Köln – Es ist einigermaßen erstaunlich. Während sich potenzielle Grünen-Wähler bundesweit in Scharen der SPD zuwenden, um einen Kanzler Armin Laschet zu verhindern – so die Lesart der Kölner Grünen-Spitze am Wahlabend – bleibt die Partei in der Stadt auf Platz eins, unangefochten, mit Abstand. Nach dem Erdrutschsieg bei der Europawahl vor zwei Jahren und den historischen 28 Prozent bei der Kommunalwahl nun wieder: 28 Prozent.
„Wir haben mit einem sehr starken Ergebnis gerechnet – und sind jetzt trotzdem positiv überrascht“, sagt der Kölner Vorsitzende Frank Jablonski am Montag. Er führe das starke Ergebnis auf „die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit“ zurück, die viele Kölnerinnen und Kölner suchen würden und bei seiner Partei fänden.
Sven Lehmann schreibt Geschichte: „Es gibt nichts Größeres“
Als Beleg dafür kann das Ergebnis für Sven Lehmann, dem im Kölner Südwesten Historisches gelang, herhalten. Er holte das erste grüne Direktmandat in der Geschichte der Stadt – mit fast zehn Prozentpunkten Vorsprung auf CDU-Kandidatin Sandra von Möller. Lehmann, 41 Jahre alt, ist sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion, kämpft für bezahlbare Mieten und das Ende von Hartz IV. Aber auch für den Erhalt des Grüngürtels, soziale Projekte am Kölnberg und den Ausbau der Linie 13.
„Es gibt für einen Politiker nichts Größeres“, sagte er am Sonntagabend ziemlich überwältigt über seine Direktwahl, als sich andeutet: Es wird reichen, und zwar deutlich. „Ich glaube, dass die Menschen vor Ort sehr genau spüren, ob einem Politiker auch in Berlin der Wahlkreis wichtig ist. Und mir ist er sehr wichtig“, sagt er am Montag mit Blick auf das amtliche Endergebnis. Jetzt, 20 Stunden später, sitzt Lehmann in der Bahn nach Berlin und klopft in verschiedenen Videokonferenzen ab, was nun geht.
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Er hoffe, „dass eine Ampel möglich wird“, für einen echten Aufbruch mit CDU und FDP „fehlt mir gerade die Fantasie“, sagt Lehmann. Müssen die Grünen zwingend in der nächsten Bundesregierung vertreten sein? „Nicht um jeden Preis“, sagt Lehmann, „aber unser Wähler wollen, dass wir regieren.“ Das Wahlergebnis habe „recht klar“ gezeigt, dass die Menschen Armin Laschet nicht als Kanzler wollen.
Kölner Grüne waren nah am zweiten Direktmandat
Katharina Dröge und Nyke Slawik, die über ihren Platz auf der Landesliste für Köln in den Bundestag einziehen werden, stimmen ihm zu. Slawik hält die Union für abgewählt – und erklärt den klaren Wahlsieg für SPD-Konkurrent Karl Lauterbach mit einer „Anti-CDU-Stimmung im Wahlkreis“.
Katharina Dröge hat den Kampf um das Direktmandat in Ehrenfeld und Nippes überraschend knapp gegen Rolf Mützenich (SPD) verloren. „Nachts bin aufgewacht und habe gedacht: Du musst jetzt nochmal gucken“, sagt Dröge. Auf dem Smartphone hat sie dann gesehen: Es fehlten 1,7 Prozentpunkte. Trotz der Niederlage habe „die Freude über das Ergebnis überwiegt. Das hat mich schon stolz gemacht.“
Katharina Dröge: „Klare Präferenz für die Ampel bestätigt“
Dröge, die im letzten Bundestag dem grünen Fraktionsvorstand angehörte, sagt: „In unseren Runden hat sich bestätigt, dass es eine klare Präferenz für die Ampel gibt. Weil das Ergebnis sehr klar Gewinner und Verlierer beschreibt. Die Reihenfolge in den Gesprächen ist klar.“ Dass sich nun zunächst FDP und Grüne über mögliche Regierungskonstellationen austauschen, halte sie für sinnvoll. Ihre Partei werde versuchen, ein Ampelbündnis zu schmieden, werde sich „aber nicht unter Wert verkaufen“.
Von der Kölner Parteispitze, die sich auf kommunaler Ebene zuletzt für ein Ratsbündnis mit der CDU entschieden hat, gibt es Rückendeckung: „Deutlich ist, dass Grüne und SPD hinzugewonnen haben – und dass die CDU verloren hat. Daraus kann man einen Auftrag ablesen“, sagt Frank Jablonski.