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Topthema auf der FIBO 2018So halten gesunde Faszien Krankheiten in Schach

Lesezeit 9 Minuten
Yoga übung faszien westend61 imago

Elastische Faszien halten Krankheiten in Schach.

Faszien-Papst Robert Schleip

Den Indianern war es egal, ob der Skalp ihres Feindes schön elastisch war. Für ihren Zweck tat es auch eine harte Kopfschwarte. Uns sollte es nicht egal sein, vor allem dann nicht, wenn es um die eigene Kopfhaut geht. Der Biologe Robert Schleip, der Faszien-Papst schlechthin, obwohl er sich selbst lieber als neugieriger Faszienforscher bezeichnet, hat das Bindegewebe von Kopf bis Fuß, von der Körperperipherie bis zur Körpermitte salonfähig gemacht und weiß, was diesem Gewebe und dem Menschen guttut. Schleip hat mit seiner Doktorarbeit über Faszien nicht nur einen Preis geholt, sondern es auch ins renommierte Wissenschaftsmagazin „Science“ geschafft.

FIBO 2018

12. bis 15. April 2018 auf dem Messegelände Köln, 9 bis 18 Uhr.

Adresse: Messeplatz 1, 50679 Köln.

Der Bahnhof Köln Messe/ Deutz wird von vielen Regionalzügen und S-Bahnen angefahren. Vom Bahnhof aus erreichen Sie den Eingang Süd bequem zu Fuß. Alle anderen Eingänge sind mit kostenlosen Pendelbussen zu erreichen

Anreise mit Straßen-und U-Bahn mti den Linien 1 und 9 bis Haltestelle Bahnhof Deutz, mit den Linien 3 und 4 bis Haltestelle Koelnmesse.

FIBO Tickets für Besucher am Sonntag kosten 30 Euro.Premium Tickets für Besucher am Donnerstag oder Freitag kosten 85 Euro.

Faszientrends und Flossing sind tägliche Themen auf der FIBO. Dr. Schleip ist täglich vor Ort.

Spannung im Nacken

Unsere Kopfschwarte besteht aus Fasziengewebe und liegt wie eine Badehaube auf dem Schädeldach. Dieses neuromuskuläre Gewebe hat die Neigung, sich unter Stress zu verspannen. Das übt Druck auf die anhängenden Muskeln aus und sorgt für Spannung im Nacken mit dem Ergebnis: Kopfschmerz.

Selbsttest

Wer testen will, ob seine Kopfschwarte weder verdickt noch verhärtet ist, sollte Hand anlegen am Haaransatz und prüfen, ob sich seine Schwarte leicht verschieben lässt – überall auf dem Kopf. „Wenn es an einigen Stellen ruckelt oder gar schmerzt, kann das ein Hinweis sein, dass sich die Faszien verbacken haben“, so Schleip.

Nackenfaszien

Das lässt sich auch mit Ultraschall messen. Schleip: „Die normale Dicke der Schwarte sind eins bis 1,5 Millimeter. Bei zwei bis drei Millimetern sollte man aufhorchen.“ Was ist zu tun? „Nackenfaszien und -muskulatur dehnen, strecken und die verfilzte Architektur aufbrechen.“

„Was sich nicht bewegt, verklebt.“

Für Kopf, Arme, Beine, Rücken und Bauch gilt das gleiche: „Was sich nicht bewegt, verklebt.“ Für alle Organe wie beispielsweise Herz, Niere, Darm gilt, was nicht gehegt, gepflegt und gefordert wird, kleistert zu und erstarrt. „Uns geht es dann wie einem Vogel, der nicht mehr fliegen kann. Aber manche fühlen sich ja auch in einem Käfig wohl.“ Das Fasziengewebe im Körper, dieses wundervolle Konstrukt aus feinen Fäden und elastischen, starken Strängen kann zu einem Gefängnis werden.

