Es gibt viele gute Gründe auf Alkoholgenuss zu verzichten. Und es ist eine positive Marktentwicklung, dass Abstinenzler heute auf eine breite Auswahl an alkoholfreien Getränken zurückgreifen können auch jenseits von Mineralwasser. Wem die Alternativen auf Fruchtsaftbasis zu süß sind, sollte entalkoholisierten Wein versuchen.
Ein Markt der laut Florian Wernersbach nicht nur in Deutschland stetig wächst. „In Skandinavien kurbelt auch die hohe Alkoholsteuer den Verkauf an, und im arabischen Raum schätzt man die alkoholfreie Alternative immer mehr.“
Der önologische Leiter der Kellerei Adam Trautwein aus Lonsheim weiß wovon er spricht. Er ist für das Entalkoholisieren durch Vakuumverdampfen zuständig und hat bereits viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Die Firma bietet den Service deutschlandweit an. Die Technik erfordert viel Wissen und auch eine besondere Ausrüstung.
Das Vakuumverdampfen ist die bevorzugte Methode, um einem Wein schonend den Alkohol komplett zu entziehen. Dabei wird die physikalische Eigenschaft des Alkohols genutzt, der bereits bei niedrigeren Temperaturen als Wasser verdampft. Wird der Wein zusätzlich unter Vakuum gesetzt, verdampft Alkohol schon bei 30 Grad anstatt erst bei 78,3 Grad. Das schont die Aromen.
Über einen weiteren Prozess werden die im herausdestillierten Alkohol noch enthaltenen Aromen extrahiert und dem alkoholfreien Wein wieder zugesetzt. So sollen möglichst viele Duftstoffe erhalten bleiben.
Alkoholfreier Wein ist nicht gleich Wein
Trotz des wachsenden Marktes: „Man darf alkoholfreien Wein nicht mit Wein vergleichen. Es braucht eine andere Sichtweise auf dieses Getränk“, sagt Florian Wernersbach.
Schließlich hat Alkohol im Wein viele wichtige Funktionen. Er ist Aromaträger, lässt Säure weniger harsch erscheinen, vermindert die Adstringenz von Gerbstoffen im Rotwein, vermittelt ein kräftiges Mundgefühl und ist vor allem für die Haltbarkeit wichtig.
„Die meisten alkoholfreien Weine verfügen im Schnitt über 50 Gramm Restzucker pro Liter, um geschmacklich den fehlenden Alkohol auszugleichen“, so Wernersbach. Das ist etwa ein Drittel des Zuckergehalts, der im Traubensaft enthalten ist.
Kühlung und Kohlensäure hilft den Weißen
Eine positive Rolle bei alkoholfreiem Wein spielt die Kohlensäure. Sie kann Aromen in die Nase transportieren und dadurch intensiver erscheinen lassen. „Selbst alkoholfreie Weißweine bitzeln immer ein bisschen.“Was auch erklärt, dass bei unserem Test vor allem die Schaum- und Weißweine gut abgeschnitten haben. Das Ergebnis kommt auch zustande, weil diese Weine gut gekühlt serviert werden können und damit an geschmacklicher Frische gewinnen.
Die Rotweine haben es hingegen schwer. Der fehlende Alkohol lässt die Gerbstoffe am Gaumen besonders hervortreten. Kohlensäure kann bei Rotwein nicht als Geschmackshelfer dienen, denn sie würde das Tanningerüst zusätzlich betonen.
Auf die Qualität kommt es an
Wichtig für den Geschmack ist aber in erster Linie die Qualität des Grundweines. „Manche meinen, sie könnten einen schlechten Wein irgendwie als entalkoholisiertes Getränk verwerten. Das funktioniert so nicht“, stellt Wernersbach klar.In Zukunft wird entalkoholisierter Wein seiner Meinung nach an Bedeutung gewinnen; durch Verbesserungen im Herstellungsprozess erwarten Experten durchaus noch Qualitätssprünge.
Neun alkoholfreie Weine im Test
Wir haben uns auf die Suche nach verschiedenen alkoholfreien Weinen gemacht. Dabei ist uns aufgefallen, dass das Thema bei Weinhändlern wie Supermärkten eher stiefmütterlich behandelt wird. Wenn überhaupt stehen zwei, bis drei Flaschen zur Wahl. Schließlich konnten wir neun verschiedene Produkte verkosten.
Im Glas zeigt der Freixenet eine eher grobperlige Perlage. Das Bukett wirkt direkt fruchtig mit Aromen von Zitronen, Waldmeister, süßen gelben Früchten und weißen Blüten. Am Gaumen ist er nur leicht süßlich, was durch die angenehme Kohlensäure gut ausgeglichen wird. Im Nachhall zeigt sich dezent weiniger Geschmack. Dieser alkoholfreie Schaumwein sollte sehr kühl getrunken werden und ist für jene Genießer geeignet, die nach einem Ersatz für süffigen, einfachen Prosecco suchen.
