- Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
- Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
- In dieser Folge geht es um schwere Stürme über dem Dom.
Köln – Heikel wurde es am Dom immer, wenn schwere Stürme aufzogen. Mein erster großer Orkan war „Lothar“. Am zweiten Weihnachtstag 1999 fegte er mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 150 Kilometern pro Stunde und Spitzenböen von bis zu 270 Kilometern pro Stunde über Mitteleuropa hinweg. Schon als die Vorhersagen mit den entsprechenden Vorwarnungen kamen, hatte ich ein ausgesprochen mulmiges Gefühl, und mir war von vornherein klar, dass es nicht gut wäre, die Domplatte frei zugänglich zu lassen. Seltsamerweise drücken sich die Menschen bei Sturm eher in die Nähe des Gebäudes, als auf sicheren Abstand zu gehen.
Kurz nach der Sperrung fiel ein Stein von der Fassade
Ich rief bei der Stadt an, was zu tun sei, und wir kamen überein, dass man uns für die Absperrung einige der Drängelgitter brachte, die sonst immer an Rosenmontag zum Einsatz kommen. Laut Prognosen sollte Lothar uns mit seiner vollen Wucht am Mittag des 26. Dezember gegen 1 Uhr erreichen. Wir fanden zwei Freiwillige, die sich so lange ins Domforum setzten und auf ihren Einsatz warteten. Kurz bevor es dann so richtig losgehen würde, sollten sie das Areal unterhalb der Domtürme dichtmachen. Einer der beiden Männer sprach mich an und sagte: „Also ehrlich, Frau Dombaumeister, das haben wir noch nie gemacht. Und auch so ist es bisher immer gut gegangen.“ Der Unterton war überdeutlich: Was will dieses ängstliche Weib mit ihrem überflüssigen Kram?
Nun geschah es aber, dass kurz nach der Sperrung tatsächlich ein Stein von beträchtlicher Größe von der Fassade herunterfiel und in dem abgesperrten Bereich landete. Seitdem gab es nie wieder eine Diskussion. Bei Sturmwarnung mit Windgeschwindigkeiten von 110 Kilometern pro Stunde und mehr sperren wir das Areal vor der Westfassade. Und seit Lothar, da hat der Helfer von damals dann doch recht behalten, ist auch nie mehr etwas passiert.
Ein anderes Mal – ganz sturmfrei – erreichte mich ein Anruf des Dompropstes, als ich gerade mit einer Besuchergruppe auf dem Domdach unterwegs war: Vom Dom sei ein Stein heruntergefallen und habe jemanden verletzt. Um Gottes willen, nichts wie hin! Als ich unten vor den Domportalen ankam, waren außer dem Propst auch schon die Polizei und der Rettungsdienst da. Den Verletzten habe man sogleich ins Krankenhaus gefahren, und ich solle nun unbedingt einen Besuch machen und mit einem großen Blumenstrauß um Entschuldigung bitten.
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Einer der Polizisten wusste sogar, um wen es sich bei dem Verletzten handelte, nämlich um einen der Männer, die sich regelmäßig im Bereich der Portale aufhalten und die Passanten um etwas Kleingeld bitten. Ich erkundigte mich also, wohin der Mann gebracht worden sei, und war fest entschlossen, mich auf den Weg in die Klinik zu machen. Den Blumenstrauß hatte ich in Gedanken schon in Naturalien der etwas handfesteren Art getauscht. Doch am Telefon das Klinikpersonal erklärte mir am Telefon, ich bräuchte mich nicht zu bemühen. Der Mann sei schon wieder weg. Er habe nur eine kleine Schramme gehabt und auf keinen Fall bleiben wollen.
Indirekter Steinschlag
Tatsächlich hatte der Stein ihn zum Glück nicht erwischt. Er war vielmehr in der Nähe aufgeschlagen, und der Mann hatte davon einen Splitter abbekommen. Schlimm genug, aber ganz sicher weniger fatal als ein direkter Treffer. Am Ende war der Mann dann nicht nur mit dem Schrecken davon-, sondern mit seiner Ungeduld auch um meinen Besuch samt Mitbringsel herumgekommen.