Faszien-Papst zu Rückenschmerzen

Bevorzugte Orte solcher Käfigbildung sind Rücken und Füße. Schleip: „Die Bandscheibe ist für maximal ein Fünftel aller Rückenschmerzen verantwortlich.“ Bei den restlichen 80 Prozent heißt es: Ursache unbekannt. Es sei denn, so rät Schleip, man schaut sich „das Hemd unter der Haut an“. Dazu gehören die Faszienschichten der Lende, die dicht besiedelt sind mit freien Nervenenden, „die nichts anderes können als Schmerzschreie ausstoßen“. Der Grund: Das Gewebe ist nicht mehr verschiebefreudig, reibt und schabt sich quasi wund.

Yoga imago Westend61

Beweglichkeit durch Yoga wirkt positiv auf die Faszien.

„Zuerst bildet sich ein feines Spinnennetz aus Bindegewebe, und wer lange genug wartet, bei dem entstehen Kristalle, die man kaum oder nur sehr schlecht auflösen und lockern kann“, sagt der Humanbiologe Schleip. „Wer keinen Purzelbaum mehr schlagen kann, seinen Rücken nicht rundet, sich nicht verbiegt und federt, der darf sicher sein, dass sich das Gewebe verhärtet.“

Kölner Faszien-Trainerin Daggi Meis rät

Die Faszien-, Yoga- und Pilates-Trainerin Daggi Meiss rät: „Ein Theraband unter die Ferse legen, über den Rücken nach oben ziehen und sich nach vorn beugen – erst mal mit gebeugten Knien, später mit gestreckten Beinen.“ Das klappt auch auf dem Bürostuhl. Drei Minuten lang sollte man in dieser Stellung verharren. Zu empfehlen ist, sich diese Übungen erst einmal zeigen zu lassen. Robert Schleip und Daggi Meiss sind sich einig, dass „es bis zu einem Jahr dauern kann, bis das Fasziengewebe wieder schön elastisch ist“. Ein Klacks im Vergleich zu den vielen Jahren der Unbeweglichkeit, die man investiert hat, damit das Gewebe sich verhärten und kristallisieren kann.

Wenn der Herzbeutel verkleistert

Am Rücken spürt man solche Veränderungen schmerzlich. Wenn sich aber der Herzbeutel verkleistert kriegt man das so schnell nicht mit. Dieser Bindegewebe-Sack rund ums Herz sorgt für die Beweglichkeit der Pumpe. Schleip: „Der Herzbeutel sitzt auf der Zwerchfellsehne wie auf einem Trampolin. Und dieses fasziale Gewebe braucht immer wieder kurzzeitige Belastungen, damit es elastisch bleibt.“

Spurt gefällt dem Herzen

Solche Banalitäten wie hinter dem Bus her rennen, der Spurt um den Ball gefallen dem Herzen, seinem Beutel und der Lunge. „Wenn ich danach japse, ist das gut so.“ Die Organe danken es mit elastischer Langlebigkeit. Und wie oft sollte man atemlos werden? Schleip: „Um den Status quo zu halten alle drei bis vier Wochen. Dann wird es nicht besser, aber man baut auch nicht ab. Wenn es besser werden soll, zumindest ein-, besser zwei mal in der Woche.“

Kriegt dich der Krebs oder nicht

Hellhörig wird man, wenn Schleip von Forschungen auf dem Gebiet Faszien und Krebs berichtet. „Im Alter stellen sich in der Regel bei jedem krebsartige Veränderungen ein. Die Frage ist: Kriegt der Krebs dich oder hältst du ihn in Schach.“ Man wisse seit ein paar Jahren, dass weiches Bindegewebe den Krebs in Schach hält, und verhärtetes Gewebe die entarteten Krebszellen ermuntert, sich schneller zu vermehren und angriffslustiger zu werden. Schleip: „Die Pharmaindustrie läuft auf Hochtouren. Man wird vermutlich in Zukunft auch einen Cocktail finden mit Weichmachern für Faszien – ohne dass ich mich bewege.“ Besser wäre es aber, so Daggi Meiss, wenn man mit Yoga-Dehnungen den entscheidenden Effekt auslöst und damit den Faszien ein Anti-Wucher-Mittel liefert, das ihnen das Verhärten verleidet.

