Am Dienstag beginnt die lit.Cologne. Mit dabei ist auch Mutzke, der nun ein Kinderbuch geschrieben hat. Ein Interview über Karriere trotz Kindern und Patchworkfamilien.
Sänger Max Mutzke„Wenn sich Eltern als Paar verlieren, verlieren sie sich früher oder später auch räumlich“
Herr Mutzke, beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest haben Sie hinter dem Sieger Isaak den zweiten Platz belegt. Sind Sie noch enttäuscht, dass es mit dem ESC nicht geklappt hat?
Nein, nein, gar nicht. Im Gegenteil. Ich sehe auch die positiven Seiten, im Mai nicht zum ESC zu fahren. Wir haben das Jahr schon mit meiner Tour, einem neuen Album, Studioterminen, Shows und vielem mehr durchgeplant. Da passt es eigentlich ganz gut, nicht noch einen Termin zu haben. Aber ich wäre natürlich auch gern in Malmö dabei gewesen. Das Ergebnis war ja sehr knapp, auch deswegen bin ich mit dem zweiten Platz glücklich.
Aber besteht als deutscher Sänger oder deutsche Sängerin nicht mittlerweile fast schon die Gefahr eines Karriereknicks, wenn man zum ESC fährt und am Ende mit null oder drei oder sieben Punkten nach Hause kommt?
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Die Frage, ob der ESC nicht unbedingt karrierefördernd ist, ist auf jeden Fall berechtigt. Es gab Menschen in meinem Umfeld, die mich schon vor der Teilnahme am Vorentscheid gewarnt haben und jetzt hinterher sagen: Stell dir vor, du wärst dort hingefahren, hättest deine Familie wieder zurückgelassen mit all den vielen Promoterminen und wärst dann mit einer schlechten Platzierung zurückgekommen – und hättest außerdem noch deinen Nimbus vom achten Platz bei deiner ersten Teilnahme vor 20 Jahren – der für mich selbst gar nicht solch ein Nimbus ist – zerstört.
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Schönes Wochenende!
Sie sind als Sänger oft im Jahr unterwegs, haben aber auch vier Kinder. Sind denn Karriere und Kinder für einen Künstler wie Sie vereinbar?
Das ist in erster Linie eine Frage des Umfelds. Ich werde nicht müde zu betonen, dass es ohne die Mutter meiner Kinder nicht gegangen wäre, die mir damals alles, buchstäblich alles abgenommen hat. So konnte ich meinem Beruf nachgehen und habe das Geld verdient, während sie mir den Rücken freigehalten hat. Der Verdienst als Künstler ist übrigens deutlich kleiner, als viele Menschen immer vermuten. Viele denken ja, man tritt als Sänger dreimal im Fernsehen auf und ist anschließend Millionär. Das Gegenteil ist der Fall: Du trittst dreimal im TV auf und musst dreimal Reise, Hotel und Gagen für deine Mitmusiker zahlen. Deswegen musste und muss ich viel unterwegs sein und bin froh, dass mich meine damalige Partnerin dermaßen unterstützt hat.
Wie hat sich das ständige Unterwegssein auf das Verhältnis zu Ihren Kindern ausgewirkt?
Meine Kinder sind jünger als meine Karriere. Sie sind also mit ihr aufgewachsen. Anfangs dachten meine Kinder allerdings noch, ich arbeite am Flughafen.
Warum das?
Weil sie mich immer dorthin gebracht haben. Ich bin dann in den Flughafen gegangen und nach ein paar Tagen wieder herausgekommen. Deshalb war für die Kleinen ganz klar, dass ich dort arbeite. Aber ich finde, mein Job lässt sich durchaus mit Kindern vereinbaren. Doch je älter ich werde, desto mehr lege ich Prioritäten darauf, die Karriere so zu planen, dass meine Kinder nicht zu kurz kommen. Das vergangene Jahr, als ich meine Kinder nicht nur einmal mehr als zwei Wochen lang nicht sehen konnte, habe ich als absolute Katastrophe empfunden.
Ist das dann schlimmer für Sie oder für Ihre Kinder?
Meine Kinder fanden es schrecklich, obwohl ich auch schon Kinder habe, die kurz vor dem Führerschein stehen und kurz davor sind, die Schule zu verlassen. Aber am allerschlimmsten fand ich es. Deswegen haben wir im vergangenen Jahr begonnen, das Jahr so zu planen, dass ich pro Monat eine ganze freie Woche mit meiner Partnerin und meinen Kindern habe. Da wissen wir, diese Woche gehört nur uns.
Sie haben für die Tatsache, dass Sie manchmal nicht viel Zeit für Ihre Kinder hatten und haben, oft auch erst spät nach Hause kommen, eine zauberhafte Lösung gefunden. Darüber haben Sie nun ein Kinderbuch geschrieben. Worum geht es?
