Köln – 15,8 Millionen Radfahrten registrierten die insgesamt 16 im Kölner Stadtgebiet verteilten Dauerzählstellen für den Radverkehr im vergangenen Jahr – so viele wie nie zuvor. Was auf den ersten Blick wie ein Rekordwert anmutet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen allerdings als Rückgang. Zwar wurden im Vorjahr 2020 lediglich 15,7 Millionen Radfahrten gezählt. Doch in den Jahren 2020 und 2021 sind vier neue Zählstellen hinzugekommen – zuletzt im Juli 2021 auf der Neusser Straße (Höhe Grüngürtel), im November 2020 auf der Severinsbrücke und der Rodenkirchener Brücke sowie im März 2020 auf der Universitätsstraße. Nur wenn man die online einsehbaren Daten derjenigen zwölf Messstationen in Betracht zieht, die im gesamten Zeitraum der beiden Jahre 2020 und 2021 in Betrieb waren, ergibt sich ein verlässlicher Vergleich. Und der zeigt: Der Radverkehr in Köln hat 2021 stark abgenommen.
12,7 Millionen Radfahrerinnen und Radfahrer rollten im Jahr 2021 an den zwölf besagten Zählstellen vorbei, 2020 waren es 14,3 Millionen. Der Rückgang beträgt mehr als elf Prozent, in absoluten Zahlen waren es knapp 1,6 Millionen Radfahrten weniger. Die Zahlen überraschen umso mehr, als insbesondere seit dem Beginn der Pandemie von einem coronabedingten Fahrradboom die Rede ist.
In den vergangenen Jahren meldete die Stadt Köln regelmäßig Rekordwerte bei den Fahrten mit dem Rad. 2020 etwa hatte der Radverkehr im Vergleich zu 2019 um elf Prozent zugenommen: von 12,8 Millionen (im Jahr 2019) auf 14,3 Millionen (2020). In den Jahren zuvor ermittelte die Stadt einen Anstieg um jeweils drei bis fünf Prozent.
Stadt Köln: Wetter und Corona als Gründe für Rückgang
Wie kommt also nun ein solcher Einbruch in Sachen Radverkehr zustande? Ein Sprecher der Stadt Köln begründet dies auf Anfrage sowohl mit dem Wetter – so habe es 2021 häufig geregnet – als auch mit der Pandemie: Durch Homeoffice und zeitweilige Ausgangsbeschränkungen sei weniger Rad gefahren worden. „Im Jahr 2021 befanden sich die Radverkehrszahlen trotz Pandemie stadtweit auf dem Niveau, das sie 2019 hatten – also vor der Pandemie –, so dass die Entwicklung gleichwohl positiv bewertet werden kann“, so der Sprecher weiter.
Auch Christoph Schmidt, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Köln, sieht keinen grundsätzlichen negativen Trend in der Verkehrswende: „Der Fahrradboom ist in unserer Wahrnehmung ungebrochen.“ Die rückläufigen Zahlen kommen Schmidt zufolge vor allem dadurch zustande, dass der Freizeitverkehr abgenommen habe: Damit meint er die Menschen, die aufs Rad steigen, um ins Restaurant oder ins Kino zu fahren oder um eine Radtour zu machen. „Anders als Teilnehmer des beruflichen Radverkehrs, die mit dem Rad zur Schule oder ins Büro fahren, lässt der Freizeitradler sein Rad im Winter oder bei Regenwetter eher stehen“, erklärt der Fahrrad-Experte. Der Sommer 2020 mit „phänomenalem Wetter“ stehe einem verregneten Sommer 2021 gegenüber. Zudem führe auch der Homeoffice-Trend dazu, dass sich der berufliche Radverkehr verringert habe.
Manche Kölner Messstellen verzeichnen Minus von 20 Prozent
Einzelne Messstellen fallen besonders auf: So sei etwa an der Alfred-Schütte-Allee an den Poller Wiesen im Vergleich zu 2020 der Radverkehr überdurchschnittlich stark – um mehr als 20 Prozent – zurückgegangen, während er dort im Vorjahr extrem zugenommen hatte. Das begründet Schmidt „eindeutig mit der Sperrung der Drehbrücke“. Auch die Radbewegungen an der Bonner Straße gingen um mehr als 20 Prozent zurück. Die führt Schmidt allerdings auf „tageweise Störungen“ zurück, in denen keine Messungen erfolgten.
„Die Herausforderung wird sein, die Menschen, die während der Pandemie vom ÖPNV aufs Auto umgestiegen sind, wieder zurückzuholen und aufs Rad zu bringen“, sagt Schmidt. Langfristig müsse die Stadt Köln viel mehr machen, um die Mobilitätswende zu schaffen und klimaneutral zu sein. „Der Radverkehr muss verdoppelt, der ÖPNV deutlich gesteigert werden“, sagt Schmidt.
Kurzfristig könnte auf allen mehrspurigen Straßen in Köln eine Spur ausschließlich für Radfahrende nutzbar gemacht werden, etwa indem man diese vorübergehend mit Pylonen oder ähnlichem absperre. „In Berlin sind bereits mehrere Straßen nach einiger Zeit dauerhaft entsprechend umgewandelt worden.“ Auch die deutliche Ausweitung von Tempo-30-Straßen wäre Schmidt zufolge wünschenswert, um die Geschwindigkeit von Auto- und Radfahrenden einander anzupassen.