Der Straps für die Oberschenkel

Dem Wunder der Faszien ist auch Daniel Lieberman erlegen, Professor für Biologie an der Harvard-Universität in den USA. „Faszien sind der Straps des Oberschenkels“, sagt der leidenschaftliche Läufer und trifft damit genau den Nerv von Robert Schleip. „Wer gute Faszien hat, bei dem ist die Außenseite des Oberschenkels deutlich straffer als die Innenseite, weil sie dicker ist und dicker sein muss.“ Bei Schleip kein Problem. Dafür hat er sich mit seiner Plantarfaszie am Fuß herumschlagen müssen, die sich von der Ferse bis zum Fußballen zieht. Sie schmerzte heftig, und wenn der Faszien-Papst morgens aufstand, humpelte er. Als selbst Blutegel-Anwendungen nicht mehr halfen, begann er barfuß zu joggen – ganz vorsichtig, aber mit durchschlagendem Erfolg.

Praxis-Tipps für die Füße

Daggi Meiss hat für die nicht ganz so zähen Zeitgenossen eine etwas angenehmere Variante: Fußsohle auf einen kleinen Ball stellen, drei Minuten lang vom Zehballen bis zur Ferse hin und her rollen. „Man merkt die Linderung sofort. Bei Fußproblemen sollte man es jeden Tag machen. Je nach Beschwerdegrad dauert es sechs bis neun Monate, bis alles wieder in Ordnung ist.“

Straffer Bauch

Elastische Faszien dienen auch der Schönheit. Für einen straffen Bauch muss man hüpfen und werfen. Schleip: „Sit-ups und Crunches sind suboptimal. Besser ist es, die Faszie zu trainieren, also Haut und Hülle, und nicht nur den Wurstinhalt.“

Faszien-Kurse in Köln und Umgebung

Yoga Faszien imago Blickwinkel

Für bewegliche und vitale Faszien kann man einiges tun.

Margarete Blankartz, Köln

Zum Thema Fascial Fitness gibt es Kurse für Betroffene und Fortbildungen für Trainer in Köln.

www.rolfing-in-koeln.de

Nina Buttler, Köln

Bietet verschiedene Seminare, Coaching und Co., darunter Fascial Fitness. Es gibt Kursangebote in Köln, Personal Training und Angebote für Unternehmen.

www.sichtartundweise.de

Daniel Przybilla, Bergisch Gladbach

Bietet Personal Training, betriebliche Gesundheitsförderung und Faszientraining. Die Kurse zum Thema Faszien sind in Köln und Bergisch-Gladbach.

www.prehelco.de

Anja Kluge, Köln

Bietet Faszienfitness und Training in einem neuen Studio in der Amsterdamer Straße in Köln an.

www.kluge-fitness.com

Daggi Meiss

Fazientraining mit Yoga und Pilates integriert.Termine im TSV Bayer 04:Montags: Yin Yoga und Faszien (10.30 Uhr)Dienstags: Pilates und Faszien (19.45 Uhr)Mittwochs: Pilates und Faszien (10.30 Uhr)Freitags: Pilates und Faszien ( 10.30 Uhr)Sonntags: CXWORX/Faszien und Stretch (14.00 Uhr)Termine im Omega Sports:Samstags: Yoga Intro/Faszien (12.15 Uhr)

Angebote im TSV Bayer 04Angebote bei Omega Sports

So wirkt Flossing gegen Schmerzen

Flossing Bild

Seit das elastische Flossband unter Physiotherapeuten bekannt wurde, legte es eine steile Karriere hin. Das feste Umwickeln von Gliedmaßen und Gelenken soll Schmerzen lindern und Patienten beweglicher machen. Was ist dran?

