AboAbonnieren

Mitarbeiterin gekündigtSo geht die Bürostuhl-Affäre im Kölner Erzbistum weiter

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Die Anwälte des Erzbistums bei der Verhandlung im Januar vor dem Arbeitsgericht.

Köln – Die „Bürostuhl-Affäre“ um die fristlose Kündigung der früheren Justiziarin des Erzbistums Köln geht in die nächste Runde.

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass am 14. Juli Berufung gegen das Urteil der Erstinstanz eingelegt worden sei. Zudem wird an diesem Freitag vor dem Arbeitsgericht die Klage einer weiteren leitenden Mitarbeiterin gegen das Erzbistum verhandelt.

Das Erzbistum wollte sich unter Hinweis auf interne Personalangelegenheiten ebenso wenig äußern wie der Anwalt der Justiziarin. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen neben dem juristischen Verfahren im Hintergrund Gespräche um einen außergerichtlichen Vergleich der Parteien laufen. Wann es zur Verhandlung kommt, ist nach Gerichtsangaben offen (Aktenzeichen 10 Sa541/22).

Der Justiziarin hatte das Erzbistum im Jahr 2021 mit dem Vorwurf gekündigt, die inzwischen längerfristig erkrankte Leiterin der Stabsabteilung Recht habe in der Anfangsphase der Corona-Pandemie 2020 unerlaubt einen Bürostuhl mit ins Homeoffice genommen.

Kein hinreichender Kündigungsgrund

Wegen der besonderen Umstände in dieser Zeit ließ das Gericht dies nicht als Grund für eine fristlose Kündigung gelten. Der Anwalt der Justiziarin betonte, seine Mandantin habe die Mitnahme des Möbels in einem Vermerk dokumentiert. Das Gericht erklärte zudem die Versetzung der Justiziarin in den Ruhestand für unwirksam, die das Erzbistum mit der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit der Mitarbeiterin begründet hatte.

Die Klägerin ihrerseits scheiterte mit einer Schmerzensgeld-Forderung in Höhe von mindestens 50.000 Euro. Ihr Anwalt argumentierte, es habe seine Mandantin krankgemacht, dass sie im Missbrauchsskandal ohne hinreichende Begleitung mit den „abstoßenden und belastenden Details“ der Vergehen von Priestern an Kindern und Jugendlichen befasst gewesen sei. Außerdem habe das Erzbistum seine Mandantin gemobbt.

Zumutbare Aufgabe

Der Umgang mit den Missbrauchsfällen, befand das Gericht seinerzeit, sei für die Justiziarin zumutbarer Teil ihrer Aufgabe gewesen. Um eine angemessene psychosoziale Unterstützung hätte sie in ihrer herausgehobenen Position selbst nachsuchen müssen.

Bei der Klage vor dem Arbeitsgericht Köln, zu der sich das Erzbistum ebenfalls nicht äußern wollte, handelt es sich nach Auskunft von Gerichtssprecher Frederik Brand um eine sogenannte Statusklage, also um die Streitfrage, ob die Mitarbeiterin wegen ihrer besonderen Stellung in ein Dienstverhältnis nach Beamtenrecht übernommen und entsprechend eingruppiert wird.

Beamtenähnliche Beschäftigung

Der Fall ist nach Brands Angaben ungewöhnlich, weil die Kirche eine von ganz wenigen Arbeitgeberinnen mit Angestellten in einem beamtenähnlichen Status ist. Bedeutsam ist dieser unter anderem für die Altersversorgung der Beschäftigten.

Zuletzt hatte eine solche Vertragskonstruktion öffentlich Aufmerksamkeit gefunden, weil das Erzbistum sie 2019 auch mit der Geschäftsführerin der umstrittenen, von Kardinal Rainer Woelki protegierten „Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT), Martina Köppen, eingegangen war. Für den aus Kirchensteuermitteln gespeisten Bistumsetat bedeutet die Übernahme Köppens in ein beamtenähnliches Arbeitsverhältnis eine zusätzliche Belastung durch Rückstellungen in Höhe von 670.000 bis 770.000 Euro.

Initiative von Woelki-Sprecher Kleikamp

Laut Medien-Berichten, die unter anderem auf eine Initiative von Woelki-Sprecher Jürgen Kleikamp zurückgehen, sollte die Bistumsverwaltung für eine angeblich irrtümliche oder stümperhafte Vertragsgestaltung verantwortlich gewesen sein.

