Köln – Wer hat den Hut auf? In jeder Institution, jedem Betrieb ist das die entscheidende Frage. Man weiß dann, woran man ist – und wer das Sagen hat. Der Hut, den man dafür in der katholischen Kirche aufhaben muss, hat eine besondere Form. Spitz zulaufend, gern reichbestickt, mit zwei Bändern auf der Nackenseite. Die Mitra. Seit gut und gern 1000 Jahren gehört sie zum Ornat der Bischöfe.
Wenn also auf der Facebook-Seite des Erzbistums Kölns die hiesigen Bischöfe samt Mitra würdevoll durchs Bild schreiten, ist das keine Überraschung. Verwunderlicher ist es dann schon, dass in den Kommentaren unter einem Eintrag vom 24. Oktober auch vier aktuelle Fotos von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp aus Kenia erscheinen.
Kein einfaches „Weiter so“
Schwaderlapp hat sich, wie von ihm angekündigt, Mitte Oktober dorthin begeben. Nachdem der Papst ihn – trotz nachgewiesener Pflichtverletzungen – von Vorwürfen im Missbrauchsskandal freigesprochen und sein Rücktrittsgesuch abgelehnt hatte, teilte Schwaderlapp in einer „persönlichen Erklärung“ mit, es könne ihn für ihn kein einfaches „Weiter wie bisher“ geben. Deshalb wolle er bis Ende Juli 2022 im Ausland „als einfacher Priester mitwirken“.
Als Ziel gab Schwaderlapp das Erzbistum Mombasa an. Der dortige Erzbischof, Martin Kivuva Musonde, wolle ihn gern in seinem Bistum einsetzen, „als Priester und Seelsorger“, wie Schwaderlapp mit nochmaligem „einfach“ betonte.
„Kein Geheimnis, dass ich Bischof bin“
Es sei „natürlich kein Geheimnis, dass ich Bischof bin, Weihbischof“, ergänzte er auf „domradio.de“(hier geht es zum Interview). „Aber dennoch, mein Dienst da ist eben als Priester.“ Ausdrücklich verwies er auf Hilfsprojekte für Menschen „in großer sozialer Not“. Es sei jedenfalls keine Auszeit, erläuterte Schwaderlapp, wohl auch, um den Unterschied zu seinem Chef, Kardinal Rainer Woelki, klarzumachen, den der Papst bis Anfang März beurlaubt hat(hier geht es zu Woelkis Erklärung).
Zu den ersten Amtshandlungen nach der Ankunft in Afrika gehörte naturgemäß die Zelebration der Heiligen Messe. Und da zeigen ihn die Fotos auf Facebook beim feierlichen Einzug in die Pfarrkirche der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Mombasa – mit allen bischöflichen Insignien, Bischofsring, Brustkreuz, violettem Pileolus (Scheitelkäppchen) und eben der hohen Mitra, dazu ein weißes Untergewand mit aufwendigen Spitzen-Applikationen. Nur der Bischofsstab fehlt. Aber den führt beim Einzug ohnehin nur der hinter Schwaderlapp gehende Ortsbischof.
Willkommensgruß für „Seine Gnaden“
In den sozialen Netzwerken machten die Aufnahmen umgehend die Runde: So beginnt also der „einfache Priester“ Schwaderlapp aus Köln seinen Einsatz in der Kirche von Kenia. Lasst Bilder sprechen, könnte man sagen. Eines jedenfalls stimmt: Dass dieser Mann ein Bischof ist, kann selbst für den unkundigsten Katholiken von ganz Mombasa kein Geheimnis sein. Tony Maini Karari, der die Fotos postete, hieß denn auch Seine Gnaden, „His Lordship Bishop Dominik Schwaderlapp“ in Mombasa willkommen.
Im fernen Köln stellt sich manchem die Frage, wie weit es wohl her ist mit dem „tiefen Einschnitt“, von dem der Weihbischof im Rückblick auf die vergangenen Monate spricht. „Abstand bringt die Dinge näher“, so lautete sein Resümee, verbunden mit der Versicherung, er trete in Afrika „als Lernender“ an. „Ich erhoffe mir von dieser Zeit innere Reifung und Erneuerung, Erweiterung des Horizontes und eine Vertiefung meiner priesterlichen und bischöflichen Berufung.“
Hochburg des Opus Dei in Ostafrika
Dass er sich dafür ausgerechnet Kivuvas Bistum ausgesucht hat, begründete Schwaderlapp im September mit Verweis auf die Kölner Diözesanstelle Weltkirche/Weltmission damit, dass „wir schon lange freundschaftliche Beziehungen pflegen“.
