Köln – Wenn sich am Donnerstag die Aktionäre der GAG zur virtuellen Hauptversammlung treffen, sollte nicht nur die 17-jährige Amtszeit des Aufsichtsratsvorsitzenden Jochen Ott enden. Im Unternehmen und im Rathaus hatte man auch darauf gehofft, das juristische Nachspiel des Kaufs von zwangsverwalteten Hochhäusern in Chorweiler beenden zu können. Doch die Anfang 2019 vom Oberlandesgericht beschlossene Sonderprüfung des Geschäfts ist immer noch nicht abgeschlossen. Warum die Prüfung so lang dauert, weiß bislang nur der Prüfer allein.
Kleinaktionäre hatten geklagt, nachdem die GAG im Jahr 2016 rund 1200 Wohnungen in Chorweiler gekauft hatte. Mit dem Geschäft verband sich die Übernahme einer neuen Rolle in der Stadtentwicklungspolitik, weil der Kauf über eine so genannte Betrauung durch die Stadt Köln abgesichert werden konnte. Die Stadt zahlt der GAG Geld, weil diese im Interesse der Allgemeinheit Aufgaben im und für den Stadtteil übernimmt. Außerdem gelang es, auf Bundes- und Landesebene in entsprechende Förderprogramme zu kommen. „Bis heute bin ich stolz darauf, was damals gelang“, sagt der SPD-Politiker Jochen Ott über eine „tolle Leistung des Unternehmensvorstandes, aber auch aller politisch Beteiligten“. Die Rettung der Häuser, die in einem miserablen Zustand waren, und die Entwicklung einer Perspektive, von denen ein ganzer Stadtteil profitieren sollte, fand bundesweit Beachtung. Doch nicht alle Aktionäre wollten in das Lob einstimmen.
Der Streit um das Chorweiler Geschäft und dessen überraschend lang andauernde Überprüfung verdeutlicht einmal mehr das Dilemma, in dem sich das städtische Wohnungsunternehmen befindet. Die GAG ist eine Aktiengesellschaft. Fast 90 Prozent der Aktien gehören der Stadt, ein geringer Anteil einer Stiftung. Nur 3,2 Prozent der Aktien befinden sich im Besitz von Kleinaktionären. Die Konstruktion zwingt das Unternehmen, auf Renditen achten zu müssen. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob man das ändern muss, um aus der GAG ein wirksameres Instrument der Stadtentwicklungspolitik zu machen.
Die Kleinaktionäre müssten entschädigt werden, um die GAG ähnlich wie andere städtische Unternehmen zu 100prozentigen Töchtern der Stadt beziehungsweise der Stadtwerke zu machen. „Es ist die Frage, ob sich der Kraftaufwand für eine Umwandlung lohnt“, sagt Ott zum Abschluss seiner Arbeit im Aufsichtsrat. Man müsste viel Geld zur Entschädigung der Kleinaktionäre in die Hand nehmen, das an anderer Stelle wirksamer ausgegeben werden könnte.
Tatsächlich wird das Unternehmen auf dem Papier immer wertvoller. Innerhalb von drei Jahren hat sich der Aktienkurs verdoppelt. Die Wertsteigerung dürfte auch die Folge der Debatten über die zukünftige Ausrichtung und Struktur des Unternehmens sein. Die Aktie wird auch deshalb fleißig gehandelt, weil Kleinaktionäre auf eine noch höhere Entschädigung spekulieren, wenn die Stadt sie loswerden wollten. Die lästige Sonderprüfung befeuert die Spekulationen zusätzlich. Schlimmstenfalls droht dem Vorstand ein Untreuevorwurf, der dann in weiteren Verfahren verhandelt würde. In jedem Fall würde die Idee Schaden nehmen, aus dem Chorweiler Engagement ein Modell für zukünftige Projekte zu machen. Jochen Ott sieht die GAG als möglichen starken Player beim neuen Stadtteil Kreuzfeld, der Entwicklung des Otto-und-Langen-Quartiers in Mülheim oder bei der Parkstadt Süd. Das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ließe sich mit der Betrauungen weiterer stadtentwicklungspolitischer Aufgaben in diesen Quartieren verbinden. Wenn die Stadt dann auch noch stärker von der Möglichkeit Gebrauch machen würde, Grundstücke ohne Ausschreibung direkt an die GAG zu vergeben, ließe sich viel Zukunftsweisendes entwickeln, ohne die Struktur des Unternehmens tiefgreifend zu verändern. Köln müsse keine neue Wohnungsbaugesellschaft gründen, wie das mancher fordert, so Ott. Alle Instrumente seien vorhanden. Man müsse sie nur richtig nutzen.
Aufsichtsrat wollte weitermachen
Ott hätte an der Spitze des GAG-Aufsichtsrats gerne noch weiter gemacht, bis das Ergebnis der Sonderprüfung vorliegt. Sie ist nun für Ende des Jahres angekündigt worden, heißt es im Unternehmen. Der SPD-Landtagsabgeordnete wollte diese Prüfung „gerne noch zu einem guten Ende" bringen. Er sei davon überzeugt, dass wirtschaftlich und rechtmäßig gehandelt wurde. Doch die Verantwortlichen im Stadtrat haben sich gegen eine weitere Verlängerung der Amtszeit entschieden. Die Hauptversammlung, die schon einmal in Erwartung des Sonderprüfungsergebnisses verschoben wurde, wird einen neuen Aufsichtsrat wählen und gleich fünf erfahrene Mitglieder des Gremiums austauschen. Nachfolger von Jochen Ott soll der neue SPD-Fraktionsgeschäftsführer Mike Homann werden. Der ehemalige SPD-Parteichef muss auch aufgrund der neuen parteiinternen Machtverhältnisse den Hut nehmen.
Die GAG als Aktiengesellschaft
Die GAG Immobilien AG ist Kölns größte Vermieterin und verwaltet rund 45 000 Wohnungen. Das erste „G“ in der Abkürzung stand noch Jahrzehnte nach ihrer Gründung im Jahr 1913 für „gemeinnützig“. Als 1990 unter der Bundesregierung Kohl die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen abgeschafft wurde, strich die GAG das Wort aus dem Namen. Trotzdem blieb sie weiterhin dem Gemeinwohl verpflichtet. Bei ihrer Gründung war sie ein Joint Venture aus privaten Kapitalgebern und der Stadt, die 50 Prozent der Aktien übernahm und mit Konrad Adenauer als Oberbürgermeister den ersten Aufsichtsratschef stellte. Heute gehört die AG fast komplett der Stadt – aber eben nicht ganz. Die Konstruktion als Aktiengesellschaft ist nicht der Hinderungsgrund, um die GAG als stadtentwicklungspolitisches Instrument verstehen will. Auch die KVB ist eine Aktiengesellschaft, aber eben ohne Anteile, die auf dem freien Markt der Börse gehandelt werden. Aktionäre haben ein Recht darauf, dass ihr Unternehmen, das sie als Aktionäre mitbesitzen, immer Gewinne anstrebt. So befindet sich nicht nur ein dem Wohl der Stadt verpflichtetes Unternehmen in einem Dilemma, weil es möglichst mit keinem Geschäft Miese machen darf, auch wenn es für die Stadtentwicklung noch so wichtig wäre. Das ist auch für die vom Stadtrat entsandten Aufsichtsräte ein Konflikt: Sie sind nach Aktienrecht zunächst dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. (fra)