Spät nach Hause zu kommen, die Kinder nur noch kurz sehen, die dann natürlich nicht sofort ins Bett wollen – damit bin ich ja nicht allein. Schon gar nicht in einer Zeit, in der manche Menschen schon zwei oder drei Jobs annehmen müssen, um die Miete noch bezahlen zu können. Ich hatte also folgende Idee: Wenn der Tag zu kurz ist, verabrede ich mich mit meinen Kindern in der Nacht im Paradies der Träumer. Ich habe die Kinder also ins Bett gebracht und gesagt: Wir sehen uns gleich im Traum wieder. Das Schöne ist, dass die Kinder so mit einer Fantasie ins Bett gehen.
Und dass sie denken, dass sie wie in Ihrem Fall den Vater oder auch die Mutter gleich nach dem Einschlafen wiedersehen.
Genau. Sie haben noch mal einen ganz besonderen Qualitätsmoment mit dem Papa oder der Mama. Es ist ein Ritual. Und ich halte viel von Ritualen, ein anderes in meinem Kinderbuch ist das Fahren mit dem Ohrenbus. Die Kinder sitzen auf den Schultern des Vaters und steuern den Papabus an den Ohren ins Kinderzimmer. Anschließend wickelt er die Kinder in ihre Decke ein wie ein Paket und schickt sie mit einem Kuss auf die Stirn – das ist die Briefmarke – ins Paradies der Träumer.
Was erwartet sie da?
Im Paradies der Träume gibt es jede Menge magische Orte wie den Wunschsprungfelsen, die Kaugummibrücke und die Schokhettischaukel. Dort kann man Abenteuer erleben und magische Dinge entdecken. Irgendwann aber kommen immer diese gebratenen fliegenden Fische um die Ecke, von denen man absolut nicht essen darf. Denn wer sie isst, vergisst alles, was man im Paradies der Träumer erlebt hat. Leider ist der Hunger und der Appetit auf diese Fische in meinen Fantasiegeschichten für die Kinder immer unerträglich. Als Eltern kann man dann sagen: Ich kann diesem Heißhunger widerstehen, ich vergesse die Abenteuer im Traum nicht. Ich erzähle dir dann beim Frühstück, was wir alles erlebt haben.
Also ist das Buch nicht nur eine Einschlaf-, sondern auch eine Aufstehhilfe?
Ja, bei meinen Kindern hat das oft prima funktioniert, weil die Kinder gut gelaunt ins Bett wollten. Sie wollten pünktlich schlafen, damit wir uns treffen, wir hatten uns schließlich verabredet. Und am nächsten Morgen konnte man sie mit den Worten wecken: Es war vergangene Nacht so verrückt, was wir alles erlebt haben, muss ich euch gleich beim Frühstück erzählen. Dann sind die natürlich schnell aus dem Bett gekommen. Ich will jetzt nicht sagen, dass das jeden Tag genau so funktioniert, aber allermeistens klappt es dann doch.
Hinter der Frage „Kinder und/oder Karriere?“ steckt ja immer auch ein wenig die Frage, die sich viele Eltern und Elternteile stellen: Wie viel eigenes Leben darf sich man neben den Kindern noch gönnen? Haben Sie da eine Antwort?
Viele Beziehungen verlieren sich darüber, dass die Partner glauben, sie müssen über die Kinder hinaus kein eigenständiges Liebespaar mehr sein. Es kann zu einem großen Problem für eine Liebe werden, wenn man sich als Paar diese Zeit nicht schenkt. Ich kenne Menschen, die verabreden pro Woche einen Jour fixe und treffen sich etwa mittwochs immer ohne Kinder. Dann passen eben die Großeltern oder Freunde auf die Kleinen auf, und die Eltern können gemeinsam ins Kino oder essen gehen oder einen Tanzkurs belegen.
Warum finden Sie das so wichtig?
Es ist enorm wichtig, weil es nichts Blöderes gibt, als sich als Partner zu verlieren. Jeder von uns, der Kinder hat, weiß genau, wo die Gefahr besteht. Deswegen sind die paar Stunden, die man sich in der Woche gemeinsam oder auch mal auf einem Wochenendtrip gönnt, nachher ein wichtiger Baustein dafür, dass du im besten Fall glücklich zusammenbleibst. Kinder haben viel mehr von diesem Glück der Eltern, mehr von Eltern, die sich lieben, küssen, miteinander schmusen, als von Eltern, die sich verlieren, weil sie sich gar keine gemeinsame Zeit ohne Kinder mehr gönnen. Wenn sich Eltern als Paar verlieren, verlieren sie sich früher oder später auch räumlich. Das ist für Kinder dann viel schlimmer, als immer mal wieder ein paar Stunden oder ein Wochenende ohne ihre Eltern zu verbringen.
Was ist aber, wenn das nicht gelingt?