Wenn ein Fußballprofi von Hannover 96 Schmerzen hat oder seine Glieder sich etwas steif anfühlen, dann greifen die Physiotherapeuten des Bundesligisten gerne zum Flossband. Hat der Spieler etwa Knieschmerzen, wickeln sie das zwei Meter lange und fünf Zentimeter breite Naturkautschuk- oder Latexband sehr fest um das Gelenk und lassen ihn zum Beispiel Kniebeugen machen. Für die Patienten ist das schmerzhaft, häufig fühlen sie sich danach aber besser. «Es ist fast täglich im Einsatz», sagt 96-Gesundheitsmanager Dominik Suslik.

Physiotherapeut Thomas Metzger bietet Flossing in seiner Praxis in Schwäbisch Gmünd an. Er bezeichnet es als therapeutisches Werkzeug zur Kompression und Mobilisation. Bindet man Gewebe etwa am Arm ab, werden an dieser Stelle alle Ströme einschließlich der Blutzufuhr unterbrochen, erklärt er. Löst man das Band wieder, würde das Gewebe kräftig durchspült. Die Phase des Einwickelns dauert ein bis drei Minuten.

Schmerzlinderung im Vordergrund

Metzger kombiniert die Behandlung stets mit Bewegungsübungen. Ihm zufolge entstehen dadurch ähnlich den Übungen im Faszientraining mit der so genannten «Blackroll» Reibungen, die die Gewebeschichten gegeneinander verschieben. Das löse Verklebungen und erhöhe die Beweglichkeit des Patienten, erklärt der Physiotherapeut.

Suslik betont einen Effekt, der im Fokus aller Behandlungen von Beschwerden und Verletzungen steht: Schmerzlinderung. Weil der Therapeut mit dem Flossband direkt auf der Haut arbeitet, beeinflusst er die Mechanorezeptoren. Stimuliere man sie, würden sie die Schmerzsensoren überlagern. «Je aktivierter die Mechanorezeptoren sind, desto stärker werden Schmerzen gehemmt.»

Das Flossing selbst ist für Patienten allerdings schmerzhaft und die Bewegungen gegen den Druck des Bandes sehr anstrengend. Das ist gewollt, um den besten Effekt zu erzielen. «Es ist aber noch nicht ganz klar, wie viel Druck dem Gewebe wirklich gut tut», sagt Metzger. «Das kann bei bestimmten Patienten auch zu viel sein.» Dann wickelt er das Band lockerer.

Manchmal sollte man es ganz lassen

Manchmal sollte man es ganz lassen. Als Ausschlussfaktoren nennen die Experten zum Beispiel Hautkrankheiten, Knochenbrüche, Thrombosen, eine Herzinsuffizienz oder Nervenerkrankungen.

Auch wenn viele Patienten gute Erfahrungen mit dem Flossband machen: Wissenschaftlich bewiesen ist seine Wirkung noch nicht. Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln findet das aber nicht schlimm: «Wer heilt, hat Recht. Da muss man nicht immer alles beweisen», sagt der Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.

Froböse ist allerdings skeptisch, ob Flossing mehr als ein vorübergehender Trend sein kann. «Die Methode hat einen kleinen Vorteil im therapeutischen Alltag. Man braucht keine hohe mechanische Belastung und benötigt daher weniger Zeit», sagt er. Dass man mit dem Abschnüren und dem Unterbrechen der Blutzufuhr den gleichen Effekt wie bei einem Krafttraining erzielt, bezweifelt er aber.

Zwar bringt man den Körper in beiden Fällen in eine Sauerstoffnot, wodurch die Muskeln eventuell wachsen. «Beim Flossing habe ich aber nicht die neuro-muskuläre Stimulation der Muskelfasern», sagt Froböse. Die aber ist ihm zufolge wichtig für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Körpers im Alltag. (dpa)

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