Köln – Nie war Spitzenküche so vielfältig wie heute, niemals zuvor gab es so viele Trends und Stile. Viele davon haben auch in Köln ein Zuhause. Was ist gerade angesagt, und wird es das in Zukunft auch noch sein?
Regionalität
Obwohl schon heimische Köche wie Christoph Paul ein großes Augenmerk auf die Verwendung heimischer Lebensmittel gelegt haben, waren es doch Jan C. Maier und Tobias Becker vom „MaiBeck – Für Dich“, die diesem Trend in Köln zu einer größeren Aufmerksamkeit verhalfen. Sie stellen die Produzenten ihrer Lebensmittel nach vorn und ermöglichen durch feste Abnahmen, dass es sich lohnt hochklassige Produkte zu produzieren.„Wir beobachten eine stagnierende Entwicklung dieses Trends“, sagt Maier. „Diejenigen, die das Thema für wichtig erachten und Wert auf die entsprechenden Produkte legen, haben sich da jetzt ihre Quellen und Wege erarbeitet, um einigermaßen bequem an die regionalen Lebensmittel zu kommen. Ich vermute, dass sich die Entwicklung im privaten Konsum noch etwas mehr etabliert, gastronomisch aber der Durst nach neuen Ideen gestillt werden wird.“
Weltküche
Wohl keine andere Region hat in den letzten Jahren einen dermaßen starken Einfluss auf Fine Dining und auch Street Food gehabt wie Asien – insbesondere Japan. Mit dem Yunico (Bonn), Nagaya und Yoshi (Düsseldorf), Gut Lärchenhof (Pulheim), dem Ito sowie dem Taku in Köln finden sich gleich sechs herausragende Restaurants dieses Stils im Rheinland. „Ich glaube, die japanische Küche dient mittlerweile als Vorbild in vielerlei Hinsicht“, sagt Mirko Gaul vom Taku. „Sie ist und war schon immer eine sehr reduzierte Küche – gerade im Hinblick auf Komponenten-Schlachten auf den Tellern. Aber auch die absolute Fokussierung auf die Qualität des Produktes und die Unverfälschtheit des Geschmacks ist ein grundlegender Pfeiler.“ Julia Komp wird Ende des Jahres in den Räumen des ehemaligen „L’Accento“ ihre Restaurants „Sahila“ und „Yu*lia“ eröffnen, und damit auch der Küche des Orients einen Platz in der Fine-Dining-Szene Kölns geben.
Personalmangel
Schon vor Corona litten Restaurants darunter, kein Personal für Service und Küche zu finden – die Pandemie hat das Problem dramatisch verschärft. Es ist davon auszugehen, dass mehr und mehr Convenience-Produkte in Küchen Einzug halten werden. In der Spitzengastronomie bietet kaum noch jemand ein Mittagsangebot an, auch die Öffnungstage wurden vielerorts reduziert. Große À-la-Carte-Angebote finden sich kaum mehr, üblich ist mittlerweile ein einziges Menü.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Der klassische Restaurant-Betrieb mittags und abends mit Teilschichten, welche sich auch gern mal über 14 bis 16 Stunden ausdehnen konnten, ist passé“, sagt Jan C. Maier vom MaiBeck. „Langfristig werden wir sicher noch eine weitere Erhöhung des Preisniveaus erleben, da gute Mitarbeiter noch deutlich teurer werden.“Vincent Moissonnier, Patron des „Le Moissonnier“, wird bei dem Thema emotional. „Wir Arbeitgeber hatten die Chance, unseren Mitarbeitern zu zeigen, dass wir sie lieben und brauchen. Was haben wir gemacht? Alle in Kurzarbeit geschickt mit der festen Überzeugung, die kommen alle wieder! Diejenigen, die jetzt jammern, sind selbst schuld. Schuld wegen ihrer Ignoranz und Dummheit den jungen Leuten gegenüber! Wie oft habe ich gehört, dass die junge Generation faul und lustlos ist! Von wegen, dieser Beruf muss modernisiert werden, und ich hoffe, dass die jüngere Generation das anpackt.“
Menü-Zwang
Viele Spitzenrestaurants bieten mittlerweile nur noch ein Menü an, manchmal sogar völlig ohne Auswahlmöglichkeiten. Geschuldet ist das hohen Produktkosten und Fachkräftemangel – fraglich ist, ob dies ein tragfähiges Modell für die Zukunft ist. Vincent Moissonnier hat dazu eine sehr klare Meinung: „Das Abschaffen von normalen Speisekarten, wo der Gast selbst entscheiden kann, was er essen möchte, ist ein Riesenfehler. Wir Gastronomen dürfen unsere Gäste nicht entmündigen.“Wie auch das „Alfredo“ bietet Moissonnier weiterhin einen Mittagstisch an, und mit seiner Plat du Jour auch ein Einstiegsangebot für die Spitzenküche, das besonders junge Esser anlocken soll. Eric Werner vom „Astrein“ lehnt den Menüzwang ebenfalls ab und sieht einen Wandel in den Menü-Größen: „Der Trend geht zu weniger Gängen. Wir hatten früher Sieben-Gänge-Menüs, jetzt nur noch fünf Gänge. Die Gäste wollen auch nicht mehr zwischen jedem Gang eine halbe Stunde Pause haben, die wollen zu einer ordentlichen Uhrzeit nach Hause kommen.“
Der Aufstieg des Gemüses
Vegetarische und vegane Gerichte sind die Trends der Stunde. In deren Fahrwasser hat Gemüse eine ganz neue Bedeutung in der Spitzenküche erhalten. Vom dienenden Begleiter zu Fisch und Fleisch hin zum gleichberechtigten Akteur. In Köln arbeiten vor allem das NeoBiota, das Pottkind und das Astrein in diesem Bereich, aber bei so gut wie allen Spitzenrestaurants ist zu sehen, dass reguläre Menüs plötzlich vegetarische Gerichte beinhalten.
