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Interview mit Carolin Kebekus„Woelki ist wie ein Trainer nach dem Abstieg“

Lesezeit 6 Minuten
Carolin Kebekus-1 März 22

Carolin Kebekus

  1. Die Kölner Comedian Carolin Kebekus setzt sich in ihrer TV-Show immer wieder kritisch mit der katholischen Kirche auseinander.
  2. Im Interview erklärt sie, warum sie sich auch nach ihrem Kirchenaustritt als katholisch bezeichnet.
  3. Mit dem Verein „Umsteuern!“ unterstützt Kebekus die neue, unabhängige Beratungsstelle „Leuchtzeichen“ in Köln für Opfer sexuellen Missbrauchs.

KölnFrau Kebekus, Kardinal Woelki ist wieder in Köln. Haben Sie damit gerechnet? Carolin Kebekus: Ehrlich gesagt, ja. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sein Amt freiwillig hergibt. Woelkis Message ist schon ein bisschen schizophren: den Rücktritt anbieten, aber bleiben wollen. Außerdem lässt der Papst ihn eh nicht gehen. Das tut er ja nie. Offenbar ist das sein Ding: Wenn einer von den Bischöfen seinen Rücktritt anbietet, wird Franziskus extra stur: „Nö, du bleibst mal schön, damit sich ja nichts ändern muss.“

Wieso kümmert Sie das eigentlich noch? Sie sind ja gar nicht mehr katholisch.

Und ob ich katholisch bin! Das kann man mir als Getaufter keiner nehmen oder aberkennen. Ich habe Probleme mit der Institution, ihren Strukturen und Machtverhältnissen. Deshalb bin ich aus der Kirche ausgetreten. Aber der Gemeinschaft von Gläubigen fühle ich mich zugehörig. Uns vereint die Ohnmacht.

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Welche Ohnmacht?

Mit vielen anderen bin ich entsetzt über den Umgang mit dem Missbrauchsskandal, in dem bislang nicht ein einziger Verantwortlicher persönliche Konsequenzen gezogen hat. Ich bin entsetzt auch darüber, wie viele Menschen etwas in der Kirche verändern wollen, das aber nicht dürfen. Das bedeutet doch, dass die Menschen der Kirche egal sind. Und wenn sie austreten, kümmert das auch niemanden.

In Woelkis Rückkehr-Brief stand kein Wort über die Austritte.

Woelki ist wie ein Fußballtrainer, der nach unehrenhafter Beurlaubung zurückkommt und dann so tut, als wäre er mit seinem Verein gar nicht abgestiegen. In dem Verein gibt es aber immer noch Leute wie die Frauen und Männer von Maria 2.0 mit so viel Energie und Liebe, die sagen: „Wir wollen mit Reformen die Kirche als einen guten Ort erhalten.“

Wenn die alle austreten, bleiben noch ein paar Hardliner übrig – und die Kirche endet als krasse Sekte. Das fände ich schlimm. Wie schön wäre es, gerade in diesen Zeiten, wenn die Kirche ein offener Ort für alle wäre – und nicht ein Verein, der seine Mitglieder nach Geschlecht in besser und schlechter sortiert!

Carolin Kebekus-2 März 22

Carolin Kebekus im Interview mit Joachim Frank

Katholisch – ohne Kirche. Wie geht das?

Das Katholisch sein – ich sage lieber: Christin sein – habe ich mit dem Kirchenaustritt ja nicht abgestreift. Da steckt bei mir ganz viel Erziehung drin; Werte, die ich gut finde. Wenn ich an Jesus denke und seine Botschaft, die „Frohe Botschaft“, dann hat das allerdings wenig bis gar nichts mit dieser Institution und ihren mächtigen Männern zu tun, die da jetzt wieder bei der Bischofskonferenz zu sehen sind und die sagen: „Ja, okay, war jetzt blöd mit dem Missbrauch. Aber Verantwortung übernehmen? Zurücktreten? Wieso das denn? Wir sind doch ein heiliger Stand, und uns kann eh keiner was.“

Carolin Kebekus, geb. 1980, ist Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin. Seit 2013 gehört sie zum Ensemble der „heute-show“, des satirischen Nachrichtenformats im ZDF. 2020 bekam Kebekus in der ARD eine eigene Show unter ihrem Namen.

Kebekus ist aus der katholischen Kirche ausgetreten, unterstützt aber unter anderem die Reform-Initiative Maria 2.0.

Als Kind habe ich die Kirche als Gemeinschaft voller Wärme und Liebe, Wertschätzung und Zusammenhalt erlebt. Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich gemerkt: Ach so, diese Gemeinschaft ist nur für bestimmte Leute gedacht – für Leute, die sich benehmen und nicht aus der Reihe tanzen. Und als Frau bin ich von vornherein abgestempelt als minderwertiges Mitglied mit eingeschränkten Rechten. Wie im Kölner Karneval übrigens, da ist es genau dasselbe.

