Köln – An diesem Donnerstagmorgen ist der Brüsseler Platz fast schon peinlich sauber – und ruhig. Auf der Treppe zu St. Michael sitzen zwei Besucher und essen Sandwiches, auf dem Spielplatz lässt eine junge Mutter aus Leverkusen ihren Sohn Rochus sich auf dem Klettergerüst ausprobieren.
Fußgänger führen Hunde aus, Wirte polieren Tische im Außenbereich der Gastronomie. Eine spanische Touristengruppe steht um Guide Ane Lopez herum, die erklärt, dass es hier auf dem Platz nachts mitunter munter kracht und die Anwohner sich darüber so richtig ärgern. Man braucht an diesem Morgen ein bisschen Vorstellungsvermögen, um Lopez’ Ausführungen folgen zu können.
„Es ist immer extremer geworden“
Paulo Soarez (42) braucht da keine Fantasie. Er wohnt seit seiner Kindheit am Brüsseler Platz und sagt: „Es ist immer extremer geworden.“ Lärm, Müll und Uringestank machen den Anwohnern zu schaffen. Soarez ist selbst Betriebsleiter in der „Roonburg“ und daher so einiges gewohnt.
Am Brüsseler Platz nehme das Problem überhand: „Wenn ich am Sonntagmorgen mit meinem Hund spazieren gehe, ist der Platz voll von Scherben.“ Weniger die Besucher, die bis 24 Uhr ins Belgische Viertel kämen, seien schuld am Lärm- und Müllproblem, sondern einige wenige Krawallmacher, die spät nachts kämen. Es habe sich eine Szene von Leuten am Platz etabliert, die harte Sorten Alkohol konsumierten.
Pfandflaschen werden auf den Boden geworfen
Ähnlich sieht das Hans Jörg Knott (55), der seit 25 Jahren im Viertel wohnt. „Das Gemurmel der vielen Leute, die bis Mitternacht hier sind, stört nicht. Aber es gibt Leute, die meinen, hier um drei Uhr nachts die FC-Hymne singen zu müssen.“ Jugendliche, die mit Ghettoblastern kommen.
Jugendliche Dealer, die rund um die Tischtennisplatten Cannabis verkaufen. Und anstatt wie früher die Bier-Flaschen – gut sichtbar für Pfandsammler – auf die Mülleimer zu stellen, sei es mittlerweile Brauch, sie im hohem Bogen über den Kopf und auf den Boden zu werfen.
„Ich rege mich gar nicht mehr auf“, sagt Anwohnerin Judith Rutberg. Die 29-jährige Sozialarbeiterin sitzt selbst schon mal gern mit einem Getränk auf dem Brüsseler Platz. Andererseits muss sie auch schon einmal mitten in der Nacht die Polizei rufen, wenn Jugendliche Radau machen. Immerhin seien die Beamten schon nach zehn Minuten da gewesen, als sie einmal eine Schlägerei meldete.
Vor allem der Müll ist Yana Yo von der Initiative Querbeet, die sich um die Beete auf dem Platz kümmert, ein Dorn im Auge: „Wir verbringen mittlerweile 70 Prozent unserer Arbeit damit, Abfall aus den Beeten zu holen“, sagt die Politikerin, die für die Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt sitzt. Zur eigentlichen Pflege der Beete komme die Initiative kaum noch. Besonders die Wildpinkler stellten ein Problem dar: „Die urinieren nachts auf dem Spielplatz und morgens krabbeln da Kinder drüber. Das ist ekelhaft.“
Stadt hat Vermittler engagiert
Was also tun? Die Stadt hat wie im Vorjahr über eine private Firma Vermittler engagiert, die die Besucher ab 22 Uhr dazu überreden sollen ruhig zu sein und ab 24 Uhr den Platz zu verlassen. Allerdings sind sie nur alle 14 Tage am Wochenende im Dienst.
Die Abfallwirtschaftsbetriebe reinigen den Platz gegen Mitternacht und schaffen den größten Schmutz weg. Kioske und ein nahe gelegener Supermarkt haben sich verpflichtet, ab 23.30 Uhr keinen Alkohol zu verkaufen. Die Kirche St. Michael schaltet um 22.30 Uhr, im Sommer eine Stunde später das Licht aus.
Die Polizei musste in diesem Jahr ungefähr 200-mal zum Brüsseler Platz ausrücken – etwa so oft wie im Vorjahr. Bei der Hälfte der Einsätze ging es um Ruhestörung, siebenmal wurden die Beamten wegen Randalierern zu Hilfe geholt, elfmal wegen Streitigkeiten, neunmal wegen Belästigung und einmal wegen eines Raubdeliktes. Laut Polizei stellt der Platz weiterhin „keinen Kriminalitätsschwerpunkt dar.“
Die meisten Anwohner hätten resigniert
Die Stadt hat in diesem Jahr 32 Beschwerden registriert. Zwölf Verwarnungen, meist wegen Ruhestörungen, wurden ausgesprochen, sechs Bußgeldverfahren gegen Störer eingeleitet. Im Bericht an den Rat von 2016 heißt es: Die „Maßnahmen entfalten somit weiterhin Wirkung, auch wenn sich einzelne Personen oder Gruppen immer wieder störend verhalten“. Die Zahl der Besucher sei 2016 höher als 2015 gewesen, geringer aber als in den anderen Vorjahren.
Detlef Hagenbruch vom Bürgerbüro Brüsseler Platz hält die Statistik für wenig aussagekräftig. Die meisten Anwohner hätten resigniert und würden Ruhestörungen nicht mehr melden. „Das Ordnungsamt wird seinen Aufgaben nicht gerecht“, sagt er. Der Ermessensspielraum gegen Ruhestörer würde zu weit ausgelegt.
Hagenbruch fordert mehr Kontrollen durch die Polizei auf dem Platz. Anwohner Knott schlägt gegen Müllsünder eine kreative Lösung vor: Ähnlich wie in Norwegen sollten Abfallbehälter installiert werden, die Geräusche machten – etwa den Fall eines Steins in zehn Meter Tiefe – simulierten, was den Leuten dort so großen Spaß macht, dass sie gern den Abfallkorb benutzen. Nur zu laut dürfte das Geräusch nicht sein.