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Ordnungsamt verweigert SchankerlaubnisSzene-Location „Schrotty“ kämpft ums Überleben

Lesezeit 4 Minuten
Schrotty

Yediyar Isik und Hannah Hoss von der Szene-Location „Schrotty“

  1. Mit Open-Air-Konzerten wollte die Szene-Location „Schrotty“ in Bickendorf die wegen Corona notleidende Kulturszene unterstützen.
  2. Im September sollen dort Kasalla, Gentleman und Patrice spielen. Doch das Ordnungsamt der Stadt Köln macht den Veranstaltern jetzt einen Strich durch die Rechnung.
  3. Yediyar Isik und Hannah Hoss, die Macher des „Schrotty“, fühlen sich gegängelt.
  4. Lesen Sie hier, wie sich das Schrotty und die Stadtverwaltung dazu äußern.

Köln – Bei den zuschauerreduzierten Konzerten der Lanxess-Arena dürfen Besucher in den Plexiglas-Boxen Alkohol trinken. Auch bei den Open-Air-Veranstaltungen im Tanzbrunnen und im Kölner Jugendpark gehören Bier und Wein zum Kulturerlebnis dazu. Ein generelles Alkoholverbot auf Veranstaltungen ist in der Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht enthalten. Umso größer ist die Enttäuschung bei Yediyar Isik und Hannah Hoss von der Szene-Location „Schrotty“ an der Vogelsanger Straße 406.

Denn das Ordnungsamt verwehrt ihnen die Schank-Konzession und erschwert somit das Freiluft-Vorhaben der Kulturschaffenden – obwohl es vor dem Start der Konzertreihe in Bickendorf eine „mehrwöchige ämterübergreifende Abstimmung“ gegeben habe, sagt Hoss.

Gäste dürfen während des Konzerts keinen Alkohol trinken

Die Gäste dürfen also nur nicht-alkoholische Getränke während des zweistündigen Konzerts, das immer um 22 Uhr endet, verzehren. Isik und Hoss baten die Stadtverwaltung um eine Stellungnahme. Die schriftliche Aussage von Ordnungsamtleiter Wolfgang Büscher dazu habe gelautet: „Das Programm kann man auch ohne Alkohol genießen“. Die beiden fühlen sich „gegängelt“.

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Es stecke nicht nur Herzblut und monatelange Vollzeitarbeit im „Schrotty“, sondern das finanzielle Risiko liege bei Isik — und ohne Alkoholausschank könne er nicht kostendeckend arbeiten. „Es ging uns nie ums Geldverdienen, sondern darum, die Kulturszene nicht sterben zu lassen, die wegen Corona extrem leidet.“

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Die Bühne des Schrotty.

Viele helfende Hände aus der alternativen Kulturszene packten mit an – Clubs und Veranstalter wie Jack in the Box, c/o-Pop und Club Bahnhof Ehrenfeld seien mit am Start. Auch die Klubkomm, der Interessenverband der Kölner Clubs, stünden hinter dem „Schrotty“.

Kölner Acts wie Kasalla und Gentleman haben zugesagt

Der stimmungsvolle Start am vergangenen Freitag hätte Anlass zur Freude sein sollen: Für September sind größere Kölner Acts wie Kasalla, Gentleman und Patrice angekündigt, auch Bukahara hat zugesagt. Die Stadt habe das Vorhaben sowie das zugehörige Hygiene- und Schutzkonzept im Vorfeld zudem genehmigt, sagt Hoss.

Und kreativ ist die Umsetzung der Stätte allemal: Isik hat 500 Autowracks eigens dafür vom Schrottplatz weggeschafft. Manche davon hat er an Nachtschwärmer verschenkt, die im „Schrotty“ schon zwischen den alten Motoren gefeiert haben — und sich nun über das Andenken freuen. Vorher hat der 44-Jährige jedoch die Autositze herausgerissen, die nun auf der freigeräumten Fläche als Sitzgelegenheiten dienen. Von einem kaputten Linienbus und einem ausgedienten Polizeiwagen hat er sich jedoch nicht getrennt.

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Am meisten irritiert Isik, dass er seit Monaten mit Politik und Verwaltung kommuniziert. „Das Projekt war politisch gewollt. Wir sind auf die Parteivorsitzenden zugegangen, die auch wollten, dass sich etwas in der Kultur tut“. Insbesondere Brigitta von Bülow, Fraktionsvorsitzende der Grünen, habe sich eingesetzt. „Das Projekt wurde so wie wir es geschrieben haben genehmigt, nun kommen sie mit dem Einwand daher: Anwohner haben sich zwischen 20.38 und 21.01 Uhr wegen der Lautstärke beschwert“, sagt Hoss.

Doch sie hält dagegen: „Wir haben ein geprüftes Schallschutzgutachten und Auflagen zum Emissionsschutz im Rahmen der Baugenehmigung, die wir zu jederzeit einhalten und protokollieren.“ Auch Jan van Weegen von der Klubkomm vermutet behördliche Willkür. „Es ist unverständlich, dass dort etwas verboten wird, was woanders erlaubt ist. Ich kann zwischen einer Lärmbeschwerde im Gewerbegebiet und dem Ausschank von Alkohol keinen Zusammenhang erkennen“. Die Musikanlage würde auch nicht leiser dadurch, dass man dort Wasser statt Bier trinke.

Kölner Ordnungsamt liegen Lärmbeschwerden vor

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilt das Ordnungsamt mit, dass ihm „mehrere Lärmbeschwerden in diesem Gebiet vorliegen“. Zum Einzelfall möchte sich das Amt „aus Datenschutzgründen“ und aufgrund „des laufenden rechtlichen Verfahrens“ aber nicht äußern. Auf die Frage nach der rechtlichen Grundlage für die Verweigerung der Konzession hieß es, dass die Ablehnung eines Antrags „ausführlich rechtlich begründet werde“.

Hoss betont weiterhin, dass „die Prüfung unseres eingereichten Lärmschutzprotokolls ergeben hätte, dass wir innerhalb unserer Emissionsauflagen waren“, es also keinen Verstoß gebe. „Wir bieten hier eine echte Alternative, die beides ermöglicht: Kultur zu erleben und dabei die Gefahr von unkontrollierten Zusammenkünften zu vermeiden. Dass wir daran faktisch gehindert werden und das angesichts der dramatischen Lage für alle Kulturschaffenden, macht mich fassungslos“.

Isik ist im Kölner Nachtleben ein bekanntes Gesicht – er baute die Essigfabrik und die Papierfabrik in Ehrenfeld zu Partylocations um und hat zuletzt den Domhof als Club etabliert. Er beklagt die fehlende Lobby für die Alternativkultur. In Bickendorf befänden sich ohnehin die letzten verfügbaren Flächen mit Industrie-Charme. „Sonst gibt es in Köln nichts mehr. Entweder es ist verbaut oder weit draußen. Oder die Betreiber gehen wegen der Pandemie pleite.“ Und was nun? Solange die Genehmigung nicht erteilt werde, könnten die Gäste Alkohol für den Eigenbedarf mitbringen.