Trennungen lösen große Verlustängste bei allen aus, sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich lebe ja in einer Patchworksituation. Aber wichtig ist natürlich auch, wie man es als Ex-Partner danach hinbekommt, dass man anständig miteinander umgeht und die Trennung nicht auf dem Rücken der Kinder austrägt.
Wie läuft das bei Ihnen?
Wir sind ein Zehnerhaufen, wir fahren zusammen in den Urlaub, feiern Weihnachten und Geburtstage zusammen.
Also mit der Mutter Ihrer vier Kinder, mit Ihrer neuen Partnerin und mit den Kindern?
Ja. Die sind befreundet. Sie kannten sich allerdings auch schon vor der Trennung. Natürlich mussten sich beim Wechsel zur neuen Partnerschaft erst einmal alle daran gewöhnen. Aber wenn man das Ego zurückstellt und an das Wohl der Kinder denkt – und darum sollte es in erster Linie immer gehen –, wird man merken, dass alle von neuen Partnern auch wahnsinnig profitieren können. Ein neuer Partner, eine neue Partnerin ist ja nicht umsonst da, die neue Beziehung ist kein Zufall. Ein Elternteil verliebt sich neu, die beiden werden ein glückliches Paar – und das ist dann auch gut für die Kinder. Denn je glücklicher und je ungestörter glücklich ihr Vater oder ihre Mutter mit einem neuen Menschen sein können, desto mehr Vielfalt gibt es im neuen Familienkonstrukt mit ehemaligen und aktuellen Partnern. Von dieser Vielfalt und den vielen neuen Facetten können Kinder nur profitieren.
In Ihrem Buch sind Träume etwas sehr Positives, aber es gibt natürlich auch Albträume. In Ihrem Song „Hoffnung“ zum Beispiel singen Sie: „Je verlorener es ist, je leerer du bist, / weil dein Träumen dich von innen zerfrisst“. Sind Träume für Sie ein größeres Thema?
Das Lied „Hoffnung“ war ganz eindeutig für die Frauen im Iran geschrieben. Es ging mir speziell um das Gefühl Hoffnung und um die Beobachtung, dass Hoffnung oft umso größer wird, je stärker der Schmerz ist. Aber zu Ihrer Frage: Ich finde Träume spannend, denn sie sind ja nicht nur etwas, was nachts passiert, nicht nur etwas, was wir nicht steuern können und oft nur noch zu deuten versuchen können.
Sondern?
Träume sind auch Tagträume, sie sind auch Gedanken an Möglichkeiten. In diesen Tagträumen können wir uns in andere Situationen begeben. Wir sind alle oft gefangen in unserem Leben, das durch viele Rahmen, Regeln und Grenzen eingeengt wird. Manchmal kann es dann guttun, wenn man sich woandershin träumen kann. Insofern kann das Träumen motivieren, aber manchmal auch beruhigen.
Ihr Kinderbuch lässt eine Fortsetzung zu. Wird es die geben?
Ich bin sehr dafür, muss aber erst einmal mit dem Verlag darüber sprechen. Es gäbe aber noch Einiges zu erzählen.
Max Mutzke liest auf der Lit.Cologne
Max Mutzke erlebte seinen Durchbruch als Sänger 2004. Damals gewann er die Castingshow „SSDSGPS“ („Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star“) von Stefan Raab. Mit dem Song „Can’t Wait Until Tonight“ gelang dem heute 42-Jährigen der achte Platz beim Eurovision Song Contest. Es folgten acht Alben, das jüngste aus dem Jahr 2021 heißt „Wunschlos süchtig“.
Nun hat Mutzke sein erstes Kinderbuch geschrieben. Da der Vater von vier Kindern als Sänger viel unterwegs war und ist, hat er sich das Paradies der Träumer ausgedacht. In der Fantasiewelt verabredete er sich – wie auch der Vater des in Teilen autobiografischen Kinderbuchs – im Traum mit ihnen. Dort erleben sie manche Abenteuer. „Komm mit ins Paradies der Träumer“ (S. Fischer Verlag, mit Illustrationen von Laura und Florian Fuchs, 104 Seiten, 16 Euro) ist ein zauberhaftes Buch, das auch Eltern die Abende versüßt.
Das Buch stellt der Schwarzwaldfan auch auf der Lit.Cologne vor. Mutzke liest am 16. März um 15 Uhr im Theater am Tanzbrunnen in Köln. Es gibt noch Tickets. Die Lit.Cologne beginnt am Dienstag. Karten sind unter anderem noch für „Michael Krüger erzählt Elke Heidenreich aus einem reichen Leben“ am 6. März, „Die seriöse Wissenschaft des Zeitreisens“ mit Mark Waschke, Lavinia Wilson und Knut Elstermann am 8. März, „Ein Schätzchen war ich nie“ mit Uschi Glas am 14. März und am 17. März „Die wilde Bohemienne“ über Franziska zu Reventlow mit Maria Schrader zu haben. Weitere Infos finden sich auf der Internetseite der Lit.Cologne.