Eine Sonderprüfung durch die Innenrevision kommt nun zu einem deutlich anderen Ergebnis: Die gesamte Vertragsgestaltung sei zwar tatsächlich mängelbehaftet. Die Inhalte beruhten aber auf Vorgaben der Bistumsleitung, vertreten durch Ex-Generalvikar Markus Hofmann. Diesen hat der Erzbischof inzwischen durch Dompropst Guido Assmann ersetzt.

„Unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel“

Der Leiter der Hauptabteilung Verwaltung, Martin Böckel, verwahrte sich in scharfer Form, seinen Mitarbeitenden die Schuld in die Schuhe zu schieben und sprach von einem „unwürdigen Schwarzer-Peter-Spiel“. Die Verwaltung habe auf höhere Weisung gehandelt.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird dies durch die internen Prüfer bestätigt. Der Auftrag für den Vertrag sei der Verwaltung „mit Nachdruck“ erteilt worden. Der Erzbischof habe Köppen eine beamtenrechtliche Versorgung und einen Vertrag nach Maßgabe des Beamtenrechts garantiert.

Intransparente Entscheidungswege

In internen Mails wird vor einer „diplomatischen Krise“ bei Rückfragen seitens der Verwaltung gewarnt. Es ist von einer Organisationskultur die Rede, „die kritische Nachfragen in der Hierarchie nur bedingt zulässt und intransparente Entscheidungswege akzeptiert“.

Köppens Vertrag enthält auch noch eine Reihe weiterer Privilegien wie einen Dienstwagen und zusätzlich eine Bahncard 100 (1. Klasse) oder ihre direkte Unterstellung unter den Erzbischof unter Ausschluss eines Direktions- und Weisungsrechts durch den Generalvikar. Außerdem trug das Erzbistum Köppens Anwaltskosten, die vor dem Vertragsabschluss entstanden waren. Dies hätte nach dem Urteil der Prüfer nicht geschehen dürfen.

Auf Ausschreibung verzichtet

Die Prüfer bemängeln überdies den Verzicht auf eine Ausschreibung oder Bewertung der von Köppen übernommenen Aufgaben. Dies sei zwar durch die geltende Ordnung gedeckt. Im Fall einer Fehlentscheidung könnten jedoch „nicht kalkulierbare Kosten entstehen“.

Für Maßnahmen von ähnlicher strategischer Bedeutung wie die Übernahme der KHKT empfehlen die Prüfer, künftig „frühzeitiger und transparenter“ zu kommunizieren.

Eine alte Bekannte Woelkis

Woelki kennt Köppen aus seiner Zeit als Erzbischof von Berlin, wo die promovierte Juristin das Katholische Büro Berlin-Brandenburg leitete, die Lobbyvertretung des Erzbistums Berlin bei den beiden Bundesländern. Spätestens seit 2018 wollte er sie für den Aufbau des Hochschulbetriebs und deren Finanzierung gewinnen.

2019 übernahm das Erzbistum Köln die ehemalige Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin und transferierte sie im folgenden Jahr mit dem Lehrbetrieb nach Köln-Lindenthal in eine aufwendig hergerichtete kirchliche Liegenschaft. Für die Finanzierung wurde eigens eine „Stiftung zur Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung im Erzbistum Köln“ gegründet. Auch hier steht Köppen an der Spitze.

Finanzierung der Woelki-Hochschule unsicher

Die KHKT geriet ins Visier der innerkirchlichen Aufsichtsgremien und der Öffentlichkeit, weil die millionenschwere Finanzierung der Anstalt mittelfristig nicht gesichert zu sein scheint. Zusagen einer jährlichen Anschubfinanzierung von 1,2 Millionen Euro aus dem sogenannten BB-Fonds, einem Sondervermögen "für besondere Bedürfnisse" zu Woelkis alleiniger Verfügung, mussten bereits in den beiden zurückliegenden Jahren um jeweils etwa zwei Millionen Euro überschritten werden.

Woelki hat stets versichert, es würden für die KHKT keine Kirchensteuer-Mittel eingesetzt. Sollte die Stiftung jedoch zahlungsunfähig sein, bliebe dem Erzbistum aber zur Aufrechterhaltung eines garantierten Lehrbetriebs zumindest für die eingeschriebenen Studierenden kaum eine andere Wahl.

Die Ausbildung künftiger Priester an der KHKT könnte nach Einschätzung von Staatskirchenrechtlern zudem gegen das Preußische Konkordat zwischen dem Vatikan und dem Land NRW verstoßen. Dieser völkerrechtlich bindende Vertrag bestimmt die Universität Bonn als Studienort für die Kölner Priesteramtskandidaten.