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„Wir drehen am Rad“Kita im Kölner Westen startet Demo am Dom

Lesezeit 4 Minuten
Sieben Frauen stehen auf der Domplatte, sie tragen orange T-Shirts und halten Demo-Plakate in die Höhe.

Melanie Monescu (2.v.l.) und Mona Sarnelli (3.v.l.) mit Eltern und Erziehern der Kita Wilde Füchse

Gegen den Personalmangel in der Kita Wilde Füchse demonstrierten Mitarbeitende und Eltern auf dem Roncalliplatz. Sie fuhren mit dem Rad in die City.

Der etwa 30-köpfige Trupp aus Bocklemünd machte ordentlich Alarm auf dem Roncalliplatz. Slogans wie „Kleine Füchse – großer Bedarf“, „Kita sucht Mitarbeiter“, „Wo sind die qualifizierten Erzieher?“ oder „Werde Teil eines wilden Rudels“ waren auf Plakaten zu lesen, oder sie wurden zum Klang von Trillerpfeifen immer wieder skandiert. Dabei liefen die meist in orangefarbene Warnwesten gekleideten Teilnehmer an der Aktion stoisch im Kreis herum.

„Wir drehen am Rad“ lautete das Motto der Fahrraddemo, mit der Eltern und Erzieher auf den Personalmangel in der Kita „Wilde Füchse“ in Mengenich aufmerksam machen wollten. Dort werden derzeit 85 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren betreut. Am Sitz der Kita, dem Bürgerschaftshaus im Görlinger-Zentrum, war die Demo gestartet und sollte nun auf dem Roncalli-Platz mit einer Kundgebung, Diskussionen mit Passanten und im besten Fall mit der Anwerbung neuer Mitarbeiter enden.

Das erwies sich als schwierig. „Auf dem Platz sind ja kaum Kölner unterwegs, meist Touristen“, sagte Kita-Leiterin Melanie Monescu etwas enttäuscht vor der imposanten Kulisse des Doms. „Wir hatten uns ja eigentlich die Schildergasse als Zielpunkt in der Innenstadt ausgesucht, aber das war nicht umzusetzen.“ Ansonsten habe die Polizei ihre Demo sehr zuvorkommend begleitet, sogar den Friesenplatz kurzzeitig gesperrt. „Auf der Venloer Straße in Ehrenfeld hatten wir Zeit anzuhalten, unsere Flyer zu verteilen und mit den Leuten zu reden.“

Drei Stellen in Kita in Köln-Bocklemünd sind unbesetzt

Der Tenor dieser Gespräche allerdings sei ernüchternd gewesen, berichtete Monescu: „Viele haben uns erzählt, dass die Probleme in ihrer Kita ähnlich groß sind. Das beschränkt sich eben nicht mehr auf die äußeren Stadtteile, sondern hat längst innenstadtnahe Wohnquartiere erreicht.“ Vor zwei Jahren haben die „Wilden Füchse“ drei Stellen für qualifizierte Mitarbeiter ausgeschrieben: „Kinderheilpädagogen, Logopäden, Motopäden – wir würden alle nehmen, aber bislang ist nur eine Bewerbung eingegangen“, so die Kita-Leiterin. „Es handelt sich um eine Frau aus der Ukraine. Wir kämpfen gerade darum, dass ihre Qualifikation hier anerkannt wird.“

Zuletzt musste die Zahl der Betreuungsstunden wegen des Personalmangels von 50 auf 45 pro Kind und Woche reduziert werden. Wenn es so weitergeht, droht ab dem kommenden Jahr bei den „Wilden Füchsen“ gar die 35-Stunden-Betreuung. Denn einige Mitarbeiterinnen treten in den Ruhestand, und ihre Kolleginnen und Kollegen können nicht einfach beliebig viele Kinder „mitübernehmen“, dafür gibt es je nach dem Alter der Pänz schließlich feste Betreuungsschlüssel. Die sind jetzt schon komplett ausgereizt: „Häufig kommen Kollegen krank zur Arbeit, damit wir die Kinder nicht nach Hause schicken müssen“, so Monescu.

Männer und Frauen in orangen Oberteilen gehen über die Domplatte.

Die Eltern und Erzieher bei der Demo auf dem Roncalli-Platz.

Aylin Inal, berufstätig und Mutter von vier Kindern, von denen zwei die „Wilden Füchse“ besuchen, stünde schon bei einer Kürzung bei der Zahl der Betreuungsstunden vor großen Organisationsproblemen. „Man kann die Kinder vorübergehend bei Verwandten oder Freunden unterbringen, auch mal ein paar Urlaubstage nehmen oder verstärkt im Home Office arbeiten, aber das hat alles seine Grenzen.“ Branislaw Doroslovak, dessen Sohn die Kita im Bürgerschaftshaus besucht, ärgert sich über die Politik, die dem absehbaren Notstand tatenlos zusieht. „Das Problem ist schon lange bekannt. Derzeit spricht man dauernd vom Fachkräftemangel. Aber der wird nur verstärkt, wenn die Eltern nicht mehr zur Arbeit gehen können, weil Kita-Plätze fehlen.“

Da kann Melanie Monescu nur zustimmen, gibt aber zu bedenken, dass eine verlässliche Betreuung für Kinder von arbeitslosen Eltern – und davon gibt es in Mengenich einige – oft noch viel wichtiger ist. Eine naheliegende Lösung wäre die Anhebung der Bezüge von Erziehern, das weiß Mona Sarnelli, stellvertretende Leiterin der „Wilden Füchse“ aus eigener Erfahrung. Denn auf der Leitungsebene etwa verdient man besser: Als sie im vergangenen Jahr „aus meiner heilen Welt Konstanz“ neu hinzukam, musste sie sich gegen vier Mitbewerber durchsetzen. Sie hatte selbst allerdings auch andere Job-Angebote.

Sarnelli, die sich aufgrund des engagierten Teams für Mengenich entschieden hat, erzählt auch, dass manche Kita-Träger neue Mitarbeiter mit Benefits wie kostenlosen Job-Tickets, Handy-Guthaben oder einem Jahresurlaub ködern. Solche Leistungen kommen beim Bürgerschaftshaus Bocklemünd-Mengenich e. V. als Träger der „Wilden Füchse“ eher nicht in Frage: „Die Bürgerzentren sind doch selbst von Kürzungen bedroht.“