimmen.

Nadines Mutter: „Wer kümmert sich eigentlich um das Sommerfest? Ich selber kann leider nicht.“

Lehrerin: „So, der Elternabend ist zu Ende. Vielen Dank!“

Nächste Woche: Wo Deutschland ganz bei sich ist (VII): Auf dem Markt.

Schönes Wochenende!


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.