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Harte Kritik an OB und ParteienBrandbrief des Kölner Stadtsportbunds

Lesezeit 5 Minuten
Basketball Grüngürtel

Der Basketballplatz im Inneren Grüngürtel in Köln.

Köln – Der Stadtsportbund (SSB) hat sich mit einem Brandbrief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Fraktionen im Stadtrat gewandt. Die Interessenvertretung der Kölner Sportvereine fühlen sich von OB und Parteien vernachlässigt. Es sei „keines der im Rahmen der Kommunalwahl 2020 geäußerten Anliegen“ seit dem „ausreichend bedacht oder gar erfüllt“ worden, moniert der SSB. Unterzeichnet haben den offenen Brief alle großen Sportvereine, darunter der 1. FC Köln, Viktoria Köln und Fortuna Köln, Kölner Haie, Rheinstars Köln, Schwarz-Weiß und Rot-Weiß Köln, aber auch die Sportjugend Köln und die Lanxess-Arena.

Die Unterstützung und Entwicklung des Sports in der Stadt würde sich „immer mehr von der gelebten Kölner Realität entfernen“, heißt es in dem Schreiben. Die Vorwürfe wiegen schwer. Dass der Grüngürtel „nur der Erholung“ diene und nicht auch dem Sport, „ignoriert zentrale Inhalte des Sportentwicklungsplans.“ Kinder und Jugendliche würden durch fehlende Bewegungsangebote zur „verlorenen Generation“, ein politischer Wille, das zu ändern, sei „nicht ausreichend erkennbar.“ Neue Sportstätten würden zu spät geplant, bestehende zu langsam saniert. Die Durchführung von imagefördernden Sportveranstaltungen stelle „zunehmend ein einseitiges finanzielles Risiko für Veranstalter und Vereine“ dar. Und dann wären da noch die trotz Ratsbeschlusses stockenden Ausbaupläne des 1. FC Köln, bei denen „das politische Verhalten im Rahmen der notwendigen Erweiterungspläne inzwischen skurril, fragwürdig und aus unserer Sicht unzulässig“, zürnen die Unterzeichner. Dass das Ratsbündnis einen von der Firma Snipes gesponserten Basketballplatz ablehnte, sei ein „vorläufiger Tiefpunkt“ und ein „großer Rückschlag für die Zusammenarbeit von Kölner Sport und Kölner Wirtschaft.“

Mehr als 300.000 Mitglieder

Die Unterzeichner bieten nun den Ratsfraktionen Gespräche an, um „Alternativ- und Gegenvorschläge“ zu unterbreiten, um die Situation zu verbessern. „Das sollten Ihnen die Unterzeichner, vor allem aber die 640 Vereine und die über 300.000 Mitglieder wert sein“, wird die Politik direkt angesprochen.

Die Grünen als größte Fraktion im Rat können „die im Brief geäußerte Fundamentalkritik nicht teilen“, sagte deren sportpolitischer Sprecher Ralf Klemm. Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt sei mitnichten untätig und habe „den Kölner Sport in dieser Wahlperiode bereits durch mehrere Maßnahmen konkret gestärkt, zum Beispiel im Haushaltsplan 2022 mit gut einer Million Euro zusätzlichem Geld. Damit sorgen wir unter anderem für die Sanierung von Sportplätzen und eine bessere Förderung des Vereinsschwimmens.“ Dennoch verliefen Sanierungen teils zu langsam und müssten beschleunigt werden. Der Snipes-Basketballplatz hätte eine „massive, klimaschädliche Versiegelung des Inneren Grüngürtels“ bedeutet, die Verwaltung werde aber Alternativen prüfen. „Auch für den FC-Ausbau suchen wir aktuell nach neuen Varianten, damit der Verein Planungssicherheit gewinnt“, sagte Klemm weiter.

Luftbild der Gleueler Wiese im Grüngürtel

Die Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel. Der 1. FC Köln will die Grünfläche mit mehreren Fußballplätzen bebauen.

„Ja, wir teilen die Sorge um den Kölner Sport. Wir teilen auch die Sorge um Kultureinrichtungen und Karnevalsvereine. Alle sind hart getroffen von der Pandemie“, sagte Eric Haeming, sportpolitischer Sprecher der CDU. Auch die Union verweist auf bereits gewährte Unterstützungen der Sportvereine, zum Beispiel beim Bau neuer Lehrschwimmbecken. „Natürlich wollen wir alle, dass die Umsetzung noch schneller geht. Auch daran arbeiten wir, weil wir die enorme Bedeutung des Sports für die Gesellschaft anerkennen und weil die ehrenamtliche Arbeit in den Vereinen besondere Wertschätzung verdient“, erklärte Haeming.„Wir sind über den offenen Brief dankbar und betroffen zugleich, weil wir uns seit Jahren intensiv für den Sport in Köln einsetzen.

Es sei „allerhöchste Zeit, dass sich der Kölner Sport lautstark zu Wort meldet. Wir sagen unsere volle Unterstützung zu“, versicherte der sportpolitischer Sprecher der SPD, Franz Philippi. Er verband diese Zusage mit einem Angriff auf das Ratsbündnis und Oberbürgermeisterin Reker. „Insbesondere die Thematik um den in die Jahre gekommen und maroden Basketballplatz am Colonius versinnbildlicht diese Haltung. Aber auch die Diskussionen über Kunstrasenplätze oder die Debatte um den Ausbau des Geißbockheims zeigen: Dem Bündnis und auch der OB ist offensichtlich nicht daran gelegen, dass sich Amateur- und Profisport in unserer Stadt zukunftsgerecht - und sicher aufstellen können“, sagte Philippi. „Die intensiven Bemühungen des Sportdezernats, die Sportstadt Köln voranzubringen, werden dadurch konterkariert.“

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„Richtig ist, wir brauchen mehr kommunale Investitionen in Sportanlagen, insbesondere rechtsrheinisch. Dieser Mangel darf nicht dazu führen, dass privaten Sponsoren Tür und Tor geöffnet werden. Die Stadtverwaltung muss dringend eine überarbeitete Sponsorenrichtlinie vorlegen. Das hat auch der Rechnungsprüfungsausschuss gefordert“, erklärte Jörg Detjen (Die Linke), im Hinblick auf das gescheiterte Vorhaben des Snipes-Sportplatzes. Dennoch teile er die harsche Kritik des SSB: „Wir sehen viele Gemeinsamkeiten mit dem Stadtsportbund.“

„Immer häufiger werden im Kölner Rat mit der Mehrheit von Grünen, CDU und Volt Entscheidungen getroffen, die sich gegen den Kölner Sport richten. Darum sind die Sorgen der Kölner Sportvereine und Institutionen auch mehr als berechtigt“, urteilte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. „Erst fasst das Bündnis im Rat den Beschluss, dass der Grüngürtel nur „der Erholung“ dienen soll und explizit nicht auch dem Sport. Davon sind viele Kinder- und Jugendteams betroffen, deren Sportplätze im Grüngürtel liegen und die in ihrer Existenz bedroht sind. Nun wird das großzügige Angebot des Kölner Sportartikelhersteller Snipes“ „barsch zurückgewiesen. Es sei perfide, dass die Sportinteressen der Kölner Jugend gegen den notwendigen Klimaschutz ausgespielt werden“, sagte Breite weiter.

Das in dem Brief geäußerte Gesprächsangebot wollten die Parteien gern annehmen, teilten sie einhellig mit.

Henriette Reker ließ auf Anfrage lediglich mitteilen, dass sich die Oberbürgermeisterin und die Stadtverwaltung grundsätzlich nicht zu offenen Briefen äußern würden.