Köln – Wie ein Märchenschloss steht die zweite Kölner „Centralstation“ mit ihrem berankten Treppenturm in der Südstadt. Als stolzes Elektrizitätswerk wurde sie vor mehr als 120 Jahren errichtet, um die neue elektrische Straßenbahn mit Strom zu versorgen – hier startete quasi die E-Mobilität von Köln.
Am Donnerstagabend sollte es in der gründerzeitlichen Industriehalle, die auch „Kathedrale der Technik“ genannt wird, eigentlich märchenhaft unbeschwert zugehen. Rund 200 Gäste hatte die Rhein-Energie eingeladen, um ihr 150-jähriges Bestehen zu feiern. So alt ist der regionale Energie- und Trinkwasserversorger zwar nicht, aber seine Ursprünge hat das städtische Unternehmen dennoch im Jahr 1872. Damals nämlich begann mit dem Wasserwerk an der Alteburg die zentrale Wasserversorgung Kölns, das mit unhaltbaren hygienischen Verhältnissen zu kämpfen hatte.
Schwer in der Luft der „Centralstation“ lagen allerdings die aktuellen Ereignisse in der Ukraine, der mögliche Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland und die generell steigenden Preise für Strom, Öl und Erdgas. „Die Entwicklung der Energiepreise an den Börsen, egal ob für Spot- oder Terminmärkte, stellt uns aktuell vor die Herausforderung, wie wir überhaupt noch bezahlbare Energie liefern sollen“, so Rhein-Energie-Vorstandsvorsitzender Dieter Steinkamp. Es gelte nun schneller als bisher geplant, die Energiewende voranzutreiben. Der „eigentlich kluge Plan“, Erdgas bei einem zügigen Übergang als Absicherung zu nutzen, werde aufgrund der politischen Lage nicht mehr funktionieren: „Das wissen wir jetzt.“ Die Energiewende erfordere nicht weniger als den fundamentalen Umbau „unseres kompletten Energieversorgungssystems“.
Solaroffensive bei der Rheinenergie
Auch die Ansprache von Oberbürgermeisterin Henriette Reker war geprägt von den neuen Unwägbarkeiten. In Zeiten des Ukraine-Kriegs richte sich der Blick darauf, was lange selbstverständlich gewesen sei: „Dass Strom stabil fließt, dass Gas zum Heizen und Benzin zum Tanken trotz Preisschwankungen erschwinglich ist.“ Diese Gewissheit sei einer allgemeinen Verunsicherung gewichen. Für sie sei der Abschied von den fossilen Brennstoffen nun das „Top-Thema schlechthin“.
Bis 2035 werde die Rhein-Energie die Energieversorgung dekarbonisieren. Die Stadt begleite den Prozess mit einer massiven Solaroffensive. Doch der Weg sei noch weit: „Als Stadt könnten wir theoretisch über die Hälfte unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien „produced in Köln“ decken – aktuell haben wir erst rund 1,5 Prozent erreicht.“
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NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst gratulierte der Rhein-Energie per Video-Ansprache zum Jubiläum für ihren Einsatz für „Wachstum und Wohlstand“. Doch auch seine Worte klangen nach viel Arbeit und großen Herausforderungen schon in der nahen Zukunft. Einerseits gelte es, sich schnellstmöglich von russischer Energie und fossilen Brennstoffen zu lösen. Andererseits dürfe auch im kommenden Winter eine warme Wohnung kein Luxus sein.