Tapas-Style
Kein Küchenstil ist in den vergangenen Jahren vor der Verwandlung in kleine Portionen gefeit gewesen. Als erstes Restaurant, das diesen Trend in Köln auf hohem kulinarischem Niveau etablierte, muss Hendrik Olfens „Henne Weinbar“ gelten. „Ich denke, der Hype darum ist durch“, sagte er. „Aber etwas Wertvolles ist geblieben, was uns noch lange erhalten bleiben wird: Das Aufbrechen der Regeln, des Rahmens, in den wir seit Ewigkeiten den Abend der Gäste pressen wollen. Kleine Gerichte, die jederzeit und in jeder Menge bestellt werden können, eine offene Tür für Gäste jeder Façon, jeden Geldbeutels, jeder Appetit-Größe.“
Individualismus
In einem kompetitiver werdenden Wettbewerb werden zuerst die Kopisten scheitern. Maximilian Lorenz hat in seinem nach ihm benannten Restaurant einen Stil etabliert, der deutschlandweit so gut wie nicht zu finden ist: Er definiert Regionalität als Küche mit Produkten, die ausschließlich aus Deutschland stammen. „Vielleicht sollte der Trend zu einer nationalen Küche mit regionalen Einflüssen gehen. In Dresden freue ich mich zum Beispiel über ein Jägerschnitzel Ost, aber in Köln brauche ich das nicht auf dem Teller“, sagt Lorenz.
Revival der Klassik
Die Klassik steht vor einer Renaissance. In Köln ist Eric Werner vom „Astrein“ ihr wichtigster Vertreter, Marlon Rademacher von „La Cuisine Rademacher“ ein anderer, und mit Leon Hofmockel vom „La Sociéte“ hat gerade ein großartiger Koch in Köln seine Zelte aufgeschlagen, der sie ebenfalls zurück zur Blüte führen könnte – und im „Landhaus Kuckuck“ kocht noch einer der letzten Altmeister Deutschlands.
„Die Modemarke Hermès ist nie aus der Mode gewesen, und die war auch nie weg, die wird auch immer bleiben“, sagt Eric Werner. „Die Renaisssance wird kommen, aber da wird Folgendes passieren: Viele werden das nicht können, wie bei der Molekularküche. Viele werden wieder Terrinen machen, aber vergessen, die Farce durchzustreichen, das Fachwissen wird nicht mehr vermittelt. Dabei basiert alles auf der französischen Küche.“
Event-Küche
Restaurants wie René Redzepis legendäres „Noma“ in Kopenhagen haben es vorgemacht: nur noch ein festes Menü über viele Monate, das sich als besonders spektakulär versteht. In Köln folgt das „Ox & Klee“ diesem Trend, der auch eine Abkehr vom klassischen Stammpublikum vorsieht, hin zu einer internationalen Feinschmecker-Szene.Das Menü wird als Gesamtkunstwerk gesehen, aus dem sich kein Element lösen lässt – auch nicht bei Allergien oder Unverträglichkeiten. Nicht der Gast ist hier König, sondern der Star-Koch. „Trend Nr. 1 ist einfach vegetarische und vegane Ernährung“, sagt Daniel Gottschlich. „Tierwohl und Nachhaltigkeit sind damit natürlich inbegriffen.“ Der Preis für ein vegetarisches Menü ist genauso hoch wie bei jenen mit Fisch und Fleisch. „Da wir das Gemüse teils selbst anbauen, kann so eine Rote Beete auch schon mal 1,50 Euro kosten. Das muss sich natürlich auch im Verkaufspreis widerspiegeln.“ Aktuell liegt das Menü bei 230 Euro. Für Köln eine echte Ansage, international in dieser Klasse fast Standard.Gottschlich inszeniert sich auch mit Abstand am stärksten unter den Köchen des Rheinlands als Küchen-Star mit aufwendigen Videos und Fotos. Auch da steht er ganz in einer Linie mit vielen aktuellen Berühmtheiten der weltweiten Küchenszene.
Reduktion
Einer der großen internationalen Trends. Auch als Gegenentwurf zu all den Punkten, Schäumchen und Mikro-Elementen die über Jahre die Optik auf den Tellern bestimmten und Gäste überforderten. Es geht um die Reduzierung auf das Wesentliche – wobei dieses Wesentliche dann auch höchste Qualität haben muss. In Köln steht vor allem das Pottkind mit Enrico Sablotny für diese Bewegung. Es gibt Restaurants, bei denen dieser Ansatz in einer rohen Spargelstange mit ein paar Tropfen Öl endet. Sablotnys Stil ist nicht so puristisch, sondern zugänglicher.