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Erzbistum KölnMitarbeitervertretung beklagt Angst unter Beschäftigten

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Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln, verfolgt nach der Besichtigung der Restaurierung der Notre-Dame-Fenster die Reden.

Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln.

Die Mitarbeitervertretung (MAV) im Erzbischöflichen Generalvikariat hat sich von der Erklärung des Erzbistums Köln zum Ermittlungsverfahren gegen Kardinal Rainer Woelki distanziert.

Die öffentliche Ankündigung möglicher arbeitsrechtlicher Schritte gegen eine Whistleblowerin aus den eigenen Reihen führe „bei vielen Mitarbeitenden zu Angst, Unsicherheit und Empörung, sodass in der Folge kein angstfreier Umgang und keine offene Kommunikation möglich erscheint“.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfänden die Einlassungen des Erzbistums und seines Sprechers Jürgen Kleikamp als „einschüchternd und bedrängend“, heißt es in einer Erklärung der MAV, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Im KStA hatte am Mittwoch die frühere Assistentin des Personalchefs im Erzbistum, Hildegard Dahm, offen gelegt, dass sie 2015 für Woelki eine Liste mit 14 Missbrauchstätern erstellt hatte, die auch den Namen des Ex-„Sternsinger“-Präsident Winfried Pilz enthält. Woelki hat an Eides statt versichert, er sei mit dem Fall Pilz erst im Juni 2022 befasst worden. Die Staatsanwaltschaft Köln leitete aufgrund von Dahms Angaben Ermittlungen gegen den Kardinal ein. Das Erzbistum sprach von „uralten Geschichten, die längst geklärt“ seien, und warf Dahm Spekulationen „ins Blaue hinein“ vor.

Die Vertretung der Beschäftigten in der Bistumsverwaltung spricht von „Befremden“ über die Erklärung des Bistums und kritisiert „Vorwürfe und Unterstellungen gegenüber dieser Kollegin, die schließlich in der Ankündigung gipfeln, arbeitsrechtliche Konsequenzen zu prüfen“. Dies richte sich „letztlich auch an uns alle“.

Die Stellungnahme beweise die Dringlichkeit der Einführung eines Hinweisgebersystems, wie es die EU in ihrer Richtlinie 2019/1937 („Whistleblower-Richtlinie“) fordert. „Dazu ist die Kirche nicht nur verpflichtet, sie wäre auch gut beraten, hier zügig voranzugehen – im Dienste eines vertrauensvollen und freien Umgangs miteinander und in der Hoffnung, verloren gegangene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen“, so die MAV.

Eine Gruppe von Seelsorgerinnen und Seelsorger aus dem Erzbistum forderte Woelki derweil auf, sein Amt ruhen zu lassen, solange die staatlichen Untersuchungen andauern. Dahms Aussagen zeigten, dass Woelki „offenbar mehr wusste, als er angegeben hat“. Es sei zu hoffen, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hierzu Klarheit verschaffen.

Woelkis Anwalt Carsten Brennecke aus der Kölner Kanzlei Höcker beharrte in einer vom Erzbistum veröffentlichten Video-Botschaft darauf, die eidesstattliche Erklärung seines Mandanten sei stichhaltig. Woelki habe nicht eidesstattlich versichert, keine Liste mit dem Namen Pilz erhalten zu haben, so der Anwalt. „Er hat lediglich richtigerweise versichert, dass er sich mehr als sieben Jahre später nicht daran erinnern kann, ob der Name P. (Pilz, d.Red.) auf einer Liste stand.“

Ich wurde mit dem Fall Pilz durch das Erzbistum Köln erst in der 4. Juni-Woche 2022 befasst.
Kardinal Rainer Woelki in einer eidesstattlichen Versicherung

In Woelkis eidesstattlicher Versicherung vom 4. August heißt es demgegenüber unter anderem wörtlich: ,,Ich wurde mit dem Fall Pilz durch das Erzbistum Köln erst in der 4. Juni-Woche 2022 befasst. (...) Vor der 4. Juni-Woche 2022 wurde ich mit dem Fall Pilz nicht befasst. (...) Auch unabhängig von einer Befassung durch das Erzbistum Köln habe ich mich vor der 4. Juni-Woche 2022 auch nicht aus anderen Gründen mit dem Fall Pilz und/oder diesbezüglich zu treffenden Maßnahmen befasst.“

Die Gruppe der Seelsorgerinnen und Seelsorger solidarisierte sich in ihrer Erklärung mit der Bistumsmitarbeiterin Dahm. „Sie trägt mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit und ihrer Sicht der Dinge dazu bei, die Vertuschungsstrategien der Kölner Bistumsleitung zu entlarven“, so die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt.

Dahms Haltung sei von tiefer Loyalität zu ihrem Arbeitgeber geprägt. Diese Loyalität durch Woelki vermisse Dahm zu Recht. „Uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fällt es zunehmend schwer, uns loyal zu unserem Arbeitgeber zu verhalten“ erklärte der Kölner Pastoralreferent Peter Otten. In Woelkis Fokus stehe „offensichtlich der alleinige Schutz der eigenen Person“. Der Kardinal habe „erneut das Vertrauen verspielt, und es wird deutlich, dass er in seiner Leitungsverantwortung versagt hat“.

Am Wochenende tagt der Diözesanpastoralrat, Woelkis zentrales Beratungsgremium. Es wird erwartet, dass es dort zu einer offenen Aussprache über die jüngsten Entwicklungen kommt. Dem Vernehmen nach wurde dem Kardinal aus den Reihen des Rates nahegelegt, der Versammlung fernzubleiben. In der vorigen Sitzung im September fehlten so viele Mitglieder, dass das Gremium nicht beschlussfähig war.