Herr Rasche, NRW soll am 27. Oktober den vierten Ministerpräsidenten innerhalb von elf Jahren bekommen. Ist das gut für das Land?
Christof Rasche: Am wichtigsten ist eine leistungsfähige Koalition. Natürlich ist eine gewisse Kontinuität gut, aber zu lange Regierungszeiten können auch lähmend sein.
Hätten Sie sich eine längere Regierungszeit von Armin Laschet gewünscht?
Es war seine Entscheidung Kanzlerkandidat der Union zu werden. Diesen Weg haben wir zu akzeptieren. Die CDU hat sich jetzt dafür entschieden, dass Hendrik Wüst neuer Ministerpräsident werden soll. Ich bin mir sicher, dass wir mit ihm die erfolgreiche Arbeit der NRW-Koalition fortsetzen können.
Wären Neuwahlen nicht auch eine saubere Lösung gewesen?
Nein. Die Mehrheit von CDU und FDP steht ja weiterhin. Die Wähler erwarten, dass die Koalition ihre Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzt.
Die Verfassung erlaubt es nur Mitgliedern des Landtags, vor Ablauf der Legislaturperiode zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Wird diese Verengung bei der Personalauswahl der schweren Aufgabe gerecht?
Die Regelung wurde nach britischem Vorbild bei der Gründung des Landes in die Verfassung geschrieben. NRW ist das einzige Bundesland, das diese Regel so noch hat. Bislang waren SPD und CDU immer gegen eine Änderung der Verfassung in dieser Frage. Wenn mit Blick auf die Zukunft über eine andere Lösung diskutiert wird, nehmen wir als FDP die Einladung dazu gerne an. Es kann Vorteile haben, wenn der Kreis der Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten nicht zu sehr verengt ist.
„Wüst ist konservativer als Laschet"
Hendrik Wüst hat das Image, ein Konservativer zu sein. Gerät damit die Mehrheitsfähigkeit der schwarz-gelben Koalition in der Mitte der Gesellschaft in Gefahr?
Die CDU ist in Gänze konservativer als die Liberalen. Das ergänzt sich gut, daran ändert der Personalwechsel zunächst nichts. Es stimmt aber, dass Hendrik Wüst von seinem Auftritt her konservativer wirkt als Laschet. Auf ihn kommt jetzt eine schwierige Aufgabe zu. Ich kenne von ihm konservative Positionen, sehe aber auch liberale Ansätze, zum Beispiel in der Wirtschaft und Finanzpolitik. Diese auszubalancieren ist die Herausforderung im neuen Amt.
In der Union gab es Bedenken, dass Wüst bei der Wahl im Landtag nicht auf die nötige Mehrheit kommt. Teilen Sie die Befürchtung?
Ich bin überzeugt, dass die FDP-Fraktion geschlossen für Hendrik Wüst votiert. In der CDU gab es im Vorfeld der Entscheidung eine Wettbewerbssituation. Das bringt immer Unruhe. Dennoch bin ich sicher, dass die 100 Stimmen der NRW-Koalition wie in den vergangenen 4,5 Jahren stehen.
Was passiert, wenn die Mehrheit nur mit den Stimmen der AfD zustande kommt?
Wir müssen dafür sorgen, dass die Mehrheit zu Stande kommt. Dann stellen sich keine anderen Fragen.
„Neue Stilrichtung in der Politik"
In Berlin bahnt sich eine Ampel an. Parteichef Christian Lindner hat im Wahlkampf erklärt, er könne sich eine Ampel nur schwer vorstellen. Ist die FDP umgefallen?
Christian Lindner hat erklärt, dass ihm die Fantasie dafür fehlt, dass es eine Ampel geben könnte. Nach den Sondierungen deutet sich nun eine Kulturveränderung im Miteinander an, die einen Stilwechsel in der Politik möglich erscheinen lässt. Der wird von der Bevölkerung erwartet. Von der Ampel sind wir aber noch weit entfernt. Wir machen nur eine Koalition der Mitte, bei der liberale Inhalte umgesetzt werden können.
Ampel wäre auch in NRW möglich
In NRW waren sich FDP und Grüne lange spinnefeind. Wären Ampel-Gespräche in NRW schwieriger?
Klar ist, dass ich die erfolgreiche Koalition mit der CDU auch nach der nächsten Landtagswahl fortsetzen möchte. Falls es dafür keine Mehrheit geben sollte, müssen wir uns den Herausforderungen stellen. Dann wird die Regierungsbildung nicht an der Kommunikation scheitern. Das Klima zwischen Grünen und FDP hat sich verbessert. Das hängt sicher auch mit den Personen auf beiden Seiten zusammen. Es gibt jetzt ein gewisses Vertrauensverhältnis, auf das man bauen könnte.
„Laschet würde übel mitgespielt"
Armin Laschet droht das Ende seiner politischen Karriere. Bewegt Sie das?
Ja, natürlich. Ich schätze ihn sehr. Er gehört zu den wenigen Spitzenpolitikern, die zuhören können, und er nimmt die Argumente anderer. Er hat sicher im Wahlkampf Fehler gemacht, aber ihm ist übel mitgespielt worden. Querschüsse von Markus Söder oder Norbert Röttgen haben es ihm schwer gemacht. Ich bin mir aber sicher, dass die Leistung von Armin Laschet für NRW in der Bevölkerung respektiert wird.
Was kann man daraus lernen?
Die Politik ist schnelllebiger geworden. Im Wahlkampf stehen die Kandidaten rund um die Uhr unter der Beobachtung in den sozialen Medien. Da kann jeder kleine Fehler hochgekocht werden. Die Kandidaten müssen einem enormen Druck standhalten. Das funktioniert nur, wenn die Parteien geschlossen sind und ihren Kandidaten voll unterstützen.