Louis Pugibet / Cuvée Bonheur
Languedoc – Frankreich / 7,95 Euro
Jacques Weindepot
Das erste was an diesem alkoholfreien Schaumwein auffällt, ist die sehr appetitliche Roséfarbe. Aber auch hier ist eine grobe Perlage im Glas zu sehen. Im Geruch zeigen sich intensive Aromen von gekochten Früchten wie Erdbeere, Kirsche und Rhabarber. Insgesamt ist es ein klares, fruchtbetontes Bukett. Am Gaumen überzeugt dieser Schaumwein mit seiner trockenen Art. Ein Schaumwein der viele Roséfreunde glücklich machen dürfte.
Sehr zurückhaltend fällt dieser alkoholfreie Schaumwein aus. Der Wein ist sauber und klar, hat aber kaum eigenen Charakter. Im Bukett zeigen sich dezente Aromen von Rosen und Zitronenlimonade, die etwas künstlich wirken. Der Wein ist nicht zu fruchtig, die Kohlensäure ist angenehm und der Nachhall fällt eher kurz aus.
Pearl Blanc / Weinkönig
Frankreich / 9,95 Euro – Bio
Temma / Aachener Straße 297 / 50933 Köln
Schon die dunkle, strohgelbe Farbe des alkoholfreien Bioschaumweins deutet auf ein reiferes Produkt hin. Das Bukett ist eindimensional und geprägt von Aromen wie braunem Apfel, gebrannten Mandeln und einem etwas stechenden Geruch. Dieses Getränk wirkt am Gaumen angenehm trocken, verfügt aber über eine deutliche Bitternote im Nachhall und wirkt insgesamt eher spröde. Dieser alkoholfreie Schaumwein erinnert mehr an einen bäuerlichen Cidre als an einen Wein.
Dieser alkoholfreie Wein überzeugt mit einer erstaunlichen Duftfülle. Das Bukett ist geprägt von Aromen von Mandarinenschale, Jasmin, Wildrose und grünem Apfel. Er schmeckt angenehm feinherb, wobei der dezente Restzuckergehalt die Aromen am Gaumen raffiniert zur Geltung bringt. Die frische Säure belebt und im Nachhall zeigen sich Noten von rosa Grapefruit und Blüten. Ein gut gelungenes Produkt, das in dieser Reihe am ehesten den Gedanken an richtigen Wein aufkommen ließ.
Light live Red / Schloss Wachenheim
Deutschland / 3,99 Euro
Rewe Maziejewski / Aachener Straße 382 / 50933 Köln
Dieser alkoholfreie Rotwein ist sauber gemacht und solide. Das Bukett ist geprägt von Aromen von gekochten Schattenmorellen und rote Beeren. Ein Hauch von Vanillenoten lässt den Gedanken an Fassausbau aufkommen. Am Gaumen zeigt dieser alkoholfreie Wein kaum Gerbstoffe, er wirkt jedoch weinig und die leichte Bitternote im Finish ist gut eingebunden.
Romance en Rouge / Weinkönig
Frankreich / 8,95 Euro - Bio
Temma / Aachener Straße 297 / 50933 Köln
Die dunkle rubinrote Farbe sieht vielversprechend aus. Das Bukett wirkt insgesamt würzig mit Aromen von gekochten Kirschen, Pflaumen, Wachholder und Pfeffer. Der alkoholfreie Wein schmeckt trocken, zeigt aber eine eher ruppige Gerbstoffstruktur. Hier bildet sich ab, wie schwer es ist, bei Rotwein auf Alkohol zu verzichten. Der Nachhall ist säuerlich sowie bitter, und es bleiben vor allem gekochte Aromen im Nachhall stehen. Ein rustikales Getränk, das kein Gefühl von einem vollmundigen Rotwein aufkommen lässt.
Light live White / Schloss Wachenheim
Deutschland / 3,99 Euro
Rewe Maziejewski / Aachener Straße 382 / 50933 Köln
Dieser alkoholfreie Wein hat uns nicht wirklich überzeugt. Die Aromen sind wenig von Frucht geprägt, sondern wirken etwas dumpf und stechend. Insgesamt riecht das Bukett eher künstlich und aufgesetzt. Das Getränk schmeckt insgesamt dünn, säuerlich und lässt kaum den Gedanken an Wein aufkommen. Der Nachhall ist kurz und wird von einem Bitterton dominiert.
Der erste Eindruck verrät die Rebsorte Riesling mit Aromen von grünem Apfel, Zitrusaromen und sogar einem Hauch von Mineralität. Die knackig frische Säure gleicht den Restzuckergehalt von etwa fünf Gramm pro 100 Milliliter spielend aus – was dem Wein einen angenehmen feinherben Charakter verleiht. Mit seinen Aromen von Zitrusfrüchten und dem raffinierten Spiel zwischen Süße und Säure hat man den Riesling-Charakter sehr gut eingefangen.
Die Ergebnisse zusammengefasst
Unser Fazit bestätigt die These, dass man dieses Getränk nicht direkt mit Wein vergleichen sollte. Dafür fehlt der alkoholfreien Variante die Finesse und Komplexität.
Für sich betrachtet sind diese Produkte allerdings spannend und können für alle, die auf Alkohol verzichten müssen, geschmacklich einiges bieten. Schließlich hat gemeinsamer Weingenuss einen starken sozialen Aspekt. Und mit alkoholfreiem Sekt lässt es sich auch prima anstoßen!