Köln – Im Erzbistum Köln zeichnet sich ein strategischer Konflikt über anstehende Veränderungen ab. Während die Bistumsleitung nach der Rückkehr von Kardinal Rainer Woelki jetzt die schon vor Woelkis Beurlaubung geplante Pfarreireform vorantreiben will, dringen Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie die Laien auf einen grundsätzlichen Wandel im Umgang mit Macht und Teilhabe sowie in der Haltung der Bistumsleitung zum bundesweiten Reformprozess „Synodaler Weg“.
Nach dem Willen der Bistumsleitung soll sich die Landkarte des Erzbistums bis Ende 2022 radikal verändern. Die bestehenden 178 Seelsorgebereiche sollen in nur mehr 50 bis 60 „pastoralen Einheiten“ aufgehen. Dies geht aus einem Brief des stellvertretenden Generalvikars Markus Bosbach an alle pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervor. Das fünfseitige Schreiben unter dem doppeldeutigen Titel „#ZusammenFinden“ liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor.
Bosbach erwähnt darin weder die vor Woelkis Beurlaubung im September 2021 entstandene Führungskrise noch den vom Erzbischof ausgerufenen „Pastoralen Zukunftsweg“. Auch der Name des Erzbischofs wird nicht genannt. In seinem Schreiben bezieht sich Bosbach vielmehr ausdrücklich auf einen Auftrag von Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser aus dem Februar, den Reformprozess zu steuern und die nächsten Entwicklungsschritte vorzubereiten.
Diözesanrat setzt Kooperation aus
Anfang 2021 hatte der Diözesanrat im Konflikt um die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals die Zusammenarbeit mit dem Erzbischof beim Pastoralen Zukunftsweg ausgesetzt. Das sei nach wie vor „geltende Beschlusslage“, sagte der Vorsitzende der Laien-Vertretung, Tim O. Kurzbach.
Die Gremien, die in Woelkis Auszeit tagten, hätten „die Grundsatzfrage nicht diskutiert, wie das Gemeindemodell der Zukunft aussehen soll“, betonte Kurzbach. Vor allen weiteren Schritten „müssen wir nach der Rückkehr des Kardinals doch erst einmal sehen, ob und wie wir miteinander klarkommen.“ Dazu sei inzwischen ein erstes Treffen zwischen Woelki und dem Vorstand des Diözesanrats vereinbart.
Erzbistum Köln wirbt für breite Beteiligung
Bosbach schreibt, der Reformprozess sei „für unser Bistum wichtig und an der Zeit“. Er hoffe, „dass wir bei allen offenen Fragen zur Zukunft unserer Diözese mit #ZusammenFinden“ endlich konkret an Veränderungen arbeiten können“. Notwendig dafür sei „die Beteiligung möglichst vieler“, betont Bosbach.
Als Gründe für die anstehende Strukturreform nennt Bosbach den Schwund bei den Mitgliederzahlen und den kirchlich Engagierten, bei den Finanzen und auch beim Seelsorge-Personal. Fragen nach der künftigen Rechtsform (Pfarrei) der neuen Seelsorge-Einheiten sollen zunächst ebenso ausgeklammert werden wie Leitung und Zusammensetzung der Pastoralteams. Bis Mitte Oktober sollen die Voten der örtlichen Gremien vorliegen. Zum Jahresende entscheide dann der Erzbischof.
