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Erzbistum KölnZeitung wirft Woelki Irreführung vor

Lesezeit 5 Minuten
Woelki Weiser 250822

Rainer Maria Kardinal Woelki  (Archivbild) 

Köln – Kardinal Rainer Woelki hat den Versuch beendet, einen seiner prominentesten Kritiker, den Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, juristisch zu belangen. Wie die von Woelki beauftragte Kölner Rechtsanwaltskanzlei Höcker und das Erzbistum in fast identischen Erklärungen mitteilten, nahm Woelki beim Landgericht Köln den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Schüller zurück.

Mit ihr sollte dem Direktor des Instituts für Kirchenrecht der Universität Münster ursprünglich eine Bewertung von Woelkis Umgang mit dem Missbrauchsfall des früheren „Sternsinger“-Chefs Winfried Pilz untersagt werden. Zuvor hatte das Gericht Woelkis Anwälten bedeutet, dass es dem Antrag keine Aussicht auf Erfolg beimesse, weil Schüller sich nach vorläufiger Einschätzung der Pressekammer in zulässiger Weise geäußert habe.

Dagegen erwirkte Woelki eine Verfügung gegen die „Bild“-Zeitung. Sie hatte Schüller in einem Bericht über den Fall Pilz zitiert. Darin stellt der Kirchenrechtler dar, dass sowohl Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, als auch Woelki selbst ihre Dienstpflicht verletzt hätten, weil sie die Information über eine im Jahr 2014 gegen Pilz verhängte Kirchenstrafe und Kontaktbeschränkungen jahrelang nicht an das Bistum Dresden-Meißen weitergaben. Dort lebte Pilz vor seinem Tod 2019 für etliche Jahre und war auch als Ruhestandsgeistlicher tätig.

„Klare Dienstpflichtverletzung von Woelki“

Bistumssprecher Jürgen Kleikamp räumte ein, dass eine schriftliche Information des Bistums Dresden „bedauerlicherweise“ auch dann unterblieb, als das Erzbistum den Fall Pilz 2018 nochmals aufrollte und ihn der Staatsanwaltschaft meldete.

Thomas Schüller dpa 250822

Thomas Schüller, Theologe und Kirchenrechtler (Archivbild)

Dazu führte Schüller in dem Zeitungsbericht aus: „Das Erzbistum Köln war verpflichtet, das Bistum Dresden-Meißen über Pilz’ Missbrauch und sein Umgangsverbot mit Kindern zu unterrichten. Doch das wurde unter Kardinal Meisner unterlassen und unter Kardinal Woelki nicht nachgeholt. Das ist sehr böse. Das ist eine klare Dienstpflichtverletzung von Woelki.“

In diesem Kontext befand Schüller auch: „Pilz stand wegen seiner Prominenz bei Woelki unter Denkmalschutz.“ Dieses – korrekt wiedergebene – Zitat griffen Woelki und seine Anwälte nicht an. Vielmehr wandten sie sich gegen die redaktionelle Einordnung, dass Schüller mit dem Satz vom „Denkmalschutz“ das „Motiv“ benannt habe, aus dem heraus Woelki den Fall nicht nach Dresden meldete.

Diesen Passus untersagte das Landgericht. Ein „Bild“-Sprecher betonte, Schüller habe sein Zitat „sowohl isoliert als auch im Kontext der Geschichte freigegeben“.

Zwei eidesstattliche Versicherungen

In zwei eidesstattlichen Versicherungen vom 4. und vom 12. August erklärt Woelki, er sei vor Ende Juni 2022 nie mit dem Fall Pilz befasst worden. Dass Meisner den Fall pflichtwidrig nicht nach Dresden gemeldet hatte, sei ihm unbekannt gewesen. Daher habe er auch keinen Anlass gehabt, selbst tätig zu werden oder sich gar aktiv gegen eine Nachmeldung zu entscheiden.

Das gelte auch für die Zeit nach Pilz’ Tod im Februar 2019, als das Erzbistum einen überschwänglichen Nachruf auf den Geistlichen publizierte. Personalchef Mike Kolb würdigt Pilz, den Verfasser des bekannten Kirchensongs „Laudato si“, als „begnadeten Prediger und tiefgläubiger Charismatiker“, der „viele junge Menschen im Glauben inspiriert, bestärkt und begleitet“ habe.

Anwälte bezweifeln Woelkis Darstellung

Die „Bild“-Anwälte zweifeln Woelkis Ausführungen zum Fall Pilz an und nennen sie „bestenfalls unvollständig und irreführend“. Ein Schriftsatz für das Landgericht enthält Zeugenaussagen, die der Darstellung des Kardinals zu widersprechen scheinen. Ein „Bild“-Sprecher sagte, Woelki versuche weiter, „mit juristischen Tricks von unbestrittenen Pflichtverletzungen im Fall Pilz abzulenken“.

Woelkis Sprecher Kleikamp betonte in einer Presse-Erklärung zur Entscheidung des Landgerichts: „Kardinal Woelki hat in dem Verfahren klargestellt, dass er gar keinen Anlass dafür hatte, sich mit der Nachholung der unter Kardinal Meisner versäumten Meldung zu befassen.

Bistumssprecher Kleikamp: Woelki obsiegt erneut

Denn ihm war gar nicht bekannt, dass die Meldung noch vor seiner Amtsübernahme unter Kardinal Meisner versäumt wurde.“ Entgegenstehende, als „Tatsachenbehauptung“ zu verstehende Äußerungen „zu Lasten des Erzbischofs“ dürften nun – weil „falsch“ – nicht wiederholt werden. Woelki habe damit „in der Auseinandersetzung mit dem Springer-Verlag erneut obsiegt“, so Kleikamp.

Von Woelkis Rückzieher in Schüllers Fall zeigte der Münsteraner Kirchenrechts-Professor sich erleichtert. Ein Kollege sprach von einem Scheitern des Versuchs, einen Wissenschaftler unter Zuhilfenahme von Medienanwälten mundtot zu machen. Schüllers Anwalt Oliver Stegmann wies in einer Reaktion auf das Ende des Rechtsstreits die Interpretation zurück, sein Mandant habe im Fall Pilz eine persönliche Befassung und Entscheidung Woelkis behauptet.

Erklärung für eklatante Versäumnisse

Der Umstand, dass Pilz beim Kardinal „unter Denkmalschutz“ stand, sei für Schüller „jedenfalls eine Erklärung für die eklatanten Versäumnisse des Erzbistums“. Viel entscheidender als die Frage, ob man das nun als „Motiv“ oder als „Erklärung“ umschreibe, sei etwas ganz anderes: „Kardinal Woelki hat sich in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln auch nicht dagegen gewehrt, dass ihm von Professor Schüller ‚eine klare Dienstpflichtverletzung‘ vorgeworfen wurde.“

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ argumentierte „Bild“-Sprecher Christian Senft ganz ähnlich. Bezogen auf die Zeitung, „halten wir die Entscheidung des Landgerichts Köln für falsch. Weitere rechtliche Schritte prüfen wir aktuell noch.“

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Fest stehe aber schon jetzt: Die „Bild“-Zeitung habe Schüller korrekt zitiert, und dieser bestätige auch, dass der Umstand, dass Pilz „bei Woelki unter Denkmalschutz“ stand, für ihn jedenfalls eine Erklärung für die eklatanten Versäumnisse des Erzbistums ist. „Man stellt sich insoweit auch die Frage zum Sinn dieses weiteren Rechtsstreits“, sagte Senft. Denn die eigentlichen Vorwürfe „einer klaren Dienstpflichtverletzung“ selbst würden von Kardinal Woelki nicht angegriffen.