Kenner der Region sinnieren nun über das „Wir“. Denn neben der kenianischen Hauptstadt Nairobi gilt Mombasa als Hochburg des Opus Dei („Werk Gottes“) in Ostafrika. Die wegen ihrer streng konservativen Positionen hoch umstrittene Organisation unterhalte in Mombasa drei Zentren für Männer, eines für Frauen und ein weiteres sogenanntes Retreat oder „Referenz-Zentrum“. Auch wenn das Opus Dei seine Mitglieder, Sympathisanten und Förderer gern mit dem Mantel des Schweigens umhüllt und sich in Schwaderlapps offiziellem Lebenslauf(hier lesen Sie mehr) kein Wort darüber findet, ist es – um ihn selbst zu zitieren – kein Geheimnis, dass der Kölner Weihbischof dem Opus Dei mindestens nahesteht.
Generalvikar Markus Hofmann und das Opus
Mit dem geheimnisvollen Charakter des Opus Dei ist es eh eine Sache. Kardinal Woelkis Generalvikar Markus Hofmann, der in Abwesenheit des Chefs kommissarisch weiteragieren darf, wandte sich unlängst gegen die Behauptung, er sei Opus-Dei-Mitglied. Tatsächlich gehöre er der „Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz“ an. Nun ja, das stimmt. Aber diese Vereinigung ist der Klerikerzweig im verästelten organisatorischen Gebilde des Werks, selbst nach offiziellen Angaben „mit der Prälatur Opus Dei innerlich verbunden“. Diözesanpriester wie Hofmann müssen ihre Mitgliedschaft beim Prälaten, dem Chef des Opus Dei, beantragen. Der ist auch Oberer oder Präsident der Priestergesellschaft. Gut, dass das dann auch mal klargestellt ist.
Wie Kardinal Woelki über seine Auszeit denkt
Als weiteres offenes Geheimnis sickert derweil aus Bistumskreisen durch, wie Kardinal Rainer Woelki so über seine Auszeit denkt – und besonders darüber, was bis Aschermittwoch im Erzbistum Köln passieren oder eben auch nicht passieren soll. Überraschend tauchte Woelki in den Herbstferien, kurz vor seinem Abschied Mitte Oktober, in der wöchentlichen Sitzung der Hauptabteilungsleiter im Erzbischöflichen Generalvikariat auf. Aus der Behörde wird berichtet, das habe es in Woelkis siebenjähriger Amtszeit noch nicht gegeben.
Woelkis Appell: Bis März solle sich das Bistum auf einen Weg der Versöhnung und des Friedens machen. Von sich selbst sprach Woelki nicht. Nach seiner Auszeit freilich werde es dann so richtig weitergehen. Manche verstanden die Ansagen des Kardinals vor allem als Bekräftigung seines Willens zur Rückkehr. Andere wollten daraus auch eine Warnung gehört haben, in seiner Abwesenheit keine spürbaren Veränderungen einzuleiten. Völlig eindeutig aber erschien die Sub-Botschaft: Ihr könnt mit mir rechnen, im März habt ihr mich wieder.
Rein rechtlich ist der vom Papst eingesetzte Bistumsverwalter, Weihbischof Rolf Steinhäuser, in der Zwischenzeit für konkrete Entscheidungen ohnehin nicht kompetent. Aber auch mental und atmosphärisch, sagen hochrangige Vertreter des Erzbistums, sind ihm enge Grenzen gesetzt: „Er kann sich ja schlecht für einen anderen mit jemandem vertragen.“
Erschüttertes Vertrauen
Tatsächlich sind erschüttertes Vertrauen und die Krise zwischen Erzbischof und Bistum schlechterdings nicht zu beheben, wenn in diesem Beziehungsgefüge der eine Teil abwesend ist. Auch darum, sagt einer aus der Bistumsleitung, sei es „eine große Enttäuschung“ gewesen, dass der Papst Steinhäuser zum Woelki-Vertreter bestimmt und keinen Externen geschickt hat. „Ein Kranker kuriert sich ja auch nicht selbst, sondern holt sich Hilfe von außen.“
Die Situation im Bistum fühle sich an wie ein Vakuum. „Im luftleeren Raum ist das freie Atmen schwierig – ob mit oder ohne Kardinal.“