Vergangenen Samstag sind bei einem Rave mindestens 18 Menschen verletzt worden. So reagieren Szene und Stadt.
„Menschenverstand abgestellt“Kölner Rave-Szene nach Kohlenmonoxid-Vergiftungen „im Schock“
Es ist eng, stickig und unglaublich laut. Etwa 200 Raver tanzen in einem Gewölbe des historischen Zwischenwerks IXb zu Techno-Musik – manche exzessiv und bis zur Erschöpfung. Der DJ fuchtelt mit den Armen und brüllt Unverständliches in die Menge. Versteckt hinter Bäumen im Gremberger Wäldchen, eingezwängt zwischen Autobahn und Bahngleisen und nur über Trampelpfade zu erreichen: Die vor etwa 150 Jahren gebaute militärische Festungsanlage ist für „Nicht-Eigeweihte“ kaum zu finden.
In einer geschlossenen Whatsapp-Gruppe hatten die Feierwütigen zwei Stunden zuvor die Koordinaten des Treffpunktes mitten im Wald bekommen. Es riecht faulig im Zwischenwerk, das 2008 mit Betonplomben verschlossen wurde. An den etwa fünf Meter hohen Wänden gibt es nur einige wenige minimale Luftschlitze.
„Unauffällig in kleinen Gruppen“, sollten die jungen Leute laut Chat-Anweisung zum Treffpunkt gehen. Um in das leerstehende Gebäude zu kommen, wurde bereits vor Jahren ein Einstiegsloch in die fast zwei Meter dicke Wand gehämmert. Die Absicherung mit Stahlgittern, mit der die Stadt die Räume wiederholt verschlossen hat, haben die jungen Leute mit einem Winkelschleifer einfach wieder „weggeflext“.
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18 Verletzte nach illegalem Rave am Samstag
Vor einiger Zeit hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“, ohne sich zu erkennen zu geben, einen Rave im Gremberger Wäldchen beobachtet, wo am vergangenen Samstag mindestens 18 Personen mit Kohlenmonoxid vergiftet wurden. Fünf Tage nach dem Unglück ist der Einstieg zum Gebäude mit einer eingeschweißten Metallplatte notdürftig geschlossen, es passt gerade noch die Hand durch die Öffnung. Demnächst sei geplant, „den Eingang vollständig und großvolumig zuzuschütten und/oder zuzumauern“, teilte eine Stadtsprecherin auf Anfrage mit.
Die Veranstalter des Raves hatten ein Stromaggregat benutzt. Das dabei ausgestoßene, geruchlose Kohlenmonoxid führte zur Vergiftung. Die Polizei ermittelt derzeit gegen Unbekannt. Der Tatbestand lautet: fahrlässige Körperverletzung.
„Ich war auch schon in der Location, die ist sehr undergroundig und passt vom Ambiente her zu einer Technoparty“, sagt ein 50-jähriger Akteur der Kölner Party-Szene, der anonym bleiben möchte. „Doch ein Stromaggregat in so einen geschlossenen Raum zu stellen: Da war der gesunde Menschenverstand abgestellt. Nicht nur bei den Veranstaltern, sondern auch bei den Gästen.“
Zu seiner Zeit habe mehr Rücksicht in der Szene geherrscht, sagt er. „Bei uns blieb immer einer nüchtern, falls jemand gefahren werden musste. Und es kümmerte sich jemand um einen Feuerlöscher. Damals haben wir aufeinander aufgepasst.“ Ein negativer Höhepunkt der Tiktok-Partygeneration sei ein Todesfall der jüngeren Vergangenheit gewesen: Ein 20-Jähriger ist vor zwei Jahren bei einem Rave in der Westhovener Aue gestorben.
Illegaler Rave: Secret-Rave-Kollektiv grenzt sich ab von Ereignissen
Der Vorfall am vergangenen Samstag hat auch die junge Rave-Szene aufgerüttelt. Das Kollektiv „Secret Raves“, dem auf Instagram 52.000 Menschen folgen, grenzt sich in einem Statement ab. „Wir möchten uns klar von den dortigen Geschehnissen distanzieren. Das sollte entsprechend geahndet werden. Leider haben diese Ereignisse auch Auswirkungen auf viele andere Kollektive, obwohl die meisten von uns die Sicherheit der Gäste in den Vordergrund stellen“, postete der Zusammenschluss der Elektromusik-Fans.
