Das neue Berufsbildungszentrum soll eine Zukunftswerkstatt werden. Das Ankerprojekt des Strukturwandels in Euskirchen kostet 75 Millionen Euro.
Mehr als 1000 Mails geschriebenDas neue BZE in Euskirchen kostet 75 Millionen Euro
Ein Blick in das E-Mail-Postfach von Jochen Kupp würde offenbaren, wie viel Arbeit der Verbandsvorsteher des Berufsbildungszentrums Euskirchen-Euenheim in den vergangenen zwei Jahren in die Zukunft investiert hat. „Mehr als 1000 Mails waren es“, sagt er. Die Arbeit, Zeit – und vor allem das Herzblut – haben sich gelohnt: Die NRW-Landesregierung will den 75 Millionen Euro teuren Neubau des Berufsbildungszentrums Euskirchen (BZE) mit 67 Millionen Euro unterstützen.
Etwa acht Millionen Euro müssen die drei Träger des BZE, der Kreis Euskirchen, die Industrie- und Handelskammer Aachen und die Handwerkskammer Aachen, aus eigener Tasche beisteuern. Laut Kupp würde ein Teil des derzeitigen Berufsbildungszentrums in Euenheim an den Landschaftsverband Rheinland zur Erweiterung der Irena-Sendler-Schule verkauft.
BZE: Grundstück in Euenheim soll verkauft werden – unter anderem an den LVR
Die verbleibende Fläche sei ideal für die Entwicklung von Wohnungen, so Kupp. Er geht davon aus, dass der Grundstücksverkauf etwa fünf Millionen Euro in die Taschen des BZE spült. „Dann bleibt noch ein Delta von drei Millionen, das wir über Kredite finanziert bekämen“, erklärt der Verbandsvorsteher.
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Ihm schwebt ein zukunftsweisendes Gebäude vor: mit viel Holz und ökologischen Aspekten wie begrünten Dächern, einer Photovoltaikanlage, Erdwärme und Windkraft – im Idealfall energieautark. Und im Inneren? Dort soll laut Kupp ein „innovativer Lernort für das gewerblich-technische Handwerk und das produzierende Gewerbe entstehen.“ Das Konzept sehe offene und helle Lern- und Bürobereiche vor, inklusive Werkstätten, die flexibel umzubauen seien.
Ausbildung soll auf die Zukunft ausgerichtet werden
„Wir legen den Fokus auf die Zukunft. Nicht nur beim eigentlichen Komplex, sondern auch bei den Angeboten. So soll es Berufsorientierungen und Weiterbildungsmöglichkeiten mit Schwerpunkten in den Bereichen Erneuerbare Energien, etwa Wasserstoff, Solar- und Windenergie, Robotik, Künstliche Intelligenz, 3D-Drucktechnik oder Quantencomputing geben“, berichtet Kupp im Gespräch mit dieser Zeitung. Alles Dinge, die man am aktuellen Standort nicht anbieten könne – weil entweder der Platz nicht vorhanden oder die Ausstattung einfach in die Jahre gekommen sei.
In der Bewerbung zum Ankerprojekt habe man von Beginn an aufs Handwerk gesetzt. „Das Handwerk ist unsere Stärke. Wir haben nicht zuletzt nach der Flut gesehen, wie wichtig Handwerker sind und dass es davon zu wenige gibt“, so Kupp.
Bei der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 war das BZE an seinem Standort in Euenheim erheblich beschädigt worden. Unter anderem wurden das Technikzentrum und zahlreiche Werkstätten in Mitleidenschaft gezogen. Nach Angaben des Geschäftsführers entstanden Schäden in Höhe von 4,5 Millionen Euro.
Ein Wiederaufbau an alter Stelle wäre wohl irgendwie gegangen, aber zukunftsorientiert wäre das laut Kupp nicht gewesen. Also habe er die Idee der Zukunftswerkstatt entwickelt, die dank des Kaller Planungsbüros PE Becker auf dem Computer schon sehr weit entwickelt ist. „Wenn ich die Augen schließe, brauche ich keine VR-Brille. Ich befinde mich dann in Gedanken schon in den neuen Räumen“, so Kupp.