Seelsorger schreiben Brief an Woelki
Fast zeitgleich formulierten die Sprecher der Diakone und der hauptamtlichen Laien-Seelsorgerinnen und -Seelsorger, einer Gruppe kritischer Priester sowie des „Netzwerks Pastorale Dienste“ in einem Brief an Woelki einen Katalog konkreter Reformen ganz anderer Art. „Wir begrüßen seine Entscheidung, das Amt als Erzbischof zur Verfügung zu stellen“, heißt es dazu in einer Erklärung der Initiatoren. „Aus unserer Sicht kann dieser Schritt dazu beitragen, dass wir als Kirche von Köln gemeinsam mit vielen Katholikinnen und Katholiken einen Weg aus der großen Krise in unserem Erzbistum finden.“
Der Brief ist von Burkhard Wittwer für die Gruppe der Diakone, Birgit Bartmann und Dagmar Bilstein für den Berufsverband der Gemeindereferenten, Regina Bannert und Regina Oediger-Spinrath für den Berufsverband der Pastoralreferenten, dem Kölner Schulpfarrer Dirk Peters für eine Priester-Initiative und der Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt für das „Netzwerk Pastorale Dienste“ unterschrieben. Arndt sagte, einen solchen gemeinsamen Vorstoß der Berufsverbände habe es „im Erzbistum noch nicht gegeben“. Den Zusammenschluss nannte sie grandios. „Wir wollen uns vom Kardinal nicht mehr spalten lassen.“
Schockiert über Kirchenaustritts-Welle
Ausgangspunkt ist die Kirchenaustrittswelle, die seit mehr als einem Jahr durchs Erzbistum rollt. Priester, Diakone und nicht geweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger seien darüber schockiert. Unter den Ausgetretenen seien „viele Menschen aus der Mitte der Kirche“, heißt es in der Erklärung. Der zentralen Kritik am Umgang mit Macht bis hin zum spirituellen Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt schließen die Unterzeichnenden sich ausdrücklich an.
Konkrete Reformziele benannt
Daraus leiten sie einen „unbedingten Handlungs- und Veränderungsbedarf“ ab. Sie nennen die Teilung, Begrenzung und Kontrolle von Macht in der Kirche und fordern „echte Partizipation“, die in Entscheidungsfindungsprozessen sichtbar und wirksam sein müsse. Weiter zielt die Erklärung auf den „Aufbau und Ausbau von synodalen Strukturen“ und die „volle Unterstützung des Synodalen Wegs in Deutschland“. Bei diesem bundesweiten Reformprozess der katholischen Kirche war Kardinal Woelki bis zu seiner Beurlaubung als einer der entschiedensten Gegner und stärksten Bremser aufgetreten.
Die Seelsorgenden verlangen auch eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Homosexuelle oder geschiedene Beschäftigte sollen nicht mehr Sanktionen bis hin zur Kündigung bedroht werden, wenn sie heiraten.
Grundsatzfragen ungeklärt
Zu den Reformplänen des Bistums mit Neuzuschnitt der Pfarreien sagte Arndt: „Wir werden nicht umhinkommen, hier mitzuarbeiten. Wir wollen in der Pastoral handlungsfähig bleiben. Aber die Grundsatzfragen nach Gestalt und Leitung von Gemeinden sind allesamt nicht beantwortet. Statt am priesterzentrierten Bild der Pfarrei hängenzubleiben, müssen wir neue Wege gehen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Außerdem, so Arndt, dürfe die Pfarreireform die anderen drängenden Fragen nicht vergessen machen. „Wir werden auf unseren Forderungen bestehen und schauen, was daraus wird. Wenn hier nichts passiert, kann der Punkt kommen, an dem wir nicht mehr weiterarbeiten können.“
Von Woelki wollen die Vertretungen der Seelsorgerinnen und Seelsorger bald erfahren, „wie er die genannten Themen in seiner Auszeit weitergedacht hat. Im Gespräch möchten wir mit ihm konstruktive Perspektiven und konkrete Schritte dazu entwickeln.“ Arndt sagte, Woelkis Büroleiterin habe den Eingang ihres Briefs bestätigt und für den Gesprächswunsch um etwas Geduld gebeten. „Wir lassen ihm jetzt zehn Tage Zeit. Wenn er uns als interdisziplinärer Gruppe nicht schnell ein Terminangebot macht, ist das auch eine Antwort.“