Ein Techno-Kollektiv-Mitglied, das früher auch illegale Raves durchgeführt hat, sagt: „Wir saßen einen Tag danach zusammen, waren im Schock. Es löst viele Fragen aus. Wie kann das passieren? Es sollte ein Weckruf sein!“ Doch die junge Frau mahnt zur Differenzierung:„ „Auch bei angemeldeten Veranstaltungen können schlimme Dinge passieren, siehe Loveparade.“ Wegen einer Massenpanik waren 2010 bei dem Festival in Duisburg 21 Menschen gestorben und mehr als 650 wurden verletzt.
Zum Glück sei in Köln am vergangenen Wochende „nicht noch mehr“ als die am Ende verhältnismäßig glimpflich verlaufenen Vergiftungen passiert, sagt die Szene-Kennerin. Es wäre jetzt aber falsch, die gesamte Bewegung zu verurteilen, die ansonsten „super achtsam“ sei: „Die Awareness-Konzepte waren hier schon da, bevor sich die Clubs damit befasst haben.“ Bei den sogenannten Awareness-Konzepten, die Clubs immer häufiger erstellen, geht es darum, dass die Besucher frei von Diskriminierung und Belästigung sicher feiern können.
„Geravet“ wurde schon immer, doch während der Pandemie sei ein regelrechter Boom entstanden, sagt ein Clubbetreiber, der die Techno-Szene seit über 30 Jahren kennt. „Es finden seitdem mit Sicherheit jedes Wochenende fünf bis sechs Events in und um Köln statt. Im Sommer noch mehr.“ Gerade in Köln sei es extrem schwer, legal ein Open-Air zu organisieren. „Gibt es Notausgänge, Parkplätze, ist das ein Naturschutzgebiet? Am Ende heißt es immer Nein von der Stadt.“
Stadt Köln löste im Jahr 2023 mehr als 100 illegale Raves auf
Deshalb würden sich die Leute etwa zum Herkulesberg, Richtung Remscheid oder zum Bonner Verteiler begeben, wo es in der Vergangenheit zahlreiche Open-Airs gegeben habe. „Oder eben in die Forts und Zwischenwerke“, so der Clubchef. Und da komme es dann immer wieder zu Einsätzen von Polizei und dem kommunalen Ordnungsdienst, bestätigte eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage: „2023 wurden 111 illegale Veranstaltungen aufgelöst, davon vier Einsätze in Forts/Zwischenwerken. Es wurden elf Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs erstattet.“
Bei den Einsätzen vor Ort würden die Partys aufgelöst, der Bereich geräumt. Neben Hausfriedensbruch würde mitunter auch wegen Lärmbelästigung oder „gewerblicher Verstöße“ ermittelt, zum Beispiel wenn bei den Veranstaltungen unerlaubt Alkohol ausgeschenkt werde, so die Stadtsprecherin. Sobald eine ehemalige Festungsanlage widerrechtlich betreten werde, so die Sprecherin, erstatte der Ordnungsdienst in Vertretung für das Liegenschaftsamt Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. In diesem Jahr sei der Ordnungsdienst bisher vier Mal zu Forts und Zwischenwerken ausgerückt.
Dabei konnte der Veranstalter der illegalen Treffen drei Mal ausfindig gemacht werden, so die Sprecherin. Oft aber werden die Aktionen zum „Hase-und-Igel-Spiel“. Denn die jungen Raver seien„ mittlerweile straff organisiert“, betont der Kölner Clubbetreiber. „Sobald die Polizei kommt, geben sie sich Bescheid. Dann wird schnell alles abgebaut und später einfach wieder alles wieder aufgebaut, wenn die Polizei weg ist.“ Und auf privaten Geländen könnten die Beamten häufig auch gar nicht viel ausrichten: Oftmals sei ein Landwirt involviert, der gegen Geld sein Grundstück zur Verfügung stelle.