Spatenstich soll 2026 erfolgen, Fertigstellung zwei Jahre später
Einige Jahre wird der Verbandsvorsteher seine Vorstellungskraft aber noch benötigen. Wenn die Förderdetails mit der Bezirksregierung besprochen sind, könnte Anfang 2026 der Spatenstich erfolgen und 2028 der Neubau auf der 25.000 Quadratmeter großen Fläche fertig sein.
Bis die Förderdetails geklärt sind, dürften noch einige Mails auf dem Rechner des Verbandsvorstehers hinzukommen. „Die Bezirksregierung soll das umsetzen, was das Land beschlossen hat. Aber es gibt verschiedene Förderrichtlinien, die es jetzt auszuloten gilt“, so Kupp.
Euskirchen: Weiterer Kreisverkehr an der Kommerner Straße?
Finanziert werden soll das Projekt vor allem von der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) im Rahmen des Strukturwandels des Braunkohlereviers. Wie genau die Fördertöpfe aber angezapft werden, das muss laut dem BZE-Chef noch ausgetüftelt werden. Er ist aber sicher, dass auch dieser letzte Schritt noch gegangen wird.
Die Zukunftswerkstatt soll an das Bundeswehrgelände in Richtung Euenheim angrenzen. Ursprünglich sollte auch der geplante Hybridcampus dorthin kommen. Der ist aber zu den Akten gelegt. Daher kann das neue BZE näher an die Kommerner Straße heranrücken.
Denkbar sei, so Kupp, dass im Bereich der Tankstelle, der Straße zur verlassenen belgischen Kaserne und der Mainstraße, ein Kreisel errichtet wird, um auch die Verkehrssituation zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört für Kupp auch die geplante Haltestelle „Georgstraße“ für die Bördebahn.
Große Stücke setzt der Eifeler auf die sich in der Zukunftswerkstatt bietenden Möglichkeiten. „Wir haben allein etwa 1000 Heizungsbauer im Kreis Euskirchen. 750 davon hätten wahrscheinlich nichts gegen eine Fortbildung im Bereich Wärmepumpe. Und was heute die Wärmepumpe ist, ist morgen der Wasserstoff und übermorgen die Robotik“, so Kupp: „Wir werden ein Leuchtturmprojekt.“
Teil dieses Leuchtturms sollen auch bedarfsgerechte Qualifizierungsmaßnahmen sein. „Wenn ein großer Fensterbauer eine Weiterbildung braucht, dann muss es möglich sein, dass er das bei uns auch samstags oder in den frühen Abendstunden machen kann“, erklärt der BZE-Chef: „Die Investition ist so hoch, dass wir es nicht nur von 7.30 bis 16 Uhr bespielen können. Wir müssen auch jungen Handwerkern die Chance geben, beispielsweise Schweißmaschinen zu nutzen, indem sie sich einmieten.“
CDU-Landtagsmitglied Klaus Voussem ist froh darüber, dass das Land grünes Licht für das Ankerprojekt gegeben hat. „Nach den Verheerungen der Flutkatastrophe im BZE ist ein wichtiges Signal, dass das Land hier in die Zukunft der Region investiert. NRW zeigt so, dass es auf das Handwerk setzt“, so Voussem.
19 Ankerprojekte
Die 19 Ankerprojekte umfassen insgesamt 31 Vorhaben im Rheinischen Revier. Laut Jochen Kupp, Verbandsvorsteher des BZE, sind etwa 450 Projekte eingereicht worden. Die Ankerprojekte sind das Ergebnis eines Auswahlprozesses zwischen der Landesregierung und den beteiligten Kommunen.
Alle Projekte sollen in den nächsten drei bis fünf Jahren realisiert werden. Ziel ist, den Strukturwandel sichtbar und für die Menschen vor Ort erlebbar zu machen. Auch in im Rhein-Erft-Kreis und im Kreis Düren gibt es Ankerprojekte.