Auch eine Institution mächtiger Männer.

Beides Institutionen, die mich total geprägt, irgendwann aber auch sehr enttäuscht haben. Als ich zum Beispiel gemerkt habe: Ach so, ich kann hier nicht Präsidentin vom Karnevalsverein werden. Und ich kann noch nicht mal zur Priesterin geweiht werden. Auch wenn ich das gar nicht wollte, habe ich trotzdem gedacht: Ich will zumindest wollen können.

Sie unterstützen den Verein „Umsteuern!“, der jetzt in Köln die Beratungsstelle „Leuchtzeichen“ für Opfer sexuellen Missbrauchs eröffnet. Warum?

Wir wollen die entwürdigende Situation vermeiden, sich als Opfer sexuellen Missbrauchs Hilfe bei der Täterorganisation holen zu müssen, zumal alle Welt weiß, dass diese Verbrechen geschehen und vertuscht worden sind. Dafür gibt es handfeste Beweise. Aber es hat keine Konsequenzen. Das stelle ich mir für die Betroffenen besonders schlimm vor, dass sie das Gefühl haben müssen, es bringt nichts, meine Geschichte zu erzählen.

Ist das bei „Leuchtzeichen“ denn anders?

Wir bieten einen Raum, wo den Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet wird. Dafür stehen Ehrenamtliche bereit, unter ihnen auch Betroffene von sexuellem Missbrauch. Und es gibt eine Psychologin mit festen Sprechzeiten. Die große Nachfrage schon vor der Eröffnung zeigt uns: Es ist total sinnvoll, so etwas anzubieten.

Wie finanziert sich der Verein?

Das Geld kommt aus Spenden. Wir sprechen mit dem Label „Umsteuern!“ gezielt Katholikinnen und Katholiken an, die sich mit ihrem Austritt ja auch die Kirchensteuer sparen.

Und Kardinal Woelki wird „Mitarbeiter des Monats“? Die Austrittstermine beim Amtsgericht Köln sind schon wieder bis Ende Mai fast ausgebucht.

Wir freuen uns auch über Unterstützung von Menschen, die noch in der Kirche sind und ihre Kirchensteuer zahlen, weil sie möchten, dass damit in der Kirche Gutes geschieht.

Dann ist die Beratungsstelle aber doch irgendwie katholisch gelabelt.

In dem Sinne, dass Katholikinnen und Katholiken einen Ort des Zuhörens und der Begegnung schaffen, den die Kirche als Institution nicht bietet und nicht bieten kann. Das ist gewollt.

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Aus der Kirchensteuer werden die Kleriker bezahlt. Darunter sind gute Seelsorger – und übrigens auch Seelsorgerinnen.

Aber die sind in ihrer Handlungsfähigkeit doch stark eingeschränkt. Ich habe mir den Film zur Outing-Initiative #outinchurch angeschaut und war total beeindruckt von dem Mut, ein teilweise jahrzehntelanges Doppelleben in der Kirche zu beenden. Ich kenne das selber von Freundinnen, die Religionslehrerinnen werden wollten und als lesbisches Paar pseudomäßig noch einen Kommilitonen bei sich wohnen ließen, damit es wie eine WG aussieht.

In dem Film kam auch ein Pater aus Sankt Blasien vor, der in die Kamera sagte: „Ich bin katholischer Priester, und ich bin schwul.“ Ich dachte, ich kippe um. Dass so was mal passiert, hätte ich im Leben nicht gedacht. Aber jetzt bin ich auch gespannt, wie die Kirche auf #outinchurch reagiert: Wird es bei Sanktionsdrohungen für Gleichgeschlechtliche im kirchlichen Dienst bleiben? Oder lässt man es nur bleiben aus blanker Not – angesichts des Personalmangels?

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Die Bischofskonferenz berät gerade über Reformen ihres Arbeitsrechts.

Krass, dass es so was überhaupt gibt, ein eigenes Recht beim größten Arbeitgeber in Deutschland nach dem Staat. Das muss man sich mal vorstellen! Was würden wir sagen, wenn Mercedes Benz ein eigenes Recht hätte, mit dem man Mitarbeiter rausschmeißen könnte, wenn die Partner bei BMW arbeiten.

Was wäre denn aufseiten der Bischöfe für Sie ein Nachweis von ernsthaftem Reformwillen?

An erster Stelle der erkennbare Wille zur Aufklärung des Missbrauchs. Der Kölner Prozess gegen den Priester Hans Ue. hat gezeigt, dass in zehn Jahre angeblicher Aufklärung durch die Kirche selbst nicht viel passiert ist. Dieser Serientäter konnte über Jahre hinweg einfach weitermachen.

Diese Ignoranz ist so krass. Ich wundere mich, dass der Staat nicht längst gesagt hat: Es gibt so viele Anhaltspunkte für Vertuschung über Jahre hinweg, da muss jetzt mal was passieren. Nach meinem Rechtsverständnis müsste